Organspende-Register Schweizer*innen müssen noch länger auf das Herzstück warten

Von Lia Pescatore

16.5.2022

Das Register der Stiftung Swisstransplant ist nur noch für Personen zugänglich, die sich bereits registriert haben. 
Das Register der Stiftung Swisstransplant ist nur noch für Personen zugänglich, die sich bereits registriert haben. 
Keystone/Gaetan Bally

Für die Umsetzung der Erweiterten Widerspruchslösung fehlt ein wichtiges Glied: das Organspenderegister. Zwei Jahre nimmt sich der Bund Zeit, um eine sichere Plattform aufzubauen. Knackpunkt ist unter anderem die Identifikation.

Von Lia Pescatore

Wer heute seinen Willen für oder gegen die Organspende festhalten will, muss zu Blatt und Stift greifen oder seine Angehörigen oder seinen Arzt mündlich informieren. Das Problem: Stirbt die Person, ist der Wille des Patienten nicht unmittelbar verfügbar. Das Nationale Online-Register der Stiftung Swisstransplant sollte diese Lücke vor drei Jahren schliessen. Doch im Januar wurden Sicherheitsmängel entdeckt, das Register erlaubt seither keine neuen Einträge mehr.

Jetzt, wo die Schweizer Bevölkerung entschieden hat, dass jeder als potenzieller Organspender gilt, kommt einem solchen Register nochmals eine grössere Bedeutung zu.

Bis die Erweiterte Widerspruchslösung in Kraft tritt, soll darum wieder ein sicheres und funktionstüchtiges Online-Register verfügbar sein. Der Bund greift jedoch nicht auf das bestehende Register zurück, an dessen Überarbeitung Swisstransplant bereits arbeitet, sondern wird selbst ein Register von Grund auf neu aufziehen.

Zwei Jahre hat er dafür Zeit. Voraussichtlich Mitte 2024 soll nämlich das veränderte Transplantationsgesetz in Kraft treten. «Bis dann wird auch das Register zur Verfügung stehen», schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage. Das BAG ist mit der Aufsicht des Registers betraut.

Wie soll das neue Register aussehen?

Der Bund hat die Funktion des Registers bereits skizziert. Im Register soll man seine Einwilligung oder seinen Widerspruch festhalten können oder auch eine Vertrauensperson festlegen, die im Fall der Fälle über die Organspende entscheiden soll. 
Einfach zugänglich soll das Register sein, auch für Personen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen. Neben den Landessprachen soll das Register auch in den meistverbreiteten Sprachen der Migrationsbevölkerung verfügbar sein.
Für Personen, die sich nicht selbst im Online-Register eintragen können – zum Beispiel, weil sie über keinen Internetzugang verfügen – sollen auch Familienangehörige oder der Hausarzt oder die Hausärztin den Eintrag übernehmen können. Die Plattform soll zudem nicht nur der Registrierung dienen, sondern auch informieren.

Dass der Bund das Register selbst entwickelt und betreut, ist jedoch unwahrscheinlich. Dies würde eine neue Aufgabe darstellen, schreibt der Bundesrat in der Botschaft zur Vorlage. Darum sollen alle Registeraufgaben ausgelagert werden. 

«Wir haben mehrere Firmen in der Schweiz, die ein solches System sicher aufbauen könnten», sagt Marc Rennhard, Experte für Informationssicherheit, der an der ZHAW unterrichtet. 

«Wenn ein solches System einmal einen schlechten Ruf hat, ist es schwierig, diesen wiederherzustellen.»

Da es sich um ein sensitives Thema handle und das Interesse der Bevölkerung daran auch gross sei, sei entscheidend, dass die Sicherheit bereits im ganzen Entwicklungsprozess gebührend berücksichtigt werde. Auch der Datenschutzbeauftragte sollte ab Beginn des Prozesses einbezogen werden, um Probleme möglichst früh aufzudecken, sagt Rennhard.

Post legt den Quellcode offen

«Wenn ein solches System einmal einen schlechten Ruf hat, ist es schwierig, diesen wiederherzustellen», sagt er. Um die Wahrscheinlichkeit von Schwachstellen weiter zu reduzieren, könnten auch weitere externe Firmen für eine Sicherheitsüberprüfung herangezogen werden.

Oder man könnte noch offensiver vorgehen, wie zum Beispiel die Post mit ihrem E-Voting-System: Der Quellcode ist im Internet offengelegt, damit Hacker und IT-Experten Sicherheitslücken aufdecken können. Wer Erfolg hat, wird belohnt. Laut Rennhard bringt diese Variante zwei Vorteile: Einerseits sei sie ein grosser Motivator, dass der Code detailliert angeschaut werde. Andererseits könnten solche Aktionen auch helfen, das Vertrauen in die Plattform zu verbessern.

Identifikation über die E-ID, die es noch gar nicht gibt

Als datenschutzrechtlicher Knackpunkt gilt die eindeutige Identifikation der Person. Beim Register von Swisstransplant funktionierte diese nicht: Personen konnten ohne deren Einwilligung im Register eingetragen werden.

Das sollte beim Register des Bundes nicht mehr passieren. Das Bundesamt für Gesundheit hat bereits Mindestanforderungen für die Identifikation ermittelt: Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Adresse und AHV-Nummer müssen angegeben werden, schreibt das BAG auf Anfrage. Für Personen ohne AHV-Nummer könne der Bundesrat ein anderes zusätzliches Identifikationsmerkmal vorsehen, beispielsweise den Geburtsort.

Das BAG will zudem eine Identifikation über die E-ID ermöglichen. Rennhard erachtet es als sinnvoll, dass das Register auf der E-ID basieren soll, aber nicht als zwingend. 

Die E-ID existiert momentan jedoch noch gar nicht. Nachdem eine erste Version im März 2021 an der Urne abgeschmettert wurde, befinde sich ein neuer Ansatz in einer frühen Pilotphase, sagt Rennhard. «Laut Roadmap könnte die E-ID in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres bereit sein», sagt Rennhard, doch ob dieser Fahrplan eingehalten werden könne, sei noch unklar. Der Entwurf zum neuen Gesetz zur E-ID soll laut Bundesamt für Justiz Mitte 2022 in die Vernehmlassung gehen. Ob die E-ID wirklich pünktlich bereitsteht, sobald das neue Register online geht, scheint noch ungewiss.

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