UNO warnt Fünf Umweltrisiken, die wir bisher unterschätzt haben

tali

5.3.2019

Berichte über Luftverschmutzung, Insektensterben und schmelzende Gletscher rütteln Politik und Bevölkerung langsam wach. Doch die Umweltbehörde der Vereinten Nationen warnt nun vor fünf anderen Umweltgefahren, die bislang zu wenig Beachtung finden.

Am Bild des ertrinkenden Eisbären, den Superzeitraffer-Aufnahmen zurückgehender Gletscher und den Szenarien, die Wissenschaftler bei einem Fortschreiten des Insektensterbens skizzieren, kommt man in den Medien derzeit kaum vorbei. Zum Glück: «Wir sehen ein sehr aktives Engagement, auch bei Jugendlichen, die Druck auf ihre Regierungen ausüben, entsprechende Massnahmen zu ergreifen», freute sich Joyce Msuya, die geschäftsführende Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) im Februar im Interview mit dem Nachrichtenportal Euractiv.

Doch längst nicht alle Umweltgefahren werden bislang mit der Aufmerksamkeit bedacht, die sie verdienen, warnt UNEP in seinem neuen Bericht «Frontiers 2018/2019». Auf diese fünf Ökoprobleme weisen die Umweltexperten im Besonderen hin.

1. Synthetische Biologie

Wissenschaftler können immer schneller und genauer Genmanipulationen vornehmen. Wie wirkt sich das auf das Ökosystem aus?
Wissenschaftler können immer schneller und genauer Genmanipulationen vornehmen. Wie wirkt sich das auf das Ökosystem aus?
Keystone

Es ist ein grosser Durchbruch für die Wissenschaft: Forscher sind mittlerweile in der Lage, Gene zu manipulieren und dadurch Krankheiten zu heilen oder Pflanzen schädlingsresistenter zu machen. So gibt es etwa Bestrebungen, die Anopheles-Mücke mithilfe der Gen-Editiertechnik CRISPR/Cas9 unschädlich zu machen und dadurch die von der Mücke übertragene Krankheit Malarie einzudämmen. «Allerdings birgt die Fähigkeit, durch DNA-Veränderungen synthetisches Leben herzustellen, das Risiko der Kreuzkontaminiation und unvorhergesehener Konsequenzen», warnt Unep. Mit anderen Worten: Was passiert, wenn solche manipulierten Organismen in unser Ökosystem gelangen, ist nicht abzuschätzen.

«Dass der Code des Lebens gehackt werden kann, hat so gravierende Auswirkungen, dass sich für Regierungen die Dringlichkeit ergibt, zusammenzuarbeiten, um sichere Forschung und Entwicklungen in diesem Bereich sicherzustellen», heisst es in dem Bericht. Nach dem weltweiten Entsetzen über die Bekanntmachung chinesischer Wissenschaftler, sie hätten im November 2018 den ersten genmanipulierten Babys auf die Welt geholfen, könnte das auf offene Ohren stossen.

2. Durchschnittene Lebensräume

Donald Trumps Grenzmauer zu Mexiko dürfte auch Tieren ein Dorn im Auge sein: Sie zerschneidet Lebensräume.
Donald Trumps Grenzmauer zu Mexiko dürfte auch Tieren ein Dorn im Auge sein: Sie zerschneidet Lebensräume.
Keystone

Die Lebensräume von Tieren werden nicht nur durch Rodung immer kleiner: Sie werden durch Zäune, Dämme oder Strassen auch zerschnitten. Auch das bedrohe den Fortbestand vieler Arten, erklären die Wissenschaftler. «Weltweite Initiativen, die Landschaften besser verbinden sollen, geben Hoffnung, aber es müssen noch mehr Anstrengungen unternommen werden, um zerstückelte Lebensräume wieder zu verbinden und noch existierende Verbindungen zu bewahren. Das ist notwendig, um die vorhandene Biodiversität und die verbundenen Ökosysteme zu erhalten, auf die wir so dringend angewiesen sind.»

Landesregierungen müssten in diesem Punkt über ihre Grenzen hinaus zusammenarbeiten, legen die Vereinten Nationen nahe. Denn tierische Lebensräume enden normalerweise nicht an Schlagbäumen.

3. Auftauende Permafrostböden

Keystone

Das Abschmelzen der Polkappen und Gletscher lässt nicht nur den Meeresspiegel bedenklich steigen. Unter den Eismassen, die nun immer weiter schwinden, befinden sich riesige Mengen Biomasse aus abgestorbenen Pflanzen, die bis dato von den dicken Eisschichten konserviert wurden. Diese droht nun durch Mikroorganismen zersetzt zu werden, was Methan und Kohlendioxid freigesetzen würde.

Das könnte das Fass zum Überlaufen bringen, fürchten die Unep-Forscher in Hinblick auf den Treibhauseffekt. «Der Erhalt dieser grossen Bodenkohlenstofflager ist unerlässlich, um die globalen Folgen des Klimawandels einzudämmen», warnen sie und fordern eine Intensivierung der Forschung.

4. Stickstoffausstoss

In manchen Industriezweigen ist Stickstoff ein Abfallprodukt, in anderen wird er dringend gebraucht. Lässt sich das nicht sinnvoll regeln?
In manchen Industriezweigen ist Stickstoff ein Abfallprodukt, in anderen wird er dringend gebraucht. Lässt sich das nicht sinnvoll regeln?
Keystone

Doch Kohlendioxid ist nicht das einzige Gas, über dessen Ausstoss sich Politik und Industrie Gedanken machen sollten: Auch Stickstoff kann zur Klimagefahr werden, wenn es in Form von Distickstoffmonoxid, sprich: Lachgas, auftritt. «Distickstoffmonoxid ist als Treibhausgas 300 Mal kräftiger als Kohlendioxid», heisst es im Bericht. Das paradoxe: Während mancherorts Stickstoff als Abfallprodukt in der Atmosphäre landet, wird es an anderer Stelle künstlich hergestellt, um industriell genutzt zu werden – ein Recyclingkreislauf wäre die Lösung.

Zwar gebe es schon auf nationaler Ebene einige Ansätze, das Problem zu lösen, erkennt die UNO an. Doch um den Stickstoffhaushalt wirklich ganzheitlich in den Griff zu bekommen, sei internationale Zusammenarbeit gefragt. «Wenn es gelingt, einen wirtschaftlichen Kreislauf für Stickstoff herzustellen, wäre das ein grosser Schritt auf dem Weg zu einem verschmutzungsfreien Planeten», stellt Unep in Aussicht.

5. Fehlanpassungen an den Klimawandel

Dürren zwangen somalische Bauern dazu, sich von Feldarbeit auf Holzkohleproduktion zu verlegen. Dafür holzen sie Wälder ab, was den Klimawandel begünstigt – und damit die Dürren.
Dürren zwangen somalische Bauern dazu, sich von Feldarbeit auf Holzkohleproduktion zu verlegen. Dafür holzen sie Wälder ab, was den Klimawandel begünstigt – und damit die Dürren.
Keystone

Solange er ihn nicht abgewendet hat, muss der Mensch lernen, mit den Folgen des Klimawandels zu leben. Allerdings sollte er zur Anpassung an die neuen Verhältnisse keine Massnahmen ergreifen, die alles nur noch schlimmer machen. Dass die australische Stadt Melbourne auf höhere Temperaturen reagiert, in dem sie den Einbau von Klimaanlagen fördert, sei ebenso kurzsichtig wie die Massnahme somalischer Bauern, Wälder zu Holzkohle zu verarbeiten, weil die anhaltende Dürre zu Ernteausfällen auf den Feldern führte.

Es gelte, Kurzzeitlösungen zu vermeiden, die nur lokal Besserung bringen: «Langfristige Visionen sind bei Entwicklungs- und Adaptionspolitik gefragt, damit die richtigen, nachhaltigen Entscheidungen für nachfolgende Generationen getroffen werden», mahnt Unep und appelliert an Politiker, sich in Voraussicht zu üben.

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