Kehrtwende Jetzt befürworten auch Wirtschaftsverbände einen Lockdown

tafu

17.12.2020

Bars und Restaurants sollten schliessen, erklärt auch die Gastrosuisse. «Ein Lockdown ist besser als das jetzige Regime», so Präsident Casimir Platzer. 
Bars und Restaurants sollten schliessen, erklärt auch die Gastrosuisse. «Ein Lockdown ist besser als das jetzige Regime», so Präsident Casimir Platzer. 
Bild: Keystone

Lange wehrten sich Wirtschafts- und Gastroverbände gegen härtere Massnahmen, nun signalisieren sie Einsicht. Das ist beim Arbeitgeberverband allerdings noch immer nicht der Fall.

Ist der Lockdown die richtige Strategie, um der Corona-Pandemie Herr zu werden? Während Wissenschaftler härtere Massnahmen fordern, wehrte sich die Wirtschaft bisher vehement, die Notwendigkeit anzuerkennen, und verwies auf die möglichen schwerwiegenden Folgen für die Schweizer Wirtschaft. Bis jetzt.

Die grösste Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft, Economiesuisse, sieht inzwischen keine andere Lösung, als die Massnahmen rasch zu verschärfen. Das erklärte Direktorin Monika Rühl nun auf Anfrage der NZZ. «So bedauerlich das ist, aber wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht länger zuwarten dürfen», so die Aussage. Der Bundesrat müsse am Freitag dringend wirksamere Massnahmen beschliessen, um die Spitäler im Land zu entlasten.

Keine andere Wahl

«Die Lage ist sehr ernst», erklärt Rühl weiter und fragt sich, worauf der Bundesrat noch warten wolle. Die Belastung der Spitäler sei bereits heute am Rande des Zumutbaren, sollten die Zahlen nicht sinken, werden die Spitäler nicht bis im Frühling durchhalten.



Natürlich sei es belastend, dass die neuen Massnahmen die Wirtschaft schwer treffen werden, allerdings habe man keine andere Wahl, so Rühl. «Auf die lange Frist ist es wohl besser so.» Je länger man warte, umso härter müssten die Einschränkungen in der Zukunft sein, macht sie deutlich und teilt damit Bedenken namhafter Ökonomen.

Gleichzeitig übt Rühl damit aber auch ein gewisses Mass an Selbstkritik. Lange habe sich die Economiesuisse, ebenso wie andere Wirtschaftsverbände, gegen härtere Massnahmen gewehrt, doch nun bleibe keine andere Lösung mehr übrig.

Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Economiesuisse, sieht inzwischen keine Lösung, als die Massnahmen zu verschärfen. (Archivbild)
Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Economiesuisse, sieht inzwischen keine Lösung, als die Massnahmen zu verschärfen. (Archivbild)
Bild: Keystone 

Als wirkungsvollste Massnahme sehe Monika Rühl die Schliessung der Gastronomie, das haben die Erfahrungen der Westschweizer Kantone gezeigt. Geschlossene Bars und Restaurants haben zur Folge, dass weniger Menschen unterwegs sein werden und die Zahl der Kontakte zurückginge. «Ich sehe leider keine ähnlich wirkungsvollen Alternativen, die weniger schmerzhaft wären.»

Einsicht auch bei der Gastrosuisse

Auch die Gastrosuisse sieht inzwischen ein, dass Massnahmen dringend notwendig sind. «Natürlich würden wir lieber arbeiten, aber ein Lockdown ist besser als das jetzige Regime», zitiert die NZZ Präsident Casimir Platzer. Das habe man dem Bundesrat bereits vergangene Woche mitgeteilt. Mit der Sperrstunde um 19 Uhr und vermehrtem Homeoffice sei den Betrieben bereits ein grosser Teil ihres Geschäfts weggebrochen. «Der Bundesrat soll jetzt wenigstens den Mut haben, einen Lockdown zu verhängen, und gleichzeitig für eine rasche finanzielle Kompensation sorgen.»



Während die Economiesuisse und Gastrosuisse Einsicht signalisieren, wehrt sich der Gewerbeverband nach wie vor gegen härteres Vorgehen. In einem Brief habe man den Bundesrat aufgefordert, auf einen Lockdown zu verzichten, denn der wäre unverhältnismässig und liesse wirtschaftliche sowie soziale Aspekte ausser Acht.

Ebenso spricht sich der Arbeitgeberverband deutlich gegen sofortige Massnahmen aus. Man sei dagegen, dass der Bundesrat schon am Freitag zusätzliche Verschärfungen beschliesse, erklärt Präsident Valentin Vogt gegenüber der NZZ.

Arbeitgeberverband fordert Abwarten

Zunächst solle man abwarten, ob die zuletzt beschlossenen Massnahmen, die Gastro-Sperrstunde und der Verzicht auf Sonntagsverkäufe, Auswirkungen haben. Ausreichend wäre es nach Meinung von Vogt, dass die Fallzahlen nicht mehr weiter ansteigen. «Das Ziel muss sein, dass wir die Fallzahlen bis zum Beginn des Jahres und damit bis zum Start der Impfungen stabilisieren können», so Vogt.



Zwar sehe er die Sorgen der Wissenschaft und Spitäler, allerdings sei er der Ansicht, dass die bevorstehende Wirtschaftskrise gemeinhin unterschätzt werde. Das Land werde über Jahre unter den Folgen zu leiden haben. Betriebsschliessungen wären für Vogt nur die absolut letzte Möglichkeit. «Wenn die Fallzahlen in den nächsten Wochen wirklich stark ansteigen, gibt es vermutlich keinen anderen Weg mehr.»

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