Bundesrat Systemwechsel bei Organspenden: Wer nicht dagegen ist, ist dafür

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13.9.2019

Noch immer fehlt es in der Schweiz an Organspendern. Der Bundesrat will nun zum Organspender machen, wer nicht explizit dagegen ist – aber auch die Angehörigen miteinbeziehen. Heute wird die Vernehmlassung eröffnet.

Es ist eine heikle Angelegenheit: Stirbt ein Angehöriger, wissen die Hinterbliebenen oft nicht, ob der Verstorbene für oder gegen eine Spende seiner Organe gewesen ist. Die Hinterbliebenen sind es dann, die entscheiden müssen, falls eben die verstorbene Person einer Spende zu Lebzeiten nicht eindeutig zugestimmt hat. Diese sogenannte «Zustimmungslösung» gilt heute in der Schweiz.

Das Problem: In der Schweiz fehlt es an Organspenden. Auf hundert Verstorbene kommen laut Swisstransplant lediglich fünf Organspendekarten, auf der die Zustimmung deklariert wird. Anders ausgedrückt: 1'412 Personen standen Ende letzten Jahres auf der Warteliste für ein Spendeorgan. Doch 68 Menschen auf der Warteliste sind letztes Jahr verstorben, ohne dass sie ein Organ erhalten hätten. Das zeigen Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit BAG.



Spendezahlen in der Schweiz tief

Hinzu kommt, dass überhaupt die Spendezahlen in der Schweiz im europäischen Vergleich tief sind, wie aus den Daten ebenfalls ersichtlich ist. Denn in der eingangs beschriebenen Situation lehnen die Angehörigen in rund 60 Prozent der Fälle eine Organspende ab.

Hier setzt die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» an. Sie will das System umkehren – hin zur «Widerspruchslösung». Einer verstorbenen Person dürften somit Organe entnommen werden, falls sie sich zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen hat. In jenem Fall nämlich wird die Zustimmung zur Organentnahme vermutet. Dies wollen die Initianten vom Jeune Chambre Internationale (JCI), eine weltweite Vereinigung von Menschen im Alter von 18 bis 40 Jahren mit über 200’000 Mitgliedern, in der Bundesverfassung festschreiben.

Wie der Bundesrat bereits im Juni in einer Mitteilung schrieb, steigen die Spendezahlen mit der Widerspruchslösung. Das hätten Erfahrungen in anderen europäischen Ländern gezeigt. Diese Haltung ist allerdings umstritten.

Bemühungen nicht gefruchtet

Der Bundesrat ist umgeschwenkt – und ist jetzt für die Widerspruchslösung, wie Gesundheitsminister Alain Berset heute Freitag vor den Medien erklärte. Dies, weil in der Schweiz grosse Anstrengungen unternommen worden sind mit dem Ziel, die Spenderanzahl zu erhöhen,  die gross angelegten Informationskampagnen etwa haben aber nicht gefruchtet.



Der Bundesrat unterstützt die Widerspruchslösung im Grundsatz. Er will aber – anders als die Initiative – mit einem indirekten Gegenvorschlag, dass die Angehörigen weiterhin zwingend einbezogen werden in den Entscheid. Und dass sie eine Organspende ablehnen können, wenn dies dem Willen der verstorbenen Person entspricht. Es wird ein Register geschaffen, in dem ein Widerspruch einfach eingetragen werden kann. Dem Bundesrat schwebt vor, diese Änderungen nicht in der Verfassung, sondern im Transplantationsgesetz festzuhalten. 

Gegen medizinehtischen Standard

Die Idee löst indes ganz grundsätzliche Kritik aus: Wenn die Zustimmung nur vermutet werde, widerspreche dies dem medizinethischen Standard der informierten Zustimmung. So stellt sich etwa die Nationale Ethikkommission (NEK) gegen automatische Organspende.

Stattdessen schlägt die NEK ein drittes Modell vor: die sogenannte Erklärungsregelung. Damit würden alle Personen regelmässig aufgefordert, sich zur Organspende zu äussern. Die NEK nennt das eine Verpflichtung zur Erklärung. Die Hoffnung dahinter: Durch mehr Klarheit soll es zu mehr Organspenden kommen. Die konkrete Ausgestaltung einer solchen Regelung wäre noch zu diskutieren.

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