Zölibat Intrigantenstadl Vatikan? Zwei Päpste im Clinch

dpa/toko

14.1.2020

Von «Verleumdung», «Lügen» und «Manipulation» ist die Rede. Der Skandal um die Äusserung von Ex-Papst Benedikt zum Zölibat nimmt eine absurde Wende. Auch wenn Ratzinger zurückrudert, das Drama zeigt: Zwei Päpste sind einer zuviel.

Manchmal wird die Fiktion von der Realität eingeholt. In der Netflix-Produktion «Die zwei Päpste» belauern sich Benedikt XVI., dargestellt von Anthony Hopkins, und der spätere Papst Franziskus, verkörpert von Jonathan Pryce.

Es sind zwei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Hier der menschenscheue Intellektuelle aus Deutschland, der sich beim Klavierspiel und der Schäferhundserie «Kommissar Rex» entspannt. Dort der joviale Argentinier, der Fussball und Tango liebt.

Manch ein Zuschauer mag sich gefragt haben, ob der Film nicht hier und da zur Papst-Posse abgleitet. Doch der Konflikt, der sich derzeit zwischen den beiden realen Männern in Weiss entfaltet, stellt das Filmdrama nahezu in den Schatten. Auch wenn der «Papa emeritus» nun zurückrudert: Seine Äusserungen zum Streitthema Zölibat schlagen weltweit hohe Wellen. «Es ist ein Intrigenspiel übelster Art», kritisiert die Reformbewegung «Wir sind Kirche».

Der pensionierte Papst kann einfach nicht davon lassen, seine Meinung zu heiklen Themen kundzutun. Noch bevor der aktuelle Pontifex seine Worte zum Streitthema Zölibat den 1,3 Milliarden Katholiken der Welt in einem sogenannten postsynodalen Schreiben verkünden kann, kommt ihm sein 92 Jahre alter Vorgänger zuvor und warnt vor einer Priesterweihe von Verheirateten. Ein Affront.

Der Rücktritt Benedikts im Februar 2013 war der erste eines Papstes seit rund 700 Jahren. Das ist für die 2000 Jahre alte katholische Kirche eine neue Erfahrung.
Der Rücktritt Benedikts im Februar 2013 war der erste eines Papstes seit rund 700 Jahren. Das ist für die 2000 Jahre alte katholische Kirche eine neue Erfahrung.
Bild: Daniel Karmann/dpa (Archivbild)

Für alle Beteiligten ein PR-Gau

Eine kuriose Wendung nahm das Drama am Dienstag. Da zog Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein die Notbremse: Der Ex-Papst habe gar nicht als Co-Autor des Buches «Des profondeurs de nos cœurs» («Aus den Tiefen unserer Herzen») auftreten wollen. Folglich wolle er sein Bild auf dem Titel und seine Unterschrift in Einleitung und Nachwort entfernt sehen. Es sei alles ein «Missverständnis», beteuert Gänswein. Allerdings habe der emeritierte Papst tatsächlich den Text über den Zölibat verfasst. Nur über die Aufmachung sei er sich nicht im Klaren gewesen. Inhaltlich gibt es also keine Änderungen.

Es ist für alle Beteiligten ein PR-GAU. Im Mittelpunkt steht der konservative Kardinal Robert Sarah, im Vatikan seit längerem als Gegner von Franziskus bekannt. Der Präfekt der Gottesdienstkongregation hat das Buch verfasst, das am Mittwoch erscheinen soll. Nun wehrt er sich gegen den Vorwurf, den greisen Benedikt für seine Zwecke eingespannt zu haben. Um das zu belegen, twittert er Briefe von Benedikt, die zeigen, dass dieser durchaus von einer geplanten Veröffentlichung wusste. Sarah spricht von «Lügen» und «Verleumdung».

Papst Franziskus (l) und der emeritierte Papst Benedikt XVI unterhalten sich im Dezember 2018 im Kloster «Mater Ecclesiae».
Papst Franziskus (l) und der emeritierte Papst Benedikt XVI unterhalten sich im Dezember 2018 im Kloster «Mater Ecclesiae».
Bild: -/Vatican Media/dpa (Archivbild)

Der Skandal zeigt, wie sehr Intrigen die Arbeit von Franziskus untergraben und welchen Widerstand es von konservativen Kirchenmännern gibt. Dass Benedikt von diesen auch instrumentalisiert wird, kritisieren Kirchenkenner seit langem. Und sein Umfeld müsste das eigentlich zu verhindern wissen. Denn das Problem mit den zwei Päpsten erschwert das «Regieren» im Vatikan seit sieben Jahren.

Der Rücktritt Benedikts im Februar 2013 war der erste eines Papstes seit rund 700 Jahren. Das ist für die 2000 Jahre alte katholische Kirche eine neue Erfahrung. Höchstens gab es im Mittelalter mal «Gegenpäpste». Wie man mit einem «Heiligen Vater» im Ruhestand umgeht, dazu gab und gibt es keine festgeschriebenen Regeln. «Bedingungslose Ehrerbietung und meinen bedingungslosen Gehorsam» versprach Benedikt seinem Nachfolger. Doch er kann es einfach nicht lassen. «Zum Glück verbietet das Kirchenrecht Duelle seit ein paar Jahrhunderten», erklärte der Theologe Massimo Faggioli ironisch.

«Zwei Päpste sind einer zuviel»

Im Vatikan bemüht man sich stets um die Darstellung einer harmonischen Beziehung, veröffentlicht regelmässig Fotos der beiden Männer in Weiss. Seltsam war allerdings, dass es dieses Mal an Weihnachten keines der üblichen Fotos von Franziskus' Besuch beim Altpapst gab. Lagen sie da schon im Clinch?

«Zwei Päpste sind einer zuviel», findet der Priester Thomas Reese, der für mehrere katholische Medien schreibt. «Als erstes sollte der zurückgetretene Papst nicht mehr länger Papst heissen.» Er sollte vielmehr der «emeritierte Bischof von Rom» sein, den Status eines Kardinals im Ruhestand haben und auch wieder seinen bürgerlichen Namen annehmen: Joseph Ratzinger. Stattdessen wird er noch «Seine Heiligkeit Benedikt XVI.» angesprochen.

Bleibt die Frage, warum Franziskus Leute in seiner Mannschaft duldet, die offensichtlich gegen ihn arbeiten und als Spaltpilze wirken. Kardinal Sarah ist immerhin Chef der Gottesdienstkongregation, ist also ein «Minister» der Kurie.

Auch unter deutschen Katholiken muss Benedikts Wortmeldung als Störfeuer empfunden werden. Denn dort ist der Streit zwischen progressiven und konservativen Kräften gerade voll im Gang: Die katholische Kirche hat dort am 1. Dezember einen auf zwei Jahre angelegten Reformprozess begonnen, den Synodalen Weg. Einer der vier Hauptpunkte ist dort auch der Zölibat.

Nun stellt sich die Frage, ob Benedikts Äusserungen den Synodalen Weg bremsen könnten. «Ich glaube das nicht», sagt Norbert Bauer, Leiter der katholischen Karl Rahner Akademie in Köln. «Benedikt macht eher Altersteilzeit und ärgert damit den, der den Job jetzt zu machen hat», sagt Bauer. Seine Prognose: «Die Verärgerung darüber ist so gross, dass sie beim Synodalen Weg sogar eher die Konservativen schwächen könnte.»


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