IS-Fall aus Winterthur Bundesanwaltschaft verletzt Verfahrensrecht

SDA/jka

4.2.2021 - 12:05

Laut dem Bundesstrafgericht hat die Bundesanwaltschaft einer Frau in einem IS-Prozess beschnitten. 
Laut dem Bundesstrafgericht hat die Bundesanwaltschaft einer Frau in einem IS-Prozess beschnitten. 
Bild: Keystone

Die Bundesanwaltschaft hat die Verfahrensrechte der Schwester des Ende 2014 zum IS gereisten Geschwisterpaar aus Winterthur stark beschnitten. Dies geht aus einem Beschluss des Bundesstrafgerichts hervor. 

Gemässs dem Bundesgericht hat die Bundesanwaltschaft (BA) die Verfahrensrechte einer Frau stark beschnitten. Genauer handelt es sich um die Schwester des Geschwisterpaars, das im Dezember 2014 nach Syrien zum IS reiste.

Sie hatte ihren Geschwistern im Januar 2015 über einen mutmasslichen Geldsammler (money-collector) 3000 Franken geschickt. Dies bestätigten die drei Geschwister grundsätzlich im Strafprozess gegen das Geschwisterpaar nach dessen Rückkehr.

Im Mai 2020 wurde diese Überweisung wieder ein Thema bei den Strafverfolgungsbehörden. Dies geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hervor. Damals gelangte die belgische Nationalpolizei an die Bundeskriminalpolizei.

Überweisung von 3000 Franken

Sie teilte den Schweizern mit, dass die Bankbeziehungen des money-collectors analysiert worden seien. Dabei sei eine Überweisung von 3000 Franken von der im vorliegenden Verfahren Beschuldigten gefunden worden. Der Geldsammler sei für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) tätig gewesen.

Die Bundeskriminalpolizei reichte noch vor Ende Mai bei der BA eine Strafanzeige gegen die Frau ein. Eine Befragung der Frau fand «zu einem unbekannten Zeitpunkt» statt, «wohl Ende August 2020», wie die Beschwerdekammer schreibt. Das genaue Datum geht aus den Akten nicht nicht hervor.

Akteneinsicht zu Unrecht verwehrt

Im Oktober war der Sachverhalt rund um die Überweisung des Geldes geklärt, wie die BA gegenüber dem Bundesstrafgericht schrieb. Dennoch gewährte sie der Frau, beziehungsweise ihrem Anwalt, keine Einsicht in die Akten.

Es gab keine aussergewöhnlichen Umstände, die eine Verschiebung der Akteneinsicht hätten rechtfertigen können, schreibt die Beschwerdekammer. Insofern habe die BA eine Rechtsverweigerung begangen.

Den von der Beschuldigten gewünschten Anwalt, hatte die BA nicht als notwendigen Verteidiger zugelassen. Der Anwalt hatte die Schwester der Beschuldigten vertreten. Weil deren Verfahren damals noch vor dem Zürcher Obergericht hängig war, nahm die BA einen Interessenkonflikt an.

Allein deshalb hätte die BA der Beschuldigten die Akteneinsicht gemäss Bundesstrafgericht jedoch nicht verwehren dürfen. Die Einsicht hätte der Frau auch persönlich gewährt werden können, schreibt das Gericht in seinen Erwägungen.

BA muss sich nochmals mit der Akteneinsicht befassen

Die BA verletzte ausserdem den Anspruch der Frau auf rechtliches Gehör. Die Beschuldigte hatte aufgrund ihrer finanziellen Situation ein Gesuch um eine unentgeltliche, amtliche Vertretung gestellt. Noch bevor die Frist zur Einreichung der Unterlagen verstrichen war, mit der die Beschuldigte ihre finanzielle Situation darlegen konnte, fällte die BA einen abschlägigen Entscheid.

Die BA gewährte dem Anwalt darüber hinaus keine Einsicht in jene Akten, die zu seiner Nichtzulassung als Verteidiger geführt hatten. Dies hätte laut Bundesstrafgericht jedoch geschehen müssen.

Die Sache geht nun an die BA zurück. Sie wird sich mit dem Gesuch um Akteneinsicht befassen müssen. Zudem muss sie die finanziellen Verhältnisse der Beschuldigten ein weiteres Mal anschauen und die Zulassung des von dieser gewünschten Anwalts.

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SDA/jka