«Unglaublich teuer» US-Kongress nahm F-35 einen Tag vor Amherds Entscheid ins Visier

Von Philipp Dahm

6.7.2021

Der US-Kongress wettert gegen die F-35: Nur einen Tag vor Bekanntwerden des Schweizer Kaufs werden die hohen Betriebskosten kritisiert. Dass nun ausgerechnet der Preis ein Argument dieser Entscheidung ist, überrascht.

Von Philipp Dahm

6.7.2021

Adam Smith sitzt bereits seit 2019 im House Armed Services Committee, doch seit dem 3. Januar ist der Demokrat nun auch Vorsitzender dieses Ausschusses, der über die Verteilung der Rüstungsgelder in den USA wacht.

Der Abgeordnete ist zwei Monate im Amt, als er ein erstes Lagebild abgibt: «Unsere Beschaffungskosten in den letzten 20 Jahren kann man nur als komplettes Desaster beschreiben», sagt Smith – explizit auch mit Blick auf die F-35. Sein Ausschuss müsse das Programm «zusammenstreichen»: «Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht noch mehr Geld verschwenden.»

Erfahren in Militärfragen: Adam Smith (Mitte) begrüsst 2009 General Ray Odierno (links) vor einer Anhörung im House Armed Services Committee.
Erfahren in Militärfragen: Adam Smith (Mitte) begrüsst 2009 General Ray Odierno (links) vor einer Anhörung im House Armed Services Committee.
KEYSTONE

Die «New York Times» bringt das Problem eine Woche später auf den Punkt: «Die F-35 ist Zeit und Geldverschwendung», so die Quintessenz des Kommentars, «aber wir müssen dennoch damit leben.» Das Flugzeug koste zwar satte 36'000 Dollar pro Flugstunde, sei für das Pentagon derzeit und in näherer Zukunft aber auch alternativlos.

Einen Tag bevor die Schweiz die Entscheidung über ihren neuen Kampfjet bekannt gibt, nimmt in den USA Adam Smith die F-35 erneut ins Visier: «Es steht ausser Frage, dass alle Beteiligten – und allen voran Lockheed Martin – bei der Senkung der Betriebskosten einen besseren Job machen könnten», wettert der 56-Jährige.

Bern begründet «überraschenderweise» mit dem Preis

Die Flugstunde einer F-35 koste «bis zu 38'000 Dollar – und das ist unglaublich teuer. Es führt dazu, dass man das Flugzeug nicht wirklich mehr fliegen will als unbedingt nötig», lautet die Kritik. Weil es nicht genug Kapazitäten gebe, stünden die F-35 zudem im Durchschnitt 131 Tage still, wenn etwas kaputtgeht.

Italienische F-35 bei einem Nato-Manöver im Oktober 2019 in Island.
Italienische F-35 bei einem Nato-Manöver im Oktober 2019 in Island.
EPA

Eine Untersuchung im April dieses Jahres habe ans Licht gebracht, dass die Betriebskosten der Lightning II höher ausfallen als veranschlagt: Pro Flugzeug und Lebenszyklus verteuern sich demnach in den USA die laufenden Ausgaben um 3,7 Millionen Dollar. Hersteller Lockheed Martin hat jedoch versprochen, die Betriebskosten neuer Modelle zu senken.

Wer diese Vorgeschichten kennt, kann sich nun nicht wundern, wenn «Forbes» titelt: «Der Schweizer Bundesrat wählt die F-35 und gibt ihr Können und überraschenderweise ihre Kosten als Grund an», staunen die Amerikaner, als Bern nur einen Tag nach Smiths neuem Tiefschlag den Entscheid für den Tarnkappen-Jet bekannt gibt.

Betriebskosten unter Beschuss

Denn die Frage, wie ein Jet der fünften Generation es schaffen kann, Flugzeuge der Generation vier und viereinhalb bei den Kosten zu schlagen, «kann – oder will – [Lockheed Martin] nicht beantworten», schreibt «Forbes». Alles, was Jim Robinson sagt, der für den F-35-Auftrag in der Schweiz verantwortlich ist, ist, dass er «sehr stolz» auf das Angebot sei, das man Bern gemacht habe.

Beim genauen Preis gibt sich der Hersteller jedoch bedeckt. Bekommt die Schweiz 2027 womöglich die F-35 günstiger als das Pentagon? «Das entscheidet die US-Regierung», weicht Robinson der «Forbes»-Frage aus. «Wir können hier nicht sagen, das eine Flugzeug koste 79,5 Millionen und das andere 81 Millionen oder so was Ähnliches.»

Die hohen Flugkosten scheint Lockheed Martin nicht einmal zu bestreiten, doch bis 2027 würden diese «deutlich tiefer sein als heute», verspricht Robinson. In den kommenden vier Jahren will der Konzern die Kosten auf 25'000 Dollar pro Flugstunde senken. In den vergangenen vier Jahren will Lockheed Martin die Betriebskosten bereits um 40 Prozent gesenkt haben.

Schweiz plant mit 129 Millionen Dollar pro Jet

Daher ist Robinson zuversichtlich, was den Unterhalt der Schweizer Jets angeht, und er erinnert daran, dass in diese Zahl auch Faktoren wie Logistik, Ersatzteile, künftige Upgrades, die Ausbildung von Bodenpersonal und Piloten sowie die Kosten für Simulatoren einfliessen. «Ich denke, Armasuisse hat sich einen sehr umfassenden Überblick verschafft.»

Das bleibt zu hoffen, denn auch der Anschaffungspreis der F-35 liegt gemeinhin höher als die gern kolportierten fly away costs. Das sind die Kosten für den Zusammenbau des Jets, doch hinzu kommen Kosten für Training, Bewaffnung et cetera. So steigen die Ausgaben für eine F-35A aktuell von den im aktuellen US-Budget ausgewiesenen 77,9 Millionen auf 110,3 Millionen, rechnet die Website Pogo vor.

Die Schweiz hat in diesem Punkt ein Polster: Für 36 F-35A zahlt sie nach eigenen Angaben 5,068 Milliarden Franken, womit pro Flugzeug gut 140 Millionen Franken zur Verfügung stehen, was gut 129 Millionen Dollar entspricht. Die laufenden Kosten über 30 Jahre veranschlagt Bern mit rund 10,5 Milliarden Franken.

Tatsächlich dürfte der Betrieb hierzulande deutlich günstiger ausfallen als in den USA: Es schlägt sich im Preis pro Flugstunde nieder, dass dort auch F-35B- und F-35C-Modelle geflogen werden, deren Technik die Kosten in die Höhe treibt. Aussagekräftiger ist in diesem Fall ein Vergleich mit Ländern wie Belgien oder Norwegen, die ebenfalls F-35 fliegen.