Wetterphänomen El Niño Rekord-Hitzewelle verwandelt Südostasien in einen Backofen

Von Carola Frentzen, Bac Pham und Nazrul Islam, dpa

2.5.2024 - 22:26

Rekordhitze hat Südostasien fest im Griff

Rekordhitze hat Südostasien fest im Griff

STORY: Ungewöhnliche Lösungen für eine ungewöhnliche Situation. Denn mit mobilen Duschen wie diesen sollen zurzeit in Manila, der philippinischen Hauptstadt, die Symptome der aktuellen Hitzewelle wenigstens für einige Menschen erleichtert werden. Doch nicht nur die Philippinen leiden aktuell unter den hohen Temperaturen. Die Hitzewelle hat mehrere südostasiatische Länder fest im Griff. Darunter zum Beispiel auch Thailand oder Kambodscha, wo an manchen Orten, laut Fachleuten, die gefühlten Temperaturen mit Blick auf Luftfeuchtigkeit und andere Faktoren in der Mittagszeit um die 50 Grad liegen. Doch dieser Schüler im kambodschanischen Phenom Phen ist gar nicht so glücklich darüber, dass die Unterrichtszeit nun wegen der Hitze stark reduziert wurde: «Die Kürzung der Stunden könnte sich auf mein Studium auswirken. Ich bin in der neunten Klasse und muss viel lernen, um die Prüfung in diesem Jahr zu bestehen.» Die Behörden raten, längere Aufenthalte im Freien zu vermeiden. Regelmässig werden Warnungen herausgegeben. Laut Meteorologen handelt es sich zum Beispiel in Südvietnam um die längste Hitzewelle seit rund 30 Jahren.

02.05.2024

Rote Köpfe von Bangkok bis Manila: El Niño hat Teile Asiens in einen Backofen verwandelt. Gefühlte Werte von über 50 Grad sind nicht nur für die Gesundheit gefährlich – sie haben noch weitere Folgen.

DPA, Von Carola Frentzen, Bac Pham und Nazrul Islam, dpa

Die Menschen in Bangkok bewegen sich in diesen Tagen langsam. Ganz langsam. Verkäufer in den Garküchen fächeln sich mit allem, was sie zur Hand haben, Luft zu. Touristen laufen mit hochroten Köpfen und schweissnassen T-Shirts durch den Wat Arun und andere berühmte Tempelanlagen. Eine unerträgliche Hitzewelle hat die thailändische Hauptstadt und viele andere Landesteile seit Wochen fest im Griff und will einfach nicht enden. Anderen Ländern in der Region geht es kaum besser.

Wer nicht unbedingt auf die Strasse muss, bleibt in klimatisierten Innenräumen – gerade die ikonischen, angenehm temperierten Shopping Malls der Glitzermetropole haben derzeit Hochkonjunktur. Auch die Behörden raten, längere Aufenthalte im Freien zu meiden. Regelmässig geben sie Warnungen heraus, weil der Hitzeindex – die gefühlte Temperatur mit Blick auf die Luftfeuchtigkeit und andere Faktoren – speziell in der Mittagszeit bei über 52 Grad liegt.

«Dass es in Bangkok so unerträglich ist, liegt natürlich auch daran, dass es so wenige Bäume gibt», sagt die Deutsche Nicole, die seit sieben Jahren in der Stadt lebt. «Es gibt kaum Natur und daher auch kaum Schatten.» Seit Jahresbeginn sind laut Gesundheitsbehörden im Land schon 30 Menschen durch hitzebedingte Erkrankungen gestorben.

Wasserknappheit auf Urlaubsinseln

Die Thailänder sind an hohe Temperaturen gewöhnt, speziell im April, dem traditionell heissesten Monat des Jahres. Aber so krass wie in diesem Jahr sei es fast noch nie gewesen, stöhnen die Einwohner unisono. Und schon gar nicht über einen so langen Zeitraum. Besonders heftig: Sogar nachts gibt es keine Abkühlung. Die Werte sinken kaum unter 30 Grad.

«Nicht nur Ausländer, selbst die Thais schütteln den Kopf über diese unglaublichen Temperaturen», sagt die Münchnerin Barbara, die seit fünf Jahren auf der bei Deutschen sehr beliebten Urlaubsinsel Koh Samui lebt. «Es gibt kaum ein anderes Thema.» Hinzu kommt Wasserknappheit, weil die Reservoirs auf einem Tiefststand sind und das Wasser, das vom Festland auf die Insel gepumpt wird, nicht mehr ausreicht. Privatunternehmen mit Tanklastern machten derzeit einen Riesen-Reibach, erzählen Einwohner.

Rekordwerte von Vietnam bis Bangladesch

Thailand ist kein Einzelfall. Auch andere Länder in Südostasien und in Südasien melden Hitzerekorde – speziell die Philippinen, Bangladesch und Vietnam. So klagt Südvietnam mit der Millionenmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt (früher: Saigon) über die längste Hitzewelle seit 30 Jahren. Seit Jahresbeginn lagen die Tageswerte Meteorologen zufolge fast immer bei über 35 Grad. In einigen Regionen wurden zuletzt sogar Temperaturen von rund 40 Grad gemessen.

«Es ist so heiss, dass ich nur am frühen Morgen Landwirtschaft betreiben kann», sagt der Farmer Pham Van Bau. «Ich mache mir grosse Sorgen, dass die Fische in meinen Teichen wegen des extrem warmen Wassers sterben werden.» Wie auch in Thailand hat die Gluthitze derweil den Stromverbrauch zu Allzeit-Rekorden getrieben.

El Niño treibt Temperaturen in die Höhe

Verantwortlich ist Experten zufolge vor allem das gefürchtete Klimaphänomen El Niño. Die Weltwetterorganisation (WMO) hatte im vergangenen Jahr bestätigt, dass erstmals seit mehreren Jahren wieder El-Niño-Bedingungen herrschen – und vor extremen Wetterereignissen gewarnt.

«El Niño wird im Juni enden, aber die Temperaturen könnten in vielen Ländern in der ersten Hälfte dieses Jahres in die Höhe schiessen», erklärte der thailändische Meeresökologe Thon Thamrongnawasawat schon vor Wochen und warnte vor einer historischen Hitzeperiode speziell in Teilen Asiens.

Bangladesch erlebt derzeit sogar die längste Hitzewelle seit mindestens 75 Jahren. «Ich habe noch nie eine solche Gluthitze erlebt», sagt der 38-jährige Aminur Rahman aus der Hauptstadt Dhaka erschöpft. Um seine fünfköpfige Familie über Wasser zu halten, tritt er auf seiner Rikscha in die Pedale. Derzeit schafft er gerade einmal zwei Stunden am Tag.

Aber es kommen ohnehin kaum Kunden – auch in Dhaka bleiben die Menschen lieber in kühleren Innenräumen. Innerhalb weniger Tage starben trotzdem mindestens zehn Menschen an einem Hitzschlag. Vorsorglich wurden Schulen geschlossen – ebenso wie auf den Philippinen.

Mobile Duschen auf den Philippinen

Für den Inselstaat sagte das nationale Wetteramt einen alarmierenden Hitzeindex voraus: Die gefühlte Temperatur könnte in den nächsten Tagen und Wochen 57 Grad erreichen und eine «extreme Gefahr» darstellen. Wegen der erhöhten Nachfrage nach Strom zur Betreibung von Klimaanlagen drohten Ausfälle. «Unser Stromnetz ist überlastet, weil es so heiss ist», warnte Präsident Ferdinand Marcos Jr.

Die Gesundheitsbehörden forderten die Bevölkerung auf, sich mit Schirmen und Sonnenhüten zu schützen und viel Wasser zu trinken. In Valenzuela, einer Vorstadt von Manila, setzte die lokale Regierung kostenlose mobile Duschen ein. Damit will sie vielen Bürgerinnen und Bürgern, die in der Region unter Wasserknappheit leiden, Abkühlung verschaffen. Auch soll so Hitzschlägen vorgebeugt werden.

El Niño hat nichts mit dem menschengemachten Klimawandel zu tun. Es ist ein natürlich alle paar Jahre auftretendes Wetterphänomen, das mit der Erwärmung des Meerwassers im tropischen Pazifik und schwachen Passatwinden einhergeht. Das Phänomen kann aber die Folgen des Klimawandels verschärfen, weil es einen zusätzlich wärmenden Effekt hat. Auswirkungen gibt es vor allem in Südostasien, Australien, Afrika und Mittelamerika.