Late Night USA «Russland hat nun die Taliban und die Schweiz verloren»

Von Philipp Dahm

1.3.2022

Jimmy Kimmel zitiert Ignazio Cassis: Die Schweizer Sanktionen gegen Russland wühlen die Late-Night-Gemeinde auf.
Jimmy Kimmel zitiert Ignazio Cassis: Die Schweizer Sanktionen gegen Russland wühlen die Late-Night-Gemeinde auf.
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Natürlich ist die Ukraine in allen amerikanischen Late-Night-Shows ein Thema, doch auch ein anderes Land wird im US-TV überall erwähnt: Die Schweiz und ihre Sanktionen schlagen Wellen.

Von Philipp Dahm

1.3.2022

«Die grosse Story, ihr wisst es, ist der Krieg in der Ukraine», beginnt «Jimmy Kimmel Live» und der Gastgeber berichtet von dem grossartigen Mut, den die Ukrainer gegenüber dem «Mörder» Wladimir Putin beweisen würden.

Die Liste seiner Bewunderer umfasse nur noch Donald Trump und «Fox News»-Frontmann Tucker Carlson, scherzt der Gastgeber. Und dann sagt Kimmel: «Sogar die bekanntermassen neutrale Schweiz ergreift Massnahmen. Die Schweiz, die nie Partei ergreift, hat Partei ergriffen. Sie haben russische Vermögen eingefroren und den Schweizer Luftraum geschlossen.»

Applaus brandet auf, bevor Kimmel Bundespräsident Ignazio Cassis zitiert, der den Angriff politisch und moralisch inakzeptabel nannte. «Und das sind die Leute, die Hitler ein Sparkonto verschafft haben», lästert der 54-Jährige, bevor ein Clip mit einem Jodler die scheinbare «Verkündung» der Sanktionen in der Schweiz zeigt.

So stellt sich Jimmy Kimmels Team offizielle Verlautbarungen in der Schweiz vor.
So stellt sich Jimmy Kimmels Team offizielle Verlautbarungen in der Schweiz vor.
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«Wiederholen wir nochmal», sagt Kimmel genüsslich. «Russland hat nun die Taliban und die Schweiz verloren – die gewalttätigsten und am wenigsten gewalttätigen Leute der Welt sind nun vereint gegen Russland.» Selbst Putins persönliches Vermögen sei betroffen, während der Rubel gleichzeitig abschmiere.

Guter Präsident, böser Präsident

Kimmel redet von den Schlangen vor russischen Bankomaten, den Ausschluss durch die Fifa und möglichen Sanktionen durch das Olympische Komitee. «Jetzt wollen sie das machen», ätzt der Moderator ob der gerade beendeten Spiele in Peking. Es gebe jedoch auch einen Lichtblick, meint Kimmel, bevor der Clip ab Minute 1:45 anläuft.

Late Night USA – Amerika verstehen
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50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

«Wisst ihr, wer das ist? Das ist der Präsident der Ukraine, Selenskyj. Bevor er Präsident war, war er Comedian. Er hat den Präsidenten in einer Comedyshow gespielt und wurde dann Präsident. Das Video ist von einem Auftritt bei der ukrainischen Version von ‹Dancing with the Stars›», erklärt Kimmel «Und er hat ganz nebenbei gewonnen.»

Den Krieg, in dem Selenskyj «grossen Mut» beweise, hätte es übrigens nicht gegeben, wenn Donald Trump noch an der Macht wäre – meint zumindest Donald Trump. Bei der CPAC-Konferenz seiner Republikaner am vergangenen Wochenende lässt es sich der 75-Jährige nicht nehmen, sich selbst in den Kriegsmittelpunkt zu stellen.

Captain Knochensporn und der Weltfrieden

«Es wäre so einfach für mich gewesen, den Krieg zu verhindern», tönt Trump ab Minute 2:38 und sagt mit Blick auf Putin: «Er hat mich verstanden. Er sagte, ich spiele keine Spielchen. Das wäre nicht passiert. Eines Tages erzähle ich euch genau, worüber wir gesprochen haben.»

Putin habe eine «Affinität» zur Ukraine gehabt: «Ich sagte: Lass das nie geschehen. Du lässt das besser nicht geschehen.» Kimmel: «Ich bin mir sicher, dass das Gespräch exakt so gelaufen ist. Eines Tages erzähle ich es euch ... Was glaubt er, was das ist: How I Met Your Dictator?»

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Trump habe auch gesagt, ohne ihn würde es die Nato nicht geben, fährt der Gastgeber fort. «Es gibt die Nato seit 73 Jahren. Hast du auch Rap erfunden?», fragt Kimmel. «Ich weiss nicht, was mit euch ist: Ich habe kein besonderes Interesse, die Gedanken von Captain Knochensporn über Krieg zu hören, wenn dessen einzige militärische Referenz ist, dass er einen Angriff auf seinen eigenen Vizepräsidenten und das Kapitol geführt hat.»

Der Hintergrund: Ein vermeintlicher Knochensporn hat Trump vor einem Vietnam-Einsatz bewahrt.

«Ich kann es nicht oft genug sagen: die Schweiz!!!»

85 Minuten habe Trump geredet – und ab Minute 4:22 spricht er über das «Verbrechen des Jahrhunderts»: die angebliche geschobene Wahl. «Es wurde alles aufgenommen», versichert Joe Bidens Vorgänger. 2'000 Wahlhelfer – «oder wie sie sie nennen: Maulwürfe» – habe man erwischt. «Es ist alles aufgenommen und wird über die nächsten drei Wochen herauskommen.»

Doch zurück zum Kernthema: die Ukraine. Und die Schweiz. Nach dem Swift-Ausschluss hat Russland seine Zinsen auf 20 Prozent verdoppeln müssen und den Aktienhandel ausgesetzt, berichtet Stephen Colbert. Das sei kein Wunder, wenn man sich etwa den Kurs der Sberbank ansehe:

«Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn der Graph deines Aktienkurses aussieht, als habe jemand den Drucker umgehauen», kommentiert Colbert.
«Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn der Graph deines Aktienkurses aussieht, als habe jemand den Drucker umgehauen», kommentiert Colbert.
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«Wie unbeliebt ist Russland jetzt auf der Weltbühne?», fragt die «Late Show», um prompt zu antworten: «Sogar die für ihre Neutralität berühmte Schweiz hat alle EU-Sanktionen übernommen und russische Konten eingefroren. Die Schweiz. Die Schweiz! Die Schweiz!!! Nochmal: Ich kann es nicht oft genug sagen: die Schweiz!!!»

«Die Schweizer machen bei gar nichts mit»

Ja, jene Schweiz, die – wie Colbert erinnert – «nicht Partei ergriffen hat, als Hitler kam. Aber Russland schauen sie an und sagen: ‹Okay, das ist zu weit gegangen.›» Wie es die Schweiz macht, sie macht es falsch. Zumindest wird das Land nicht auch noch mit Putins Atomdrohung in Verbindung gebracht. Immerhin.

Und was hat «The Daily Show with Trevor Noah» beizutragen? Eine Zusammenfassung der Massnahmen, die so eingeordnet wird: «Wenn es eine Sache gibt, die zeigt, wie heftig diese Sanktionen sind, ist es der Umstand, dass die Schweiz mitmacht. Ihr versteht, wie krass das ist? Die Schweizer machen bei gar nichts mit. Gar nichts!»

Und weiter: «Die Schweiz macht nicht bei Krieg mit, die Schweiz macht nicht bei Allianzen mit, mein [Schweizer] Vater hat bei meinem Leben nicht mitgemacht», meint Noah und täuscht ein Tränchen an: «Ich fragte, ob er mich umarmt, und er sagte, seine offizielle Politik sei, neutral zu bleiben.»

Aber auch unsere Nachbarn im Norden bekommen noch einen mit: Tatsächlich sei Putins Vorgehen so verrückt, dass nun selbst Deutschland eine Kehrtwende hinlege – und 100 Milliarden in die Rüstung steckt. Noah: «Und die Welt so: Yeaaaaah ... Hoffe ich!»