Kritik am Föderalismus Der Bund habe zu Mexiko einen besseren Draht als ins Wallis

SDA/gbi

20.5.2022 - 11:00

Der Föderalismus in der Schweiz ist ein Dauerthema. (Themenbild)
Der Föderalismus in der Schweiz ist ein Dauerthema. (Themenbild)
Keystone

Zu anderen Staaten habe der Bund einen besseren Draht als zu manchem Kanton: Mit dieser Kritik am föderalistischem System lässt der abtretende Direkter der Eidgenössischen Finanzkontrolle aufhorchen. 

Keystone-SDA, SDA/gbi

«Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Bund ist besser über seine Beziehungen zu Mexiko informiert als über die Beziehungen seiner Bundesämter zum Wallis»: Das schreibt Michel Huissoud, der Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), in deren Jahresbericht 2021 in seinem letzten Vorwort. Nach 34 Jahren bei der Finanzaufsicht wird er sich Ende August in den Ruhestand verabschieden. Anfang September übernimmt Pascal Stirnimann seine Aufgaben.

Huissoud legte sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit den Behörden an. «Wir müssen unvoreingenommen arbeiten und uns vor dogmatischen Positionen hüten», schreibt der langjährige Direktor. Verwaltungsintern dürfte es Leute geben, die ihm widersprechen. Und doch wurden im vergangenen Jahr nur 18 von 305 von der EFK abgegebenen Empfehlungen von den Geprüften zurückgewiesen, wie dem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht zu entnehmen ist.

Schlechte Datenqualität

Die EFK legte 2021 erstmals eine Studie darüber vor, wie der Bund seine Beziehungen zu den Kantonen organisatorisch steuert. Das Fazit: Die Schweiz bekunde in vielen Bereichen Schwierigkeiten, die in den Kantonen erfassten Daten auf gesamtschweizerischer Ebene zu konsolidieren. Das Prinzip, nach dem die Verwaltung Daten von jeder Person oder jedem Unternehmen möglichst nur einmal erhebt – das «Once-only-Prinzip» – werde oft verletzt.

Die Gründe dafür sind laut Huissoud vielfältig: «Die Kantonsverwaltungen verwenden unterschiedliche Software, die Daten sind nicht in allen Kantonen gleich definiert, von schlechter Qualität, unvollständig oder die Bundesämter erhalten sie nicht.»

Die Diskussionen um die Statistiken der Covid-19-Fälle sowie die Anzahl der Patienten auf den Intensivstationen bestätigten die beunruhigenden Feststellungen der EFK zur Datenverfügbarkeit und -qualität, wie Huissoud weiter schreibt. Die Finanzkontrolle werde auch deshalb weitere Prüfungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise durchführen.

Distanziertes Verhältnis zum Bundesrat

Stellt die EFK Vorkommnisse oder Mängel von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung fest, so muss sie den Bundesrat gemäss Finanzkontrollgesetz umgehend darüber unterrichten. 2021 erfolgten zwei Meldungen dieser Art, es ging um das Sicherheitsfunknetz Polycom und das A9-Autobahnprojekt im Wallis – beides Projekte, die seit längerem mit Problemen zu kämpfen haben.

Insgesamt stellt die Finanzkontrolle in ihrem Jahresbericht fest, dass die Beziehungen zum Bundesrat Verbesserungspotenzial aufwiesen. Die Empfehlung des Parlaments an die Landesregierung im Jahr 2014, sich regelmässig mit der Direktion der EFK zu treffen und sich über die wichtigen Umsetzungspendenzen zu informieren, werde vernachlässigt. Laut der Finanzkontrolle fand das letzte Treffen im Juni 2019 statt.

Hohe Zahl an Whistleblower-Meldungen

Insgesamt veröffentlichte die Finanzkontrolle im vergangenen Jahr 61 Prüfungen. Zum Vergleich: Von 2010 bis 2014 waren es noch rund ein Dutzend im Durchschnitt. Die Veröffentlichungen nehmen seither stetig zu.

2021 bearbeitete und analysierte die «Whistleblowing-Stelle» der EFK 402 Meldungen, gegenüber 484 im Jahr 2020. In diesen beiden Jahren gab es gemäss dem Jahresbericht einen starken Anstieg der Meldungen im Zusammenhang mit der Pandemie und den Unterstützungsmassnahmen des Bundes.

Drei von fünf Meldungen waren laut der Finanzkontrolle hilfreich und trugen zur Verbesserung des Verwaltungsbetriebs bei. Im Bereich der Kurzarbeitsentschädigungen lagen bis Ende 2021 in sieben Fällen Betrugsfälle vor. 414 Fälle waren noch beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) offen.

77 Meldungen gingen von Angestellten des Bundes ein, die restlichen kamen von Personen ausserhalb der Bundesverwaltung, beispielsweise Lieferanten oder Privatpersonen. Durchschnittlich waren vier von fünf Meldungen anonym. Die EFK kommunizierte mit den Whistleblowern über ein verschlüsseltes Mailsystem.