«So ein Mist!«, mag sich manch einer gesagt haben, der am Donnerstagabend auf dem Berner Bahnhofplatz unterwegs war. In der Tat: mitten auf dem Platz türmten sich zehn Tonnen Kuhmist, den eine Performancekünstlerin «zöpfelte».
Mist flechten, oder wie man im Bernbiet sagt «zöpfle», ist ein alte Bauerntradition, die heute fast ausgestorben ist. Dabei geht es darum, den Mist kunstvoll aufzuschichten, damit er eine Ähnlichkeit mit einem Zopfflechtwerk hat.
In früheren Zeiten gehörte es zum Stolz der Bauern, einen herausgeputzten Hof zu haben. Geranien vor den Fenstern, Schnitzereien oder Malereien an der Fassade, ein üppiger Gemüse- und Blumengarten gehörte zum «comme il faut». Selbst der Miststock sollte schön aussehen und vom Fleiss der Bauernleute künden.
Für frühere Generationen war Mist eben nicht einfach Unrat, sondern Dünger, der reichere Ernte versprach. In der modernen Stressgesellschaft mag mancher in dieser Tätigkeit eine Form von Achtsamkeit erblicken.
Ob Bauernstolz, Achtsamkeit oder einfach Mist, Künstlerin Barbara Kiener überliess es dem zahlreichen Publikum, über den Sinn der Aktion im allgemeinen und den Mist und das «Zöpflen» im Besonderen zu sinnieren.
Die Künstlerin selber, die in weissem Overall und mit nackten Füssen im Kuhmist herum trampelte und lustvoll die Mistgabel schwang, liess das Publikum wissen, dass ihr Tun «eine Beschönigung der Scheisse» sei. Das Aufschichten und «zöpfeln» des Mists «ist absurd und faszinierend zugleich».
Mit der Performance sollte aber auch die Vielschichtigkeit eines natürlichen Kreislaufs zwischen Gesellschaft und Politik, Ursprung und Tradition versinnbildlicht werden.
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