Late Night USA Trump-Vorladung sinnlos: «Er will nicht im Mittelpunkt stehen»

Von Philipp Dahm

14.10.2022

Stephen Colbert nimmt Trumps Namen zwar nicht mehr in den Mund, redet aber viel über den früheren Präsidenten.
Stephen Colbert nimmt Trumps Namen zwar nicht mehr in den Mund, redet aber viel über den früheren Präsidenten.

Donald Trump wusste, dass er verloren hat. Und er wusste, dass es Gewalt geben würde. Nun hat ihn das Komitee vorgeladen, um zum Sturm aufs Kapitol auszusagen. Stephen Colbert bezweifelt aber, dass er kommt.

Von Philipp Dahm

14.10.2022

Sie haben es also getan: Das Komitee zur Untersuchung der Ereignisse vom 6. Januar 2021 lädt Donald Trump vor. Dass sich der Ex-US-Präsident der Kommission stellt, scheint unwahrscheinlich, nachdem so viel herausgekommen ist.

So zeigen etwa Memos, dass Trump sich vor der Wahl am 3. November 2020 mit dem konservativen Aktivisten Tom Fitton abgesprochen hat. Der wiederum gibt die Stossrichtung in einer E-Mail vom 31. Oktober vor. Der New Yorker wird demnach verkünden: «Wir hatten heute eine Wahl – und ich habe gewonnen.»

«Sie haben bereits am 31. Oktober geplant, wegen des Wahlergebnisses zu lügen», sagt Stephen Colbert in seiner «Late Show» und muss sich an den Kopf fassen. «Das ist das schrecklichste Halloween ever! Süsses oder Sauerei! Es ist ein Buh d'état!»

Und nicht nur Fitton kennt Trumps Pläne, sondern auch sein früherer Berater Steve Bannon. «Was Trump tun wird, ist, einfach den Sieg zu verkünden», sagt Bannon in einer Tonaufnahme vom 31. Oktober. «Auch wenn Trump verliert. Er wird einfach dasitzen und sagen, sie haben die Wahl manipuliert. Ich werde den Staatsanwalt anweisen, alle Wahlbüros in den 50 Staaten zu schliessen. So einfach wird [Trump] nicht gehen. [Er] wird verrückte Scheisse machen.»

Roger Stone – mal wieder böse

«Wenn man hört, wie jemand so kühn seine bösen Pläne ausbreitet, ist normalerweise James Bond an einen Tisch gefesselt und ein Laser zielt auf seine Eier», ätzt Colbert. Trumps engster Kreis ist in diesen Plan eingeweiht, wie auch der Film «A Storm Foretold» beweist, für den der Däne Christoffer Gulbrandsen den US-Wahlkampf begleiten durfte.

Wie ein Cartoon-Bösewicht: Roger Stone (im weissen Hemd) erklärt, was er unter Politik versteht.
Wie ein Cartoon-Bösewicht: Roger Stone (im weissen Hemd) erklärt, was er unter Politik versteht.
Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

In dem Clip ab 4.54 Minute spricht Trump-Intimus Roger Stone am 1. November mit zwei jungen Männern. «Ich denke, es wird noch nicht entschieden sein. Wenn das passiert, ist das Wichtigste, den Sieg zu erklären. Nein, wir haben gewonnen. F***t euch. Sorry. Vorbei. Wir haben gewonnen. Ihr liegt falsch. F***t euch.»

Ordinär kann Colbert aber auch: «Tatsächlich, Roger, hat Biden gewonnen. F*** dich. Sorry. Wir haben gewonnen. Du liegst falsch. F*** dich.»

Keine Smart Boys

Es kommt aber noch brutaler, was Enrique Tarrio gestundet ist. Der Chef der rechten Gruppierung Proud Boys ist in mehreren Punkten angeklagt – unter anderem wegen Seditious conspiracy, also aufrührerische Verschwörung.

Während des Sturms auf das Kapitol schreibt Tarrio nach Erkenntnis des Komitees eine SMS an seine Freunde: «Wir haben das gemacht», steht darin. Das sei nun nicht besonders schlau gewesen, meint Colbert. «Aber um fair zu sein: Sie heissen ja auch nicht Smart Boys.»

Und Trump? Der weiss genau, was los ist, berichtet die frühere Angestellte Cassidy Hutchinson ab 6.18 Minute. Demnach sagt Trump, er wolle nicht, dass die Leute von seiner Niederlage erfahren, weil das peinlich sei. «Verlieren ist nicht peinlich», kontert Colbert. «Peinlich ist, dass du je Präsident gewesen bist.»

«Vergesst niemals, wie verrückt dieser Ort war!»

Trump hat 61-mal erfolglos vor Gericht versucht, die Wahl zu kippen. Sogar seine eigene Tochter Ivanka habe gesagt, er solle die Urteile hinnehmen. «Und ich erinnere daran», keucht Colbert», dass [seine Tochter] zum Stab des Weissen Hauses gehörte. Vergesst niemals, wie verrückt dieser Ort war!»

Ivanka Trump, die frühere Beraterin ihres Vaters, ist bereits am 12. Juli vom Komitee befragt worden.
Ivanka Trump, die frühere Beraterin ihres Vaters, ist bereits am 12. Juli vom Komitee befragt worden.

«I do», antwortet Ivanka Trump nämlich auf die Frage, ob sie glaube, dass ihr Vater die Urteile respektieren solle. «Autsch», sagt der Moderator süffisant. «Das war nicht das ‹I do› von Ivanka, auf das er gehofft hat.»

Die Mär, dass der Sturm vom 6. Januar ein spontaner Protest gewesen sei, liesse sich ebenfalls nicht mehr aufrechterhalten. Dazu präsentiert das Komitee eine SMS von Kylie Kremer. Der Mitorganisator des Trump-Auftritts schreibt am 4. Januar – «Das bleibt nur unter uns» –, es werde einen Marsch zum Kapitol geben, den der Präsident «unerwartet» nennen werde.

«Galgen brauchen keinen Strom»

Dass etwas im Busch ist, weiss das Weisse Haus auch dank der Mail des Beraters Jason Miller. Der schickt am 30. Dezember Stabschef Mark Meadows einen Link, der zu seiner Seite führt, auf der gewalttätiger Protest geplant wird. «Galgen brauchen keinen Strom» ist da zu lesen. Und: «Patrioten werden da sein, bewaffnet bis an die Zähne. Und wenn die schmierigen Kommunisten-Maden ihren Betrug durchziehen wollen, wird die Hölle los sein.»

Eine persönliche Note bekommt die jüngste Komitee-Sitzung durch ein Video, dass die Demokraten Chuck Schumer und Nancy Pelosi zeigt, die während des Sturms versuchen, via Telefon Hilfe zu organisieren – zu sehen ab 6.08 Minute. Colbert findet das Ganze «herzzereissend».

Chuck Schumer und Nancy Pelosi am 6. Januar im Kapitol: Sie telefonieren mit General-Staatsanwalt Jeffrey Rosen.
Chuck Schumer und Nancy Pelosi am 6. Januar im Kapitol: Sie telefonieren mit General-Staatsanwalt Jeffrey Rosen.

Dass die Untersuchung nun in der Vorladung Trumps mündet sei «nie da gewesen», aber auch «nötig», findet der 58-jährige Late-Night-Gastgeber. «Aber natürlich wird das nicht passieren. Der frühere Präsident will die Gelegenheit nicht nutzen, sich im nationalen Fernsehen zu verteidigen.»

Colbert endet ironisch: «Auch wenn er die einzige Person ist, die da hochgehen und alles gerade rücken kann und es Liz Cheney und Adam Schiff zeigen und beweisen kann, dass die ganze Sache eine Hexenjagd ist. Es würde auf der grössten Bühne der Welt von zu vielen Leuten mitverfolgt werden. Er will nicht im Mittelpunkt stehen.»