TV und Kino «Hoffentlich Vorreiterinnen»: Frauen um die 70 machen von sich reden

dpa/tali

7.3.2019

Ältere Frauen in Filmen und im Fernsehen: Wenn überhaupt, dann waren lange eher nette Omis oder schrullige Alte zu sehen. Gerade werden ältere Frauen aber auch in anderen Rollen und Funktionen in der Gesellschaft sichtbarer. Bricht die Zeit der älteren Frauen an?

Schauspielerin Glenn Close (71) war gerade erst für den Oscar nominiert, Hannelore Elsner (76) ist mit einem neuen Film im Kino, und Kabarettistin Maren Kroymann (69) bekommt ihren zweiten Grimme-Preis. Ältere Frauen machen gerade von sich reden, wie auch die «New York Times» beobachtet. Sie seien lange unsichtbar gewesen. Nun aber scheine es, als würden sie mehr Macht erleben, schreibt die Zeitung und meint damit auch US-Politikerinnen wie Nancy Pelosi (78). Aus Sicht der «Los Angeles Times» beweisen mehr Frauen denn je, dass Siebzig ein tolles Alter sei. Was ist dran an diesen Thesen?

Der Schweizer Schauspielexport Marthe Keller würde sie wohl unterschreiben. 30 war die Baslerin, als John Schlesinger sie für seinen «Marathon Man» nach Hollywood holte, danach stand sie unter anderem für Billy Wilder, Sydney Pollack und Clint Eastwood vor der Kamera. Im Januar ist Keller 74 Jahre alt geworden und kann nicht über Arbeitsmangel klagen: «Ich habe viel mehr zu tun als mit vierzig», sagte die Schauspielerin und Opernregisseurin vergangenen Sommer der «NZZ», oft müsse sie Angebote ablehnen. Eine Zusage gab sie zuletzt unter anderem «Mad Men»-Macher Matthew Weiner: In seiner Anthologie-Serie «The Romanoffs» ist sie seit Herbst bei Amazon Prime in einer Hauptrolle zu sehen.

Marthe Keller stiehlt Aaron Eckhardt in «The Romanoffs» die Schau.
Marthe Keller stiehlt Aaron Eckhardt in «The Romanoffs» die Schau.
Amazon / Christopher Raphael

«Eher die Ausnahme»

Eine Frau, die in Deutschland zur Zeit auffällt, ist Maren Kroymann. Die Berliner Satirikerin findet, dass sich für ältere Frauen etwas getan hat. «Ich habe schon das Gefühl, dass wir jetzt mehr zu sehen sind», sagt Kroymann der Deutschen Presse-Agentur. Aus ihrer Sicht werden ältere Frauen in Filmen oder Serien aber oft einseitig dargestellt. «Im Fernsehen werden alte Frauen höchstens mal als Oma oder komische Alte gezeigt. Aber die sexuell aktive, geistig potente ältere Frau ist eher die Ausnahme», sagt sie.

«Insgesamt hat sich natürlich in der Gesellschaft etwas verändert, auch durch die MeToo-Debatte und die Pro-Quote-Bewegung», erklärt Kroymann. Die Ungleichbehandlung von Frauen zeige sich aber auch darin, dass ein bestimmtes Alter nicht vorkomme.

Man ist nie zu alt, um einen zweiten Grimmepreis zu bekommen. Oder, Maren Kroymann?
Man ist nie zu alt, um einen zweiten Grimmepreis zu bekommen. Oder, Maren Kroymann?
Keystone

Je älter, desto unsichtbarer

Die Statistik gibt der Darstellerin Recht: In Film und Fernsehen zum Beispiel sind ältere Frauen laut einer Studie seltener zu sehen als Männer im höheren Alter. Die Medienwissenschaftlerinnen Elizabeth Prommer und Christine Linke von der Universität Rostock haben dafür viele Stunden Material untersucht. Den Anstoss dazu gab Schauspielerin Maria Furtwängler.

«Je älter Frauen werden, desto stärker werden sie ausgeblendet», sagt Forscherin Linke zu ihrer Studie von 2017. In deutschen Unterhaltungsformaten nehme die Sichtbarkeit von Frauen ab einem Alter von 30 Jahren ab, in Informationsformaten ab 40 Jahren. «Das deckt sich auch mit anderen Befunden.»

Frauen über 30? In FIlm und Fernsehen selten zu finden, weiss Maria Furtwängler: «Sie werden graduell unsichtbar».
Frauen über 30? In FIlm und Fernsehen selten zu finden, weiss Maria Furtwängler: «Sie werden graduell unsichtbar».

Prominenter Gegenbeweis

Die Gründe müssten nun erforscht und diskutiert werden. Es gebe die These, dass Frauen bisher oft im jungen, fortpflanzungsfähigen Alter gezeigt würden und das eben zu einer patriarchalischen Gesellschaft passe, sagt Linke. Das Argument, dass man zeige, was die Leute sehen wollten, sei aus ihrer Sicht nicht unbedingt richtig.

Man wisse, dass sich Zuschauer gerne identifizierten. Deswegen sei es naheliegend, dass ältere Frauen auch ältere Frauen sehen wollten, sagt Linke. Dass dem so ist, zeigt zum Beispiel die Netflix-Serie «Grace and Frankie». Oscar-Preisträgerin Jane Fonda (81) und Lily Tomlin (79) spielen darin zwei verlassene Ehefrauen, die eine Strandhaus-WG gründen und ein Unternehmen aufbauen. Ihre Erfindung: Vibratoren für Frauen mit Arthrose.

Mit den Worten «Too old for this shit» bewarb Netflix im Januar ironisch den Start der fünften Staffel «Grace and Frankie» mit Jane Fonda und Lily Tomlin (rechts).
Mit den Worten «Too old for this shit» bewarb Netflix im Januar ironisch den Start der fünften Staffel «Grace and Frankie» mit Jane Fonda und Lily Tomlin (rechts).
Ali Goldstein / Netflix

Neue Freiheit im Alter

Auch andern feiern Erfolge in höherem Alter, etwa Schauspielerinnen wie Helen Mirren (73), Senta Berger (77) oder Judi Dench (84). Die deutsche Autorin Ingrid Noll (83) schreibt noch immer Krimis. Und in den USA hat Richterin Ruth Bader Ginsburg (85) eine Fangemeinde, die T-Shirts und Tassen von der Justizikone «RBG» kauft.

Maren Kroymann mag ihr Alter. Sie findet, es gibt Frauen eine neue Freiheit. Sie müsse nicht mehr mit den Zuschreibungen kämpfen, die Frauen zugeteilt würden, etwa dass sie dünn und sexy sein müssten: «Ich gehe immer weiter dem entgegen, was ich wirklich bin», sagte sie der dpa. Sie könne einfach machen, was sie wolle.

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