Zunahme bei Tierschutzfällen Misshandelt und vernachlässigt – so leiden Haustiere in der Schweiz

Von Silvana Guanziroli

3.9.2019

Diese Katze kam in sehr schlechtem Zustand beim Zürcher Tierschutz an. Sie hatte ein komplett verfilztes Fell. Nach dem Scheren zeigte sich zudem, dass das Tier völlig ausgehungert war.
Diese Katze kam in sehr schlechtem Zustand beim Zürcher Tierschutz an. Sie hatte ein komplett verfilztes Fell. Nach dem Scheren zeigte sich zudem, dass das Tier völlig ausgehungert war.
Zürcher Tierschutz

Fälle von misshandelten und vernachlässigten Haustieren nehmen deutlich zu. Die kantonalen Veterinärämter und der Schweizer Tierschutz sind alarmiert. 

Sie besteht nur noch aus Haut und Knochen. Langsam kommt die Langhaarkatze wieder zu Kräften und erholt sich von den Strapazen der letzten Wochen. Vor einiger Zeit wurde das Tier beim Zürcher Tierschutz abgegeben. Das Fell der Katze war zu diesem Zeitpunkt komplett verfilzt. Auf ihrem Rücken hatte sich eine richtige Platte gebildet. Die Besitzer waren mit der Pflege überfordert und vernachlässigten das Tier. Für Langhaarkatzen hat das schmerzhafte Folgen: Die Haut unter dem verfiltzten Fell entzündet sich, oft kommt noch ein Befall von Parasiten dazu.

Erst im Tierheim konnten die Tierpfleger die Katze von der Verfilzung befreien. Das Fell kann jetzt wieder normal nachwachsen.

Der Zürcher Tierschutz ist die älteste Tierschutzorganisation der Schweiz und finanziert sich vollumfänglich über Spenden. Um die Kosten für die Behandlung der Tiere im Tierheim zu decken, bietet die Organisation auch Tierpatenschaften an.

Fälle wie dieser nehmen in der Schweiz deutlich zu. Das melden Tierschutzorganisationen und kantonale Veterinärämter. So registierte  zwischen Juni 2018 und Mai 2019 allein der Schweizer Tierschutz 181 gravierende Fälle, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Bei mehr als der Hälfte der Anzeigen seien Hunde malträtiert worden. Weitere genannte Vorfälle waren: Kranke und nicht versorgte Katzen, Küken, die im Klassenzimmer aufgezogen wurden und dort verendeten, und Gänse, die ohne Schwimmgelegenheit gehalten wurden.

Doch das ist nur die Spitze des Eisberges, sind sich die Tierschützer einig. Denn es gibt keine zentrale Stelle, die sich um Tierschutzverletzungen kümmert. Anzeigen gehen an unterschiedlichen Orte ein. Bei kantonalen Tierschutzorganisationen, Polizeistellen oder Veterinärämtern.

Tiere müssen erlöst werden

Und dort nehmen die Tierschutz-Meldungen markant zu. Allein beim Veterinäramt des Kantons Zürich hat sich die Zahl beinahe verdoppelt. Während 2017 noch 247 Fälle registriert wurden, waren es 2018 bereits 479. Diese Entwicklung stellt auch der Zürcher Tierschutz fest. So schreibt die Organisation auf ihrer Website: «Seit etwa Mitte 2017 gelangen erschreckend viele Extremfälle zu uns. Diese Tiere haben einen akuten Behandlungs­bedarf und wurden über längere Zeit aufs Gröbste vernachlässigt und leiden unter massiven Schmerzen.»

Nicht alle Tiere überleben die mangelnde Fürsorge. «Einige mussten gar erlöst werden. Früher waren solche Extremfälle selten, heute sind sie leider keine Ausnahme mehr», heisst es weiter. 

Die häufigsten Vernachlässigungen stellte der Zürcher Tierschutz bei der Fell- und Krallenpflege, bei den Zähnen und bei erkrankten Tieren fest. Die Organisation hat die Fälle dokumentiert und Bilder dazu veröffentlicht:

Dieser Hund konnte kaum noch fressen. Als er im Tierheim abgegeben wurde, war er so abgemagert, dass jede einzelne Rippe zu sehen war. Der Grund: Seine Zähne waren in sehr schlechtem Zustand, das Zahnfleisch entzündet. Eine rechtzeitige Behandlung hätte dem Tier die Schmerzen ersparen können.
Dieser Hund konnte kaum noch fressen. Als er im Tierheim abgegeben wurde, war er so abgemagert, dass jede einzelne Rippe zu sehen war. Der Grund: Seine Zähne waren in sehr schlechtem Zustand, das Zahnfleisch entzündet. Eine rechtzeitige Behandlung hätte dem Tier die Schmerzen ersparen können.
Zürcher Tierschutz
Diese Katze leidet an Katzenschnupfen. Eine Viruserkrankung, die bei akutem Verlauf die Atemwege verschleimt. Diese Erkrankung braucht intensive Pflege, damit das Tier keine Schmerzen hat. Die Besitzer waren überfordert.
Diese Katze leidet an Katzenschnupfen. Eine Viruserkrankung, die bei akutem Verlauf die Atemwege verschleimt. Diese Erkrankung braucht intensive Pflege, damit das Tier keine Schmerzen hat. Die Besitzer waren überfordert.
Zürcher Tierschutz
Diese Haushatze hatte keine Gelegenheit, ihre Krallen zu wetzen. Die Folge: Die Kralle drang in den Fussballen ein und verursachte dem Tier massive Schmerzen.
Diese Haushatze hatte keine Gelegenheit, ihre Krallen zu wetzen. Die Folge: Die Kralle drang in den Fussballen ein und verursachte dem Tier massive Schmerzen.
Zürcher Tierschutz
Auch dieses Meerschweinchen erhielt nicht die nötige Krallenpflege. Zuletzt konnte es sich kaum mehr fortbewegen.
Auch dieses Meerschweinchen erhielt nicht die nötige Krallenpflege. Zuletzt konnte es sich kaum mehr fortbewegen.
Zürcher Tierschutz

Der Zürcher Tierschutz nennt die Gründe für die zunehmende Vernachlässigung der Haustiere beim Namen. «Es fehlt an Verantwortungsbewusstsein, Wissen und Empathie», schreibt der Verein in einer Medienmitteilung. So gehe bei vielen Haustierbesitzern nach der anfänglichen Begeisterung die Fürsorgepflicht im Alltagsstress schnell vergessen.

Die Tierschutzorganisation rät deshalb, sich vor dem Kauf eines Tieres intensiv auf die Haltung vorzubereiten. Diese Fragen müssten vorab geklärt sein: Habe ich die nötige Zeit für das Tier und kann ich mir auch die Versorgung im Krankheitsfall leisten?

Denn gemäss Tierschutzgesetz gilt: Personen, die mit Tieren umgehen, müssen deren Bedürfnissen bestmöglich Rechnung tragen und für ihr Wohlergehen sorgen. Die Vernachlässigung ist verboten und somit strafbar. 

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