«Undifferenzierte Massnahmen» Westschweizer sind wütend auf den Bundesrat

ATS/pab/toko

9.12.2020

Die Romandie ist wütend auf den Bundesrat. Hier Alain Berset (SP) und Simonetta Sommaruga (SP) an einer Medienkonferenz am 8. Dezember zur Verschärfung der Corona-Massnahmen. 
Die Romandie ist wütend auf den Bundesrat. Hier Alain Berset (SP) und Simonetta Sommaruga (SP) an einer Medienkonferenz am 8. Dezember zur Verschärfung der Corona-Massnahmen. 
Bild: Keystone

Dass der Bundesrat in der Corona-Pandemie wieder auf schweizweit geltende Regeln drängt, stösst in der Westschweiz auf Widerstand: Sechs Kantone können die Eile, mit der die «undifferenzierten Massnahmen» in die Vernehmlassung geschickt wurden, nicht akzeptieren. So steht es in einem Positionspapier vom Mittwoch.

Die Regierung des Kantons Jura verbirgt ihren Unmut über das Vorgehen des Bundesrats nicht. Und damit sei man nicht allein: «Die Ankündigung des Bundesrats gestern um 18.30 Uhr abends hat die Regierungen der Westschweizer Kantone überrascht und zugleich irritiert», sagte Jacques Gerber, jurassischer Minister für Wirtschaft und Gesundheit, am Mittwoch auf eine Anfrage im Parlament.

«Wir waren quasi die ganze Nacht über in Kontakt, um eine Strategie zu erarbeiten», so Gerber. Die Kantone der Romandie würden eine gemeinsame Stellungnahme an die Adresse von Bern ausarbeiten. Gerber stellte eine «starke Antwort» in Aussicht.

Die kommt am späten Nachmittag: Die sechs Westschweizer Kantone Freiburg, Waadt, Neuenburg, Wallis, Jura und Bern fordern in der gemeinsamen Erklärung ab Januar die Einrichtung eines eidgenössischen Dialogs, damit die Standpunkte der Kantone im Vorfeld stärker berücksichtigt würden und die geplanten Massnahmen vorhersehbarer seien.

Falls der Bund zusätzliche Einschränkungen beschliesse, müssten diese durch substanzielle Finanzhilfen des Bundes an die betroffenen Sektoren kompensiert werden. Die Kantone der Romandie bitten deshalb um die Bestätigung, dass die Hilfen und finanziellen Ausgleichsregelungen für den im Jahr 2021 benötigten Zeitraum verlängert und zur Deckung unvermeidbarer Verluste erheblich aufgestockt werden.

Darüber hinaus müsse denjenigen Kantonen, die in den letzten sechs Wochen einschneidende Massnahmen getroffen und verantwortet hätten, zusätzliche Hilfe gewährt werden.

Das Vorgehen am besagten Abend davor war in der Tat ungewöhnlich: Nachdem am Dienstag mehrere Kantone Verschärfungen ihrer Corona-Massnahmen angekündigt hatten, traten am Abend die Bundesräte Simonetta Sommaruga und Alain Berset nach einer Sondersitzung der Landesregierung vor die Medien.

Der Tenor: Es müssen schweizweit geltende Regeln her. Der Bundesrat drängt unter anderem auf eine Sperrstunde für Gastronomiebetriebe um 19 Uhr und geht damit weiter, als zum Beispiel Zürich dies tun wollte. Die Kantone können zu diesen Vorschlägen nun Stellung beziehen, am Freitag will der Bundesrat definitiv entscheiden.



Dass dies in der Romandie auf besonders Unverständnis stösst, erklärt sich durch die Handlungen der Welschen Kantone: So hatten diese bereits im Oktober und November mit einem Teil-Lockdown auf die steigenden Corona-Fallzahlen reagiert. In der Waadt, in Neuenburg, Freiburg, Genf und Jura sollten die Restaurants am morgigen Donnerstag wieder öffnen.

«Es ist seit Beginn dieser Krise das erste Mal, dass der Bundesrat uns vor vollendete Tatsachen stellt», echauffiert sich Gerber. «Er wandte sich zuerst an die Presse, anstatt die Kantone zu konsultieren.»

Bundesrat Alain Berset zeigt ein gewisses Verständnis für die Kantone der Romandie, wo die öffentlichen Einrichtungen neue Restriktionen just in dem Moment hinnehmen müssten, in dem sie wieder öffnen wollten. «Die Kantone haben gehandelt, sie haben ihre Verantwortung übernommen, doch wenn sie am 10. Dezember wieder öffnen wollten, sagten wir ihnen, dass uns das für eine komplette Wiedereröffnung zu früh erscheint», sagte der Gesundheitsminister am Mittwochmorgen in der Sendung «La Matinale» auf Radio RTS.

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