Ende aller Corona-Massnahmen Kann ich mit einer Infektion aus dem Haus?

Von Oliver Kohlmaier

31.3.2022

Das Tragen einer Maske fällt auch im öffentlichen Verkehr ab Freitag weg. (Archiv)
Das Tragen einer Maske fällt auch im öffentlichen Verkehr ab Freitag weg. (Archiv)
Bild: Keystone

Nun fallen auch die letzten Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus. Was Eigenverantwortung bedeutet — und warum die Pandemie noch lange nicht vorbei ist. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Oliver Kohlmaier

31.3.2022

Die Infektionszahlen sind hoch, das Coronavirus laut Patrick Mathys vom BAG «weiter allgegenwärtig». Dennoch beliess es der Bundesrat wie erwartet bei seinem bisherigen Fahrplan.

Ab Freitag fallen somit auch die letzten Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus. «Ich glaube, nach zwei Jahren im Krisenmodus ist es nun wirklich an der Zeit, um die Massnahmen zu beenden», sagte Gesundheitsminister Alain Berset an der Medienkonferenz.

Nach dem Dauer-Krisenmodus geht die Schweiz nunmehr in die «normale Lage» gemäss Epidemiengesetz über. «Die Krise ist nicht vorbei», warnte Berset jedoch, «aber die schlimme Phase ist vorbei».

Was ab Freitag gilt und wie es mit Corona in der Schweiz weitergeht:

Kann ich mit einer Infektion aus dem Haus gehen?

Gemäss der Isolationspflicht muss sich bis einschliesslich Donnerstag jeder mit einem positiven Covid-Test fünf Tage isolieren. Diese Pflicht gilt — wenn auch mit unterschiedlichen Vorgaben — seit Beginn der Pandemie. Ab Freitag fällt diese Regelung nun flach.

Zahlreiche Expert*innen wie auch Patrick Mathys vom BAG empfehlen jedoch eindringlich, eigenverantwortlich zu handeln und bei typischen Symptomen oder einem positiven Test zu Hause zu bleiben, um nicht andere zu infizieren. 

«Solange Symptome da sind, gehört man weder an eine Schule noch an den Arbeitsplatz noch an die Öffentlichkeit», sagt Mathys an der Medienkonferenz des Bundes. Wer Symptome habe, könne sich weiterhin kostenlos testen lassen.

Beim Arbeitsschutz sind nun die Arbeitgeber zuständig. Wie Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband dem «Tages-Anzeiger» (kostenpflichtiger Inhalt) sagte, werden die Arbeitgeber die Schutzmassnahmen «wo nötig auch weiterhin anwenden».

Was das im Detail bedeutet, entscheiden letztlich die Firmen selbst. Grosse Unternehmen wie Nestlé und Roche halten dem Bericht zufolge an Masken in ihren Büros fest, Novartis etwa hatte die Maskenpflicht bereits zuvor aufgehoben.

Muss ich noch eine Maske in Innenräumen tragen?

Bereits jetzt gilt in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens keine Maskenpflicht mehr. Neben dem Wegfall der Isolationspflicht ist nun das auslaufende Maskenobligat im öV sowie in Gesundheitseinrichtungen die augenfälligste Änderung zum 1. April.

Expert*innen raten insbesondere Risikopatient*innen dazu, in öffentlichen Innenräumen auch weiterhin eine Maske zu tragen. Bundesrat Alain Berset sah sich an der Medienkonferenz gar dazu veranlasst, auf die Zulässigkeit von Masken hinzuweisen. Jede und jeder dürfe weiterhin eine Maske tragen, sagte der Gesundheitsminister. Hier brauche es Toleranz.

Die Maskenpflicht in Gesundheitseinrichtungen fällt jedoch nicht überall. Mit dem Ende der besonderen Lage liegt die Hauptverantwortung zum Schutz der Bevölkerung wieder bei den Kantonen.

Wie die Kantone Genf und Wallis nach dem Entscheid mitteilten, werde das Maskenobligat in Gesundheitseinrichtungen auch weiterhin beibehalten. Sie begründeten dies mit den nach wie vor steigenden Infektionszahlen und Spitaleinweisungen.

Rudolf Hauri zufolge ist durch den Wegfall der Maskenpflicht mit einem vorübergehenden erneuten Anstieg der Fallzahlen zu rechnen. «Künftig stehen individuelle Schutzmassnahmen im Fokus», erklärte der oberste Kantonsarzt am letzten gemeinsamen Point de Presse der Experten.

Es sei etwa niemandem verboten, im öffentlichen Verkehr weiterhin eine Maske zu tragen, sagt Mathys. Er selbst trage sie beim Einkaufen weiterhin und habe «keine Lust», sich auf der Zielgeraden noch anstecken zu lassen.

Die Maskentragpflicht ist nun (fast) überall Geschichte.
Die Maskentragpflicht ist nun (fast) überall Geschichte.
KEYSTONE/DPA/Christophe Gateau (Symbolbild)

Was ist mit dem Covid-Zertifikat und der Covid-App?

Wie bei der Maskenpflicht braucht es bereits seit dem 17. Februar kein Zertifikat mehr in Läden, Restaurants und Kulturbetrieben. Zertifikate werden für Reisen ins Ausland jedoch auch weiterhin ausgestellt – die zugehörige App bleibt in Betrieb.

Mit dem Ende der besonderen Lage haben die Kantone jedoch nun wieder die Kompetenz, auf ihrem Gebiet eine Zertifikatspflicht anzuordnen.

Mit dem Übergang in die «normale Lage» wird ab 1. April auch die Swiss-Covid-App, die für das Contact-Tracing genutzt wurde, «vorübergehend» deaktiviert, weil sie für ihr Funktionieren auf ein flächendeckendes Testen und eine breit durchgeführte Kontaktverfolgung angewiesen ist, heisst es vom Bund.

Je nach Entwicklung der epidemiologischen Situation im kommenden Winter soll der Betrieb der App rasch wiederaufgenommen werden können, heisst es vom BAG. Die notwendigen Informatik-Infrastrukturen im Hintergrund werden demnach weiterhin aufrechterhalten.

Die Nutzerinnen und Nutzer werden am Freitag voraussichtlich auch aufgefordert, die App zu löschen. Wer die App nicht deinstalliert, kann sie trotzdem nicht weiter nutzen, da die Systeme dahinter nicht mehr betrieben werden, es soll daher ein entsprechender Warnhinweis beim Starten der App erscheinen. Bei einem allfälligen Wiedergebrauch der App müssten alle Nutzer die Applikation neu aktivieren.

Was machen BAG und Taskforce?

Mit dem Wegfallen der letzten Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus wird das BAG künftig nur noch wöchentlich neue Zahlen publizieren, jeweils am Dienstagnachmittag. 

Der Bund will die Überwachung und Einschätzung der Immunität mit Blick auf den nächsten Winter jedoch weiterführen. Das Sentinella-Meldesystem und das Monitoring des Abwassers dafür eingesetzt. Dieses decke etwa 70 Prozent der Bevölkerung ab.

Michael Jordi, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, kritisiert die Entscheidung, die Zahlen nicht mehr täglich zu veröffentlichen. «Das ist zumindest für die nächsten zwei bis drei Wochen problematisch, insofern, als auch die Isolation aufgehoben wird», sagte er gegenüber dem SRF.

Um die nun angebrachte Eigenverantwortung auch wahrzunehmen, müsse «eine Person natürlich auch ein Bild haben, wie die Entwicklung ist und wie gut sie sich schützen muss im Alltag», sagt Jordi.

Die wissenschaftliche Taskforce des Bundes hingegen löst sich zum 31. März auf. Die Corona-Expert*innen sind vergangene Woche zum vorerst letzten Mal gemeinsam vor die Medien getreten, um über die aktuelle Corona-Situation zu informieren.

Was passiert im Herbst?

Die Schweiz kehrt nun zur sogenannten «normalen Lage» gemäss Epidemiengesetz zurück. Und dabei will sie laut Berset auch bleiben.

Bis im Frühling 2023 ist nun laut Bundesrat eine Übergangsphase mit erhöhter Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit angezeigt. Strukturen müssen so weit erhalten bleiben, dass Bund und Kantone schnell auf neue Entwicklungen reagieren können. Dies gelte vor allem für Testen, Impfen, Kontaktverfolgung, Überwachung und Meldepflicht der Spitäler, hiess es.

Taskforce-Chefin Tanja Stadler: «Bis zum Herbst sollten wir uns wappnen»

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Als Präsidentin der Covid-Taskforce des Bundes wurde Tanja Stadler zu einer der bekanntesten Personen der Schweiz. Nun, da die Wissenschafts-Gruppe Ende April aufgelöst wird, blickt die ETH-Professorin im Gespräch mit blue News zurück.

21.03.2022

Für die Ziele und genauen Aufgaben dieser Phase hat der Bundesrat ein Grundlagenpapier erarbeitet. Das Dokument geht bis zum 22. April in die Konsultation bei Kantonen, Sozialpartnern und den Parlamentskommissionen.

Wie es mit der Pandemiebekämpfung in der Schweiz weitergeht, hängt massgeblich mit der weiteren Evolution des Virus zusammen. Denn die Aufhebung der Schutzmassnahmen hat nicht alles, aber sehr viel zu tun mit den vergleichsweise milden Verläufen der derzeit dominanten Omikron-Variante.

Hinsichtlich einer neuen, potenziell gefährlicheren Mutation gibt es also schon jetzt Sorgen vor einer neuen Welle im Herbst. Die Schutzmassnahmen müssten dann schnell wieder hochgefahren werden können, fordern Experten.

Mit Material von sda.