Interview Herr Aeschi, ignoriert die SVP die Warnungen vor einer dritten Welle?

Von Julia Käser

19.3.2021

«Das BAG hat es nicht geschafft, die Impfstoffe rechtzeitig zu beschaffen», sagt Nationalrat Thomas Aeschi. 
«Das BAG hat es nicht geschafft, die Impfstoffe rechtzeitig zu beschaffen», sagt Nationalrat Thomas Aeschi. 
Bild: Keystone

Die SVP verlangt, dass Restaurants und Fitnesscenter ab Montag wieder öffnen dürfen. Fraktionschef Thomas Aeschi über die Forderungen seiner Partei, die drohende dritte Welle und seine Kritik am BAG. 

Von Julia Käser

19.3.2021

Herr Aeschi, was erwarten Sie am Freitag vom Bundesrat? 

Ganz klar: Dass die Erklärung, die der Nationalrat vor zwei Wochen deutlich verabschiedet hat, umgesetzt wird. Das bedeutet, dass die Restaurants und  Fitnesscenter per 22. März wieder geöffnet werden. Zudem muss die Homeoffice-Plicht aufgehoben aufgehoben und wieder in eine Homeoffice-Empfehlung umgewandelt werden. 

Bundesrat Alain Berset gab im Parlament jedoch zu bedenken, dass drei der vier Richtwerte für die Corona-Öffnungen nicht erreicht sind... 

Das stimmt so nicht. Die Positivitätsrate liegt aktuell unter dem Richtwert von 5 Prozent. Was die Fallzahlen betrifft, so ist es nicht verwunderlich, dass diese leicht gestiegen sind, da seit Montag das Testen gratis ist. Und ganz wichtig: Aktuell ist weniger als ein Fünftel aller Intensivbetten durch Covid-19-Patienten belegt. Im letzten Jahr war es das Hauptziel, eine Überbelastung der Intensivstationen zu vermeiden. Dieses Szenario droht längst nicht mehr.

Zur Person
Thomas Aeschi, Fraktionspraesident SVP, spricht waehrend einer Medienkonferenz zum Thema
Keystone

Thomas Aeschi (42) ist Nationalrat und Präsident der SVP-Fraktion. Der Unternehmensberater aus Zug sitzt seit 2011 im Parlament.

Ignorieren Sie die Warnungen vor einer dritten Welle?

Wir sind nicht mehr am selben Ort wie vor der zweiten Welle. Viele ältere und gefährdete Personen konnten in der Zwischenzeit geimpft werden und sind vor schweren Verläufen geschützt. Auf der Impfung sollte auch der Schwerpunkt liegen. Das heisst: Alle ältere und gefährdete Personen, die noch nicht geimpft sind, müssen nun möglichst schnell geimpft werden.

Bis Ende Juni sollen alle Personen, die das wollen, in der Schweiz geimpft sein. Glauben Sie daran?

Wenn es so weitergeht wie bis jetzt, verfehlt die Schweiz dieses Ziel deutlich. Der Bundesrat hat die Impfbeschaffung vermasselt. Nebst dem Maskendebakel ist das sicher das grösste Versagen der Regierung seit Beginn der Pandemie. Grossbritannien, Israel, aber auch die USA mit rund 330 Millionen Einwohnern stehen allesamt vor der Schweiz.

Sie haben deshalb BAG-Vizedirektorin Nora Kronig offen kritisiert.

Fest steht: Das BAG hat es – im Gegensatz zu anderen Ländern – nicht geschafft, rechtzeitig genügend Impfstoffe zu beschaffen. Innerhalb des BAG ist Vizedirektorin Nora Kronig für die Impfbeschaffung verantwortlich. Ich habe im Nationalrat pointierte Fragen zum Thema gestellt und eine klare Aufarbeitung der vermasselten Impfstoffbeschaffung gefordert.

Diese Fragen wurden dann aber nicht beantwortet, weil sie «persönliche Angriffe auf Mitarbeitende der Bundesverwaltung» enthalten?  

Alain Berset hat mir versichert, die Beantwortung meiner Fragen noch nachzuholen. Frau Kronig leitet beim BAG das Covid-19-Impfstoffprojekt. Deshalb sehe ich die Verantwortung eindeutig bei ihr.

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Um nochmals zu den Öffnungen zurückzukommen: Was tut die SVP, wenn sich der Bundesrat gegen weitere Lockerungen entscheidet?

Wir werden an unserer Forderung festhalten. Sowohl im National- als auch im Ständerat haben wir Vorstösse zur Aufhebung der besonderen Lage eingereicht. In dieser kann der Bundesrat praktisch alleine entscheiden. Die Voraussetzungen für diese Sonderkompetenzen der Regierung sind aber nicht mehr gegeben. Deshalb muss bei allen wichtigen Beschlüssen nun wieder das Parlament entscheiden können.

In diesem Zusammenhang sprachen Vertreter Ihrer Partei von einer «Diktatur». Schadet die SVP ihrer Sache nicht mit dieser Rhetorik? 

Nein. Wenn der Bundesrat während mehr als einem Jahr so weitreichende Entscheidungsbefugnisse hat, darf dies auch öffentlich kritisiert werden.