US-Zwischenwahlen Joe Biden muss um seine knappen Mehrheiten zittern

Von Herbert Aichinger

22.10.2022

US-Zwischenwahlen: Wähler in Georgia bereits an den Urnen

US-Zwischenwahlen: Wähler in Georgia bereits an den Urnen

Drei Wochen vor den wegweisenden Zwischenwahlen in den USA sind die Wahllokale im Bundesstaat Georgia bereits geöffnet. Bei den so genannten Midterm-Wahlen müssen die Demokraten von Präsident Joe Biden um ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus bangen

18.10.2022

Die sogenannten Midterms zeigen, wie zufrieden die US-Bürger mit der aktuellen Regierung sind. Das Rennen zwischen Demokraten und Republikanern dürfte dieses Jahr besonders eng werden.

Von Herbert Aichinger

Am 8. November dürfen die US-Amerikaner wieder wählen. Die sogenannten Midterm Elections gelten immer auch als Stimmungsbarometer für die aktuelle US-Regierung. Joe Bidens Präsidentschaft steht zum ersten Mal auf dem Prüfstand.

Trump-Anhänger contra Demokraten: Bei den Midterm Elections in den USA am 8. November zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab.
Trump-Anhänger contra Demokraten: Bei den Midterm Elections in den USA am 8. November zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab.
EPA/PETER DASILVA/KEYSTONE

Worum geht es bei den Midterm Elections?

Zum einen wird das US-Repräsentantenhaus mit insgesamt 435 Abgeordneten komplett neu gewählt, zum anderen ein Drittel (35 Sitze) des Senats. Auch bei den Gouverneurinnen und Gouverneuren der Bundesstaaten kann es in den Zwischenwahlen zu Veränderungen kommen.

Die Midterm Elections in den USA entscheiden auch über die künftige Handlungsfähigkeit der Biden-Regierung.
Die Midterm Elections in den USA entscheiden auch über die künftige Handlungsfähigkeit der Biden-Regierung.
EPA/AL DRAGO/KEYSTONE

Die Demokraten halten derzeit im Repräsentantenhaus eine Mehrheit von 222 Sitzen gegenüber 213 Sitzen der Republikaner. Im Senat herrscht aktuell Gleichstand – beide Parteien haben jeweils 50 Sitze. Bei einem Abstimmungs-Patt gibt die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris jeweils den Ausschlag. Bei den 35 neu zu wählenden Mandaten haben die Republikaner jedoch gegenwärtig gemäss Umfragen mit 21 zu 14 Sitzen die Nase vorn.

Sollten die Republikaner den Senat zurückerobern, würden damit die Handlungsmöglichkeiten des regierenden Präsidenten stark eingeschränkt.

So funktioniert die Wahl des Repräsentantenhauses

Die 435 Sitze im Repräsentantenhaus werden anteilig nach Bevölkerungsanteil gewählt. So erhalten grosse, aber bevölkerungsarme Staaten wie Montana nur ein Mandat, während dicht besiedelte Gliedstaaten wie Kalifornien mehrere Abgeordnete ins Rennen schicken dürfen.

So setzt sich der Senat zusammen

Jeder der 50 Bundesstaaten wird von zwei Senatoren vertreten. Diese werden nach dem Mehrheitsprinzip gewählt – wer die meisten Stimmen auf sich vereint, erhält den Sitz. Senatorinnen und Senatorinnen dürfen ihr Amt sechs Jahre lang ausüben. Alle zwei Jahre muss sich ein Drittel des Senats erneut der Wahl stellen.

Ende der Stimmengleichheit im Senat?

Neueste Umfragen zeigen, dass es schwierig ist, über die künftigen Kräfteverhältnisse im Senat Prognosen zu treffen. Entscheidend werden die Ergebnisse in den Staaten Pennsylvania, Nevada, Georgia und Wisconsin sein. Und aktuell zeichnet sich zumindest schon ein Rekordergebnis für die Demokraten in Georgia ab: Laut BBC haben dort bislang 136'739 Menschen ihre Stimmen abgegeben, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs von etwa 85 Prozent und kommt fast an die Wahlbeteiligung bei der Präsidentschaftswahl von 2020 heran.

Darum ist Georgia für die Midterms so wichtig

In Georgia treten der Trump-Vertraute Herschel Walker und der Demokrat Raphael Warnock gegeneinander an. Sollte Warnock Walker tatschächlich schlagen können, wäre das ein klares Zeichen, dass die Ära Trump Geschichte ist. Derzeit sieht es in Georgia aber nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten aus. Trotzdem: Eine hohe Wahlbeteiligung spielt erfahrungsgemäss den Demokraten in die Hände.

Der demokratische Kandidat Raphael Warnock tritt in Georgia gegen den Trump-Vertrauten Herschel Walker an.
Der demokratische Kandidat Raphael Warnock tritt in Georgia gegen den Trump-Vertrauten Herschel Walker an.
EPA/ERIK S. LESSER/KEYSTONE

Wie sehen die Chancen der Regierung Biden aus?

Josef Braml, USA-Experte und Generalsekretär der deutschen Gruppe der Denkfabrik Trilaterale Kommission, ist Autor des Buches «Die transatlantische Illusion – Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können». Seine Einschätzung der Lage: «Bis auf wenige Ausnahmen verlor jeder Amtsinhaber im Weissen Haus bei den Zwischenwahlen Sitze im Kongress, zumal wenn er wie Biden nur schwache Zustimmungswerte für seine Amtsführung hatte. Ich gehe davon aus, dass Bidens Demokraten ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus verlieren und vielleicht die Senatsmehrheit verteidigen können.»

Test des technischen Equipments für die korrekte Durchführung der Midterm Elections in Miami.
Test des technischen Equipments für die korrekte Durchführung der Midterm Elections in Miami.
AP Photo/Lynne Sladky/KEYSTONE

Trotz anfänglicher Schwächen hat Biden laut Braml im Lauf seiner Amtszeit Boden gutmachen können: «Durch seine legislativen Erfolge, etwa das sogenannte Gesetz zur Reduzierung der Inflation, konnte Biden sein Image schwacher politischer Führung korrigieren und damit auch seine Zustimmungswerte etwas verbessern.»

Biden und die Ukraine – ein Wahlkampfthema?

Laut Braml spielt die Ukraine für Biden innenpolitisch kaum eine Rolle: «Die Ukraine-Politik der Biden-Regierung ist unmittelbar wenig relevant für die Wahlentscheidungen der meisten Amerikanerinnen und Amerikaner. Doch sie wirkt indirekt: Die von den USA forcierten Öl-Sanktionen gegen Russland haben einen Bumerang-Effekt auf die US-Wirtschaft und damit die Wahlchancen der Republikaner.» «Denn die durch die Sanktionen verursachten höheren Ölpreise belasten die US-Bevölkerung über die Spritpreise und befeuern auch die Inflation, die die US-Notenbank zu einer umso restriktiveren Geldpolitik nötigt, die in Amerika wiederum zu weiteren Einbrüchen an den Aktienmärkten und in der Wirtschaft führen dürfte. Die prekäre wirtschaftliche Lage spielt den Republikanern in die Hände. It’s the economy, stupid!»

Was ist wichtiger für die Wählergunst: Moral oder Wirtschaft?

Josef Braml zieht hierbei einen Vergleich zu Bertolt Brecht: «Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Nur wenn die Bread-and-Butter-Themen, also die wirtschaftlichen Grundbedürfnisse befriedigt sind, können moralische Themen eine ausschlaggebende Rolle spielen. In den USA geht es ja zumeist um moralische Themen unterhalb der Gürtellinie, also um Themen der Sexualmoral wie gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung. Nachdem das Oberste Gericht das nationale Recht auf Abtreibung aufhob, schien es lange Zeit so, als ob eine starke Gegenmobilisierung vor allem von liberalen Frauen den Republikanern bei den Kongresswahlen merklich schaden würde. Nunmehr sind aber erneut wirtschaftliche Themen in den Vordergrund gerückt und haben die sogenannten moral issues wieder etwas in den Hintergrund geschoben.»

Wie steht die Mehrzahl der Republikaner derzeit zu Donald Trump?

«Die Mehrzahl der republikanischen Wählerinnen und Wähler glaubt Donald Trumps Lüge, dass US-Präsident Joe Biden unrechtmässig an die Macht kam», sagt Josef Braml. «Es ist sehr bedenklich, dass die Mehrzahl der republikanischen Kandidatinnen und Kandidaten, die im November zur Wahl antreten, ebenso die rechtmässige Wahl Bidens bestreiten. Nicht zuletzt auch aus Angst vor dem möglichen Zorn des unangefochtenen Parteiführers Trump, der Abtrünnigen, etwa der Abgeordneten Liz Cheney, den politischen Garaus gemacht hat. Bereits in den Vorwahlen wurden die Republikaner auf Trump-Linie gebracht.»

Donald Trumps Anhänger spielen bei den Republikanern immer noch eine entscheidende Rolle. Werden sie auf die Midterm Elections einen entscheidenden Einfluss haben?
Donald Trumps Anhänger spielen bei den Republikanern immer noch eine entscheidende Rolle. Werden sie auf die Midterm Elections einen entscheidenden Einfluss haben?
AP Photo/José Luis Villegas/KEYSTONE

Laut Josef Braml scheinen auch die aktuellen juristischen Verfahren gegen Trump die Republikaner kaum Stimmen zu kosten: «Es hat Trump bislang nicht viel geschadet, im Gegenteil: Nach den Zwischenwahlen im November werden nur wenige Republikaner im Amt bleiben, die etwa für Trumps Amtsenthebung wegen seiner Handlungen nach seiner Wahlniederlage gestimmt haben.»

Braml weiter: «Selbst wenn Trump – wegen möglicher strafrechtlicher Verurteilungen – bei den Präsidentschaftswahlen 2024 nicht selbst kandidieren sollte, stünden Populisten nach Trumps Ebenbild wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis in den Startlöchern. Andere republikanische Kandidaten könnten noch herausfordernder für Europa sein. Das sind keine guten Nachrichten für den alten Kontinent, der seine Sicherheit in die Hände Washingtons gelegt hat.»

Frauen bevorzugen Republikaner

Entgegen allen bisherigen Prognosen legen die Republikaner aktuell enorm zu. Im September hatten die Demokraten bei den weiblichen Wählerinnen laut «New York Times» noch mit 14 Prozent die Nase vorn. Mittlerweile liegen sie in dieser Wählergruppe hinter den Republikanern.

2021 waren es vorwiegend Frauen, die Joe Biden zur Präsidentschaft verhalfen. Für die aktuellen Zwischenwahlen erhofften sich die Demokraten erneut eine starke Unterstützung durch weibliche Wähler – vor allem aufgrund der Neuregelungen des Abtreibungsrechts.

Mittlerweile scheinen jedoch Themen wie die Inflation und die Wirtschaft alles andere zu überlagern. Hinzu kommt: Laut Umfragen haben 58 Prozent der Amerikaner*innen eine schlechte Meinung von Joe Biden. Donald Trump steht trotz aller Skandale der letzten Jahre mit 52 Prozent besser da.