Late Night USA Skandal ist, wenn man trotzdem lacht – nicht?

Während die Rechte wegen geheimer staatlicher Dokumente in Joe Bidens Privatbesitz «Vorladungen» und «Razzien» fordert, zeigt «Late Night with Seth Meyers» amüsant auf, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Ein Skandal ist, was man daraus macht. Das zeigt sich gerade in den USA ganz anschaulich, findet Seth Meyers. Joe Biden hatte in Sachen Zustimmungswerte zuletzt ein schweres Jahr, beginnt er seinen «Closer Look» in seiner «Late Night»-Show.

«Seine Werte gingen runter, die Benzinpreise hoch, die Inflation wucherte, und die Reporter deckten ihn mit krassen Fragen ein», so Meyers. Das habe sich in der Körpersprache des Präsidenten niedergeschlagen – womit wir beim treffenden Wort wären: «Während Pressekonferenzen schloss er die Augen und senkte den Kopf, als würden ihn die Fragen schmerzen.»

Man habe merken können, wie tief Bidens Selbstbewusstsein gewesen sei, weil er damals seine Erfolge immer bloss ins Mikrofon geflüstert habe, fährt der Late-Show-Host fort. Der Clip ab Minute 1:05 untermauert die These: Da sagt Biden etwa laut: «Stell dir vor: Firmen finden keine Arbeiter.» Dann flüstert er hinterher: «Ich sagte: Ja, zahlt ihnen mehr.» Wie creepy das tönt!

«Schaut, das bleibt zwischen euch, mir und den TV-Kameras», imitiert Meyers den 80-Jährigen, bevor er wieder die Stimme hebt: «Dieses Flüstern mache ich, wenn ich meine Kinder dazu bewegen will, etwas zu tun, was sie nicht wollen.»

Bidens Hoch: «Was soll das schon vermasseln?»

Er flüstert erneut: «Okay, Jungs, ich habe eine super-duper-geheime Mission für euch, aber ihr dürft es Mom nicht erzählen: Wir müssen so schnell wie möglich», Kunstpause, «all' eure Lego aufräumen.» Doch die Kinder wüssten, dass sie reingelegt würden und konterten so lange mit Forderungen nach Lollis und «Paw Patrol», bis Meyers «auf Biden macht»:

Doch nun sieht die Lage für Biden ganz anders aus, meint der Gastgeber: Benzinpreise und Inflation sinken, die Arbeitslosigkeit ist niedrig und die Zwischenwahlen waren erfolgreich. Die Zustimmungswerte sind so gut wie seit Juli 2021 nicht mehr. «Was soll das schon vermasseln?», fragt Meyers und spielt den News-Clip ab, der berichtet, das Justizministerium habe einen Sonderermittler wegen Biden bestellt.

Es geht um staatliche Dokumente, die in seinem Besitz gefunden worden sind. «Nun, das ist scheisse. Oder wie Biden sagen würde», Meyers flüstert: «Nun, das ist scheisse.» Nun wird der Moderator ernst: Der Vorgang sei für den Demokraten «offensichtlich» nicht gut, doch im Vergleich zur Causa Trump gebe es «riesige Unterschiede».

Meyers über Bidens «Car-a-Lago»

Bidens Team habe «einige wenige Dokumente an zwei Orten» entdeckt, darunter in der Garage seines Hauses in Wilmington, Delaware. Im Clip ab Minute 5:30 wird Biden danach gefragt: «Und ganz nebenbei: Meine Corvette steht in einer angeschlossenen Garage, okay? Es ist also nicht so, dass [die Akten] auf der Strasse rumliegen.»

Late Night USA – Amerika verstehen

Blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

«Wenn man schon geheime Dokumente irgendwo versteckt», so Meyers, «dann neben deiner arschgeilen Corvette. Versteht ihr: Wenn sie gefunden werden, kannst du mit deiner Corvette angeben.» Doch Biden kooperiere immerhin mit den Behörden und gebe die Dokumente zurück.

«Wenn Trump [seine Akten] einfach retourniert hätte, hätten wir kein Problem gehabt, oder?», fragt Meyers. Aber: «Trump hat über ein Jahr wiederholte Aufforderungen abgelehnt, sie zurückzugeben. Er hat behauptet, er könne sie in Gedanken deklassifizieren. Er hat über sie gelogen und sie sogar bewegt, was zur Razzia des FBI geführt hat, bei der noch mehr geheime Dokumente entdeckt worden sind.»

Von wegen Razzia im Weissen Haus

Dass die Rechte nun versuche, die Fälle zu vergleichen, sei «sehr albern». Im Clip ab Minute 7:51 heulen entsprechende Protagonisten auf: «Wo bleiben die Vorladungen?» und «Wo bleibt die Razzia?» Donald Trump fragt auf der Plattform Truth Social: «Wann macht das FBI Razzien in den vielen Häusern von Joe Biden, vielleicht sogar im Weissen Haus?»

«Warum sollte das FBI eine Razzia bei jemandem machen, der alles übergibt, nach dem du fragst?», nervt sich Meyers. «Warum denkt Trump, dass sie eine Razzia im Weissen Haus machen? Wenn geheime Dokumente irgendwo sein sollten, ist es im Weissen Haus!»

Trump würde einen miesen Ermittler abgeben, meint Meyers und äfft Trump – ab Minute 8:43 – herrlich nach: «Okay Leute, wir brauchen Beweise. Wir machen eine Razzia in der Asservatenkammer. Hier ist alles eingetütet: Das ist sehr verdächtig!» Der 49-Jährige ist in Fahrt: «Schlechte Nachrichten: Das Leichenschauhaus ist voller lebloser Leute!»

«Ihr Familien-Essen wird weniger schmecken»

Weil es bei den Republikanern aber auch nicht gut laufe, schrauben die Partei und Fox News derzeit am «Freak-o-Meter», «um [Amerika] mit etwas Dummem zu verängstigen – wie dem Krieg gegen Weihnachten, woke M&Ms oder das vermeintliche Hamburger-Verbot, von dem Fox News im April 2021 atemlos berichtet hat.

Nun hat es Washington auf die Gas-Herde des Volkes abgesehen, warnt Fox News: «Ihr Familien-Essen wird weniger schmecken», heisst es da – zu sehen ab Minute 10:55. Alle Gasherde und -öfen werden demnach verboten. Republikaner wie Ronny Jackson, Abgeordneter aus Texas, nehmen den Ball dankbar auf:

Das greift wiederum Meyers auf, der Jackson imitiert: «‹Schatz, es sind Einbrecher im Erdgeschoss. Gib mir meinen Gasherd.› Dann kämen die Cops und wären verwirrt: ‹Nun, ich denke, wir reissen das Ding besser aus seinen kalten, toten Händen.› ‹Gute Nachrichten, Chief: Die Hände sind eigentlich gar nicht so kalt, weil sie ja den Gasherd halten.›»

«Wann wird Meth endlich verboten?»

Auf die Spitze treibt es das Fox-News-Zugpferd Tucker Carlson, der in seiner Sendung – laut Meyers aus dem Nichts – zum Thema spricht: «Dieselben Leute, die uns erzählen, dass es ‹gefährlich› sei, wegen der Emissionen zu Hause einen Gasherd zu benutzen, machen sich keine Sorgen, wenn man Meth[amphetamine] raucht?»

«Wann wird Meth endlich verboten?», wundert sich Meyers – und lässt einige weitere rhetorische Fragen in typischer Tucker-Carlson-Manier folgen. Und worum geht es nun wirklich? Studien zeigen, dass die Emissionen von Gasherden bei 12,7 Prozent untersuchter Kinder Asthma auslösen. Das Risiko sei ähnlich hoch wie beim Passivrauchen.

Dass es nicht gesund sei, jeden Tag zu Hause Gas abzubrennen, sei nicht überraschend, findet Meyers – im Gegensatz dazu, herauszufinden, dass Prinz Harrys Schnäbi bei der Hochzeit vom William und Kate Frostbrand hatte. «Das steht in seinem Buch. Ich habe mir das nicht ausgedacht.» Und die Behörden in den USA haben inzwischen klargestellt, dass nicht geplant sei, Gasherde zu verbieten.

Und so macht sich jeder seine Aufregung selbst. Skandal ist, wenn man trotzdem lacht. Nicht.