Energiekrise So könnte die Schweiz ihre Bürger*innen entlasten

tgab

21.9.2022

Ob an der Zapfsäule oder bei der Heizkostenabrechnung: Die steigenden Energiepreise treffen viele Menschen hart. (Symbolbild)
Ob an der Zapfsäule oder bei der Heizkostenabrechnung: Die steigenden Energiepreise treffen viele Menschen hart. (Symbolbild)
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Einmalzahlungen, Steuersenkungen, höhere Sozialleistungen: EU-Länder schnüren unterschiedliche Pakete, um private Haushalte vor steigenden Energiepreisen zu schützen. Kann die Schweiz von den Nachbarn lernen?

tgab

21.9.2022

Europa befindet sich in einer beispiellosen Energiekrise. Die steigenden Energiekosten werden in absehbarer Zeit einen immer grösser werdenden Teil der Haushalte überfordern. Deshalb geht unter Europas Regierenden die Angst vor Massendemonstrationen und damit einhergehender politischer Instabilität um, wenn Konsumenten im Herbst insbesondere die hohen Gas- und Strompreise mit voller Wucht zu spüren bekommen.

Auch in der Schweiz steigen die Preise für Energie – und zwar deutlich. So wird Strom 2023 vielerorts um 30 bis 40 Prozent teurer werden, hat die «Handelszeitung» ermittelt. Die Gaspreise haben sich bei einigen Anbietern innert Jahresfrist verdoppelt – auf den höchsten Stand seit rund 15 Jahren.

Die Gaspreisentwicklung hängt stark von den Gasreserven in der EU ab, da die Schweiz über keine eigenen nutzbaren Gasvorkommen verfügt und vollständig von Importen abhängig ist. «Wir gehen davon aus, dass der Preis hoch und volatil bleiben wird», sagt Thomas Hegglin, Sprecher beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie, dem «Blick».

Die Schweizer Regierung reagiert verhalten: Zwar hat Anfang September die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Energie-Unternehmen von insgesamt 10 Milliarden Franken bewilligt, eine direkte Unterstützung privater Haushalte ist jedoch nicht vorgesehen.

Und was tun die EU-Länder, um die Auswirkungen der Krise auf den Geldbeutel ihrer Bürger abzufedern? Ein Blick zu den Nachbarn:

Deutschland

Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Studierende und Auszubildende sollen einmalig 200 Euro erhalten. Für Berufstätige war bereits eine Energiepreispauschale von 300 Euro auf den Weg gebracht worden.

Der Kreis der Bürgerinnen und Bürger, die Anspruch auf Wohngeld haben, soll auf zwei Millionen erweitert werden. Die Regelsätze für Bedürftige werden auf rund 500 Euro erhöht. Heute erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat. Insgesamt investiert der Staat nun 95 Milliarden Euro in die zusätzliche Unterstützung seiner Bürger.

Die Tage werden kürzer, die Sorgen der Menschen grösser, dass sie im Winter ihre Heizkosten nicht mehr bezahlen können.
Die Tage werden kürzer, die Sorgen der Menschen grösser, dass sie im Winter ihre Heizkosten nicht mehr bezahlen können.
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Österreich

Eine Strompreisbremse soll den Haushalten ab Dezember im Schnitt rund 500 Euro pro Jahr an Kostenersparnis bringen. Die Bremse funktioniert über eine Deckelung: Bis 2900 Kilowattstunden (KWh) Verbrauch sind nur 10 Cent pro Kilowattstunden zu bezahlen, darüber hinaus gilt der Marktpreis. Personen mit geringem Einkommen werden zwei Drittel der Netzgebühren vom Staat bezahlt. Das entspricht einer Einsparung von weiteren 200 Euro. Befristet ist die Massnahme bis Mitte 2024.

Italien

5,2 Millionen Familien bekommen als Sozial-Bonus Zuschüsse zu Strom- und Heizkosten. Dazu kommt eine Senkung des Benzinpreises um 30 Cent pro Liter. Darüber hinaus wurde die Mehrwertsteuer für Gasrechnungen auf 5 Prozent gesenkt. Nun wird ein viertes Paket im Umfang von rund 10 Milliarden Euro vorbereitet.

Frankreich

Die Gaspreise wurden auf dem Niveau von Oktober 2021 eingefroren. Die Strompreise durften um maximal 4 Prozent erhöht werden. Geringverdiener bekamen bereits eine staatliche Einmalzahlung von 100 Euro. Seit Sommer gilt ein Tankrabatt von 18 Cent pro Liter Benzin oder Diesel, der für September und Oktober auf 30 Cent erhöht wurde.

Ab November wird er allerdings auf 10 Cent verringert und läuft zum Jahresende ganz aus. Als Teil eines Kaufkraft-Pakets kommen die Deckelung von Mieterhöhungen bei 3,5 Prozent, eine Senkung der Sozialabgaben für Selbstständige sowie die Erhöhung einer steuerbefreiten Prämie, die Arbeitgeber ihren Angestellten zahlen können, auf 6000 Euro dazu.

Spanien

Die Regierung hat die Zahl der Berechtigten für Energiegutscheine erweitert, mit denen die Stromkosten Bedürftiger bezuschusst werden. Zudem dürfen die Versorger zehn Monate lang den Strom nicht abstellen, wenn eine Rechnung nicht bezahlt wird. Die Steuern auf Energie wurden gesenkt und die Treibstoffpreise werden um 20 Cent je Liter subventioniert.

Vorübergehend sind alle Monatskarten für den Nahverkehr um wenigstens 30 Prozent billiger, die S-Bahn fährt bis Ende 2022 sogar gratis. Bereits im Februar, als Spaniens Inflationsrate schon bei 7,5 Prozent lag, wurde der monatliche Mindestlohn auf 1000 Euro angehoben. Auch die Sozialhilfesätze wurden um 15 Prozent erhöht.

Grossbritannien

Bereits im Frühjahr hatte die Regierung beschlossen, dass jeder Haushalt mit einmalig rund 480 Euro entlastet werden soll. Ab Oktober sollen die jährlichen Energierechnungen für alle Haushalte über einen Zeitraum von zwei Jahren bei einer Summe von umgerechnet rund 2800 Euro eingefroren werden.

Laut Regierungschefin Liz Truss spare ein durchschnittlicher Haushalt damit umgerechnet rund 1200 Euro pro Jahr. Die Einkommensgrenze, ab der die Bürger*innen Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen, wird um knapp 3500 Euro angehoben.

Belgien

Seit April und vorerst bis Ende März 2023 gilt eine gesenkte Mehrwertsteuer von 6 statt 21 Prozent auf Gas. Die Mehrwertsteuer auf Strom war bereits zuvor um denselben Wert gesenkt worden. Im November und Dezember erhalten belgische Haushalte jeweils 135 Euro für Gas und 61 Euro für Strom.

Es sei laut Ministerpräsident Alexander De Croo auch ein Heizöl-Check von 300 Euro vorgesehen. Zuvor hatte die Regierung bereits beschlossen, einen Energie-Sozialtarif für besonders betroffene Konsumenten zu verlängern. Darüber hinaus gibt es weiterhin einen Tankrabatt auf Diesel und Benzinkraftstoffe.

Niederlande

Die Mehrwertsteuer auf Energie wurde von 21 auf 9 Prozent gesenkt und Abgaben auf Benzin und Diesel um 21 Prozent reduziert. Haushalte mit sehr geringem Einkommen sollen eine einmalige Zulage von je 800 Euro bekommen.

Dänemark

Einkommensschwache Haushalte können einen steuerfreien Wärme-Scheck von umgerechnet rund 800 Euro bekommen.

Polen

Die Regierung hat ihre Steuerforderungen auf Strom, Heizöl und Benzin gesenkt, für Gas und Lebensmittel ganz gestrichen.