Weltbank-Präsident warnt Mehr Hunger, mehr extreme Armut – und Putin als Profiteur

30.5.2022

Die ukrainische Ernte ist eingefahren, aber die Exportwege sind blockiert: Blick in ein beschädigtes Getreidesilo in einem Vorort von Charkiw.
Die ukrainische Ernte ist eingefahren, aber die Exportwege sind blockiert: Blick in ein beschädigtes Getreidesilo in einem Vorort von Charkiw.
AP

Der Krieg setzt die «Kornkammer der Welt» ausser Gefecht – was die Gefahr einer globalen Hungerkatastrophe weiter anheizt. Der Präsident der Weltbank warnt vor den Folgen für Millionen von Menschen. 

Die Folgen des Krieges in der Ukraine bekommen die Menschen rund um den Globus zu spüren. In Europa machen sich bisher vor allem die steigenden Energiepreise im Portemonnaie bemerkbar – ein Ärgernis. Doch für die Menschen in ärmeren Gegenden geht es um Leben und Tod. Denn der Krieg schürt Angst vor einer globalen Hungersnot.

Das Problem: Die Ukraine und Russland sind zwei der grössten Weizenproduzenten der Welt, und die Ukraine kann wegen blockierter Schwarzmeer-Häfen seit Wochen keine Güter ausführen. Leidtragende sind die Menschen im Libanon, in Ägypten, Indonesien und weiteren Ländern, die dringend auf Nahrungsmittel aus der «Kornkammer der Welt» angewiesen sind. Die Getreidesilos der Ukraine seien randvoll, «gleichzeitig stehen 44 Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot», warnte der Chef des UNO-Welternährungsprogramms, David Beasley, bereits Anfang Mai.

«Wir stehen vor einem ernsten Engpass bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln», hält auch der Präsident der Weltbank, David Malpass, in einem am Montag erschienenen Interview mit der NZZ fest. Er meint damit nicht nur die blockierten Ausfuhren aus Mariupol und Odessa, auf die sich «Länder wie der Libanon verlassen haben», sondern zeigt ein weiteres Problemfeld auf: «Es fehlt an Düngemitteln, die für den nächsten Erntezyklus unerlässlich sind.»

Es gibt mehrere Möglichkeiten, anzusetzen

Doch sei die Lage nicht hoffnungslos: Die Nahrungsmittelvorräte seien bei Kriegsausbruch «relativ gross» gewesen. «Nun geht es darum, das Angebot an Energie, Dünger und lokalen Lebensmitteln zu erhöhen, vor allem beim Saatgut und in Afrika.» Dass die USA und andere Staaten Mais und Soja zur Produktion von Kraftstoffen nutzen, kritisiert der Amerikaner.

Zentral sei auch, dass Import- und Exportbeschränkungen abgebaut würden und die Ukraine alternative Exportrouten Richtung Westen finde. «Und es ist wichtig, dass die Märkte funktionieren. Preissignale müssen so wahrnehmbar sein, dass mehr produziert wird», so der Weltbank-Präsident.

Ägypten ist eines der Länder, die auf ukrainische Getreidelieferungen setzen: Die eigene Ernte im Land beginnt erst jetzt.
Ägypten ist eines der Länder, die auf ukrainische Getreidelieferungen setzen: Die eigene Ernte im Land beginnt erst jetzt.
Bild: EPA

Dass die Preise für Nahrungsmittel infolge des Kriegs stark ansteigen, sei für von Armut betroffene Menschen verheerend: «Wir befürchten, dass die Zahl der Menschen in extremer Armut wieder steigt. Wir dachten, der Anstieg der Armut im Jahr 2020 aufgrund der Covid-Pandemie sei einmalig, aber diese zweite Krise wird die Entwicklung noch verstärken.»

Russland verlangt Ende der Sanktionen

Zum Profiteur dieser Kriegsfolgen könnte kurzfristig ausgerechnet Wladimir Putin werden: Russland wolle durchaus darüber diskutieren, wieder ukrainische Getreideexporte über das Schwarzmeer zuzulassen, verlautete am Wochenende aus Moskau. Im Gegenzug müsste der Westen aber die Sanktionen gegen Russland lockern. 

Und nicht zuletzt hat Russland angekündigt, seine Exporte von Getreide und Düngermittel kurzfristig zu erhöhen.

Getreide-Stau in der Ukraine trotz drohender Hungersnöte

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