Menschenrechte vor Gericht Landesverweisung eines Secondos war rechtens

sda/phi

8.12.2020

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hat die Schweizer Justiz überprüft und keine Beanstandungen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hat die Schweizer Justiz überprüft und keine Beanstandungen.
Bild: Keystone

Erfolg für die Schweizer Justiz vor dem Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Beim Landesverweis eines in der Schweiz geborenen und straffälligen Spaniers ging alles mit rechten Dingen zu.

Die strafrechtliche Landesverweisung gegen einen in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Spanier verstösst nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg entschieden.

Der heute 40-jährige Mann wurde 2018 unter anderem wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Das Neuenburger Kantonsgericht sprach nach einer Berufung der Staatsanwaltschaft zusätzlich eine Landesverweisung für fünf Jahre aus. Das Bundesgericht bestätigte dieses Verdikt.

Der Betroffene gelangte an den EGMR und rügte eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 EMRK). Der Gerichtshof ist in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil zum Schluss gelangt, dass keine Konventionsverletzung vorliegt.

Der Landesverweis, den das Kantonsgericht Neuenburg (links im Bild) ausgesprochen hat, wurde bestätigt.
Der Landesverweis, den das Kantonsgericht Neuenburg (links im Bild) ausgesprochen hat, wurde bestätigt.
Archivbild: Keystone

Der EGMR führt in seinem Entscheid aus, dass für die Landesverweisung unbestrittenermassen eine gesetzliche Grundlage bestehe. Artikel 66a des schweizerischen Strafgesetzbuches sehe bei gewissen Straftaten eine obligatorische Landesverweisung vor.

Justiz hat private Umstände berücksichtigt

Aufgrund der Härtefallklausel bestehe aber kein Automatismus, da der jeweilige Entscheid einer gerichtlichen Kontrolle unterliege. Andernfalls wäre der Gesetzesartikel nicht mit Artikel 8 der EMRK vereinbar, schreibt der Gerichtshof.

Der EGMR stellt fest, dass die schweizerische Justiz sich eingehend mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers auseinander gesetzt habe. Wie aus dem Urteil hervor geht, lebt der Mann seit seinem 15. Lebensjahr von der Sozialhilfe und konnte seine Lehre aufgrund eines Unfalls nicht abschliessen.

Die Heimat seiner Eltern kennt er von Ferienaufenthalten. Er spricht ein fehlerhaftes Spanisch und hat keine nahen Verwandten in Spanien. Seit Mitte 2019 hält er sich wieder dort auf. In der Schweiz pflegte er keine engen Kontakte zu seiner Mutter oder anderen Verwandten.

Interessenabwägung

Bereits vor seiner Verurteilung wegen sexuellen Handlungen mit Kindern, wurde er drei Mal wegen geringfügigeren Delikten verurteilt. Im Zuge der letzten Strafuntersuchung wurden auf dem Telefon des Beschwerdeführers zahlreiche Fotos von Mädchen im Alter von zehn bis zwölf Jahren gefunden, weshalb die Schweizer Justiz von einer Rückfallgefahr ausging.

Wie der Gerichtshof schreibt, sei das Bundesgericht aufgrund der privaten Umstände des Mannes zurecht zum Schluss gelangt, dass eine Landesverweisung eine Verletzung von Artikel 8 EMRK darstelle. Allerdings habe das höchste Schweizer Gericht das private Interesse des Beschwerdeführers sorgfältig mit dem öffentlichen Interesse an einer Landesverweisung abgewogen.

Dieses überwiege, weil die begangene Verletzung der sexuellen Integrität einer Person gravierend sei und die Sicherheit und der Ordre public der Schweiz damit stark beeinträchtigt worden seien. Die Landesverweisung sei deshalb verhältnismässig.

Fall 59006/18

Zurück zur Startseite