AHV-Revision Lassen Sie uns über Ihre Rente reden, wenn der Ständerat dies auch tut

Von Anna Kappeler

14.3.2021

Der Ständerat berät über die «AHV21». Gestritten wird beispielsweise darüber, wie viel Rente die Ehepaare bekommen sollen.
Der Ständerat berät über die «AHV21». Gestritten wird beispielsweise darüber, wie viel Rente die Ehepaare bekommen sollen.
Bild: KEYSTONE

Der AHV droht das Geld auszugehen. Doch wie das Finanzloch stopfen? Und warum sollen Frauen länger arbeiten, Ehepaare aber mehr Rente bekommen? Die wichtigsten Antworten vor der Debatte im Ständerat.

Von Anna Kappeler

14.3.2021

«Stabilisierung der AHV» klingt kompliziert. Warum sollte mich das interessieren?

Weil die AHV unser wichtigstes Sozialwerk ist, da es unsere Renten sichern soll. Nach Jahr­zehnten der politischen Blockade und nachdem mehrere Reformversuche gescheitert sind, drängt die Zeit.

Nur: Ich muss noch 30 Jahre arbeiten. Wer garantiert mir, dass dann noch Geld im AHV-Topf ist?

Es stimmt, dass die AHV finanziell in Schieflage geraten ist. Schon seit acht Jahren reichen die Einnahmen nicht mehr aus, um die Ausgaben zu decken, wie der Bundesrat festhält. Mit der Pensionierung der Babyboomer steigt die Zahl der Pensionäre zudem erneut stark an. Allein bis 2030 benötigt die AHV deshalb rund 26 Milliarden Franken zusätzlich. 

Wie geht es weiter?

Das ist der Knackpunkt der «AHV21», über die der Ständerat heute als Erstrat befindet. Dass die AHV saniert werden muss, ist unbestritten. Über das Wie allerdings wird leidenschaftlich gestritten. Das zeigt sich nur schon daran, dass sich die Vertreter der vorbereitenden Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) oft nicht einig waren.

Frauen müssen neu ein Jahr länger arbeiten. Ist das fair?

Ob das fair ist, ist eine Frage der politischen Haltung. Tatsache ist: Sowohl die vorbereitende Kommission des Ständerats wie auch der Bundesrat wollen, dass die Frauen bis 65 arbeiten, gleich lang wie die Männer also.



Frauen verdienen für gleiche Arbeit noch immer weniger als Männer. Warum müssen sie trotzdem gleich lange arbeiten?

Bundesrat und Kommission argumentieren mit Geld: Arbeiten die Frauen ein Jahr länger, entlastet das die AHV im Jahr 2030 um 1,4 Milliarden Franken.

Geld hin und her: Der Plan wird viel Gegenwind bekommen.

Ja. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund fordert in einem offenen Brief an die «Herren Ständeräte»: «Hände weg von den Frauenrenten.» Unterzeichnet haben den Brief auch Nationalrätinnen wie SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer oder Ex-Juso-Chefin Tamara Funiciello. Die Forderung: keine Erhöhung des Rentenalters. Und dafür eine bessere Rentenabsicherung im Alter und höhere Frauenrenten.

Voraussichtlich wird nach dem Parlament ohnehin das Volk das letzte Wort haben, bis wann Frauen arbeiten müssen.

Gibt es für die Frauen wenigstens eine Abfederung?

Gibt es. Hier hat die Kommission lange gerungen. Laut Mitteilung hat sie über zwei Dutzend Varianten diskutiert.

Warum ist das so kompliziert?

Das Problem: Entlastungsmassnahmen kosten. Das wiederum heisst, die Einsparungen davon, dass die Frauen ein Jahr länger arbeiten, sind zu einem Teil gleich wieder weg.

Gehen wir in die Details: Was ändert konkret?

Für die von der Erhöhung des Rentenalters besonders betroffenen Frauen gibt es Erleichterungen. Dies betrifft allerdings nur sechs Frauenjahrgänge. Diese Ausgleichsmassnahmen per 2030 werden etwa 350 Millionen Franken kosten.

Zudem soll das Rentenalter flexibilisiert werden. Laut SGK-S kann die AHV-Rente frühestens mit 63 Jahren vorbezogen werden. Der Bundesrat wollte hier 62 Jahre. Wer nach der Pensionierung weiterarbeitet, soll neu auf den ersten 2000 Franken pro Monat keine AHV-Beiträge abliefern müssen. Bisher waren es 1400 Franken.

Ein Rechenbeispiel: Hat jemand weniger als 56'880 Franken im Jahr verdient, soll die Rente beim Vorbezug 40 Prozent weniger stark gekürzt werden, als versicherungsmathematisch angebracht wäre. Heisst: Frauen mit tieferen Einkommen sollen praktisch ohne Renten­einbusse die Rente auch mit 62 Jahren vorbeiziehen können. Wollen sie indes bis 65 weiterarbeiten, profitieren sie von einer Rentenverbesserung.

Warum gibt es Streit um die Rente für Ehepaare?

Kurz: Weil auch diese Entlastung kostet. Die SGK-S will den Plafond für die Renten von Ehepaaren von 150 auf 155 Prozent der Maximalrente anheben. Das würde jährlich 650 Millionen zusätzlich kosten.

Etwas ausführlicher: Eine Kommissionsmehrheit von Politikern der Mitte und der SVP will die Ehepaar-Rente erhöhen. Bei der Mitte hat das eine lange Geschichte: Sie will die «Heiratsstrafe», also die steuerliche Ungleichstellung von Alleinstehenden und Verheirateten, abschaffen. 

Das allerdings wollen eine Kommissionsminderheit aus Linken und der FDP sowie der Bundesrat verhindern. Sie sehen keine Benachteiligung der Ehepaare. Ihre Argumentation: Nur Verheiratete bekommen Witwenleistungen und den Verwitwetenzuschlag. Laut Bundesrat ergibt das für Verheiratete im Vergleich zu Unverheirateten ein Plus von jährlich 400 Millionen Franken.

Wie viel Geld bleibt der AHV?

Wie die NZZ mit Zahlen des Bundes vorrechnete, bleibt die Ersparnis durch die länger arbeitenden Frauen durch die Erhöhung der Ehepaar-Renten und die Übergangsmassnahmen für die Frauen fast wieder weg. Allerdings: Die Rentenverbesserungen zugunsten der Frauen sind vorübergehende Ausgaben.

Moment, macht das Sinn? Sparen bei den Frauen, dafür mehr Geld für Ehepaare?

Das dürfte heute im Ständerat tatsächlich ein sehr umstrittener Punkt werden. Hier hat eine Kommissionsmehrheit anders entschieden als der Bundesrat. Es wird sich zeigen, ob der Rat seiner Kommission oder dem Bundesrat folgt.

Und sonst: Gibt es eine weitere Finanzspritze für die AHV?

Ja, bei der Mehrwertsteuer. Das wiederum spüren alle Konsumenten: Die angedachte Steuererhöhung um 0,7 Prozentpunkte ergibt eine Mehrbelastung für die Konsumenten von 2,3 Milliarden Franken im Jahr.

Wer entscheidet nach dem Ständerat?

Nach der heutigen Debatte im Ständerat liegt der Ball bei der vorbereitenden Kommission des Nationalrates, danach kommt das Geschäft in den Nationalrat.