«Ungewollter Urlaub»Schock und Freude über Freilassung von Bill Cosby
Von Benno Schwinghammer und Christina Horsten, dpa
1.7.2021 - 08:01
Wegen sexueller Nötigung wurde Bill Cosby zu einer Hafstrafe verurteilt. Nun hat ein Gericht das Urteil gekippt. Die Reaktionen reichen von Schock bis grosser Freude.
Bill Cosby wird von einem Mitarbeiter seines Teams gestützt, als er über das Grundstück seines Zuhauses bei Philadelphia geht. Der 83-Jährige ist wacklig auf den Beinen, doch streckt den Arm nach oben und macht das Victory-Zeichen. Der US-Starschauspieler, der in Ungnade fiel und zum ersten Verurteilten der #MeToo-Ära wurde, ist seit Mittwoch wieder ein freier Mann. Das höchste Gericht im US-Bundesstaat Pennsylvania hatte seine Verurteilung wegen sexueller Nötigung aufgrund eines Verfahrensfehlers überraschend gekippt.
«Er ist extrem glücklich, zu Hause zu sein und freut sich darauf, mit seiner Frau und seinen Kindern zusammen zu sein», sagte Cosbys Anwältin Jennifer Bonjean bei einer improvisierten Pressekonferenz auf dem Anwesen des Ex-Entertainers, der nur Stunden zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war. Cosby selbst äusserte sich zunächst nicht. Ein anderer seiner Anwälte bezeichnete die Zeit seines Mandanten im Gefängnis als «ungewollter dreijähriger Urlaub, um den Herr Cosby nie gebeten hatte».
Prozess darf nicht mehr aufgerollt werden
Die Richter in Pennsylvania hatten ihre aufsehenerregende Entscheidung am Mittwoch in einer 80-seitigen Stellungnahme mit einer früheren Vereinbarung zu Cosby erklärt. Wegen des Deals eines früher mit dem Fall befassten Staatsanwalts hätte Cosby in dieser Sache gar nicht erst angeklagt werden dürfen, hiess es. Der Prozess dürfe auch nicht noch einmal aufgerollt werden. In den Jahren zuvor waren zahlreiche Anträge auf Berufung und vorzeitige Haftentlassung von anderen Gerichten abgelehnt worden.
Die jetzige Entscheidung überraschte Viele in den USA und sorgte weithin für Schock und Ratlosigkeit. «Ich bin wütend, diese Nachricht zu hören. Ich kenne persönlich Frauen, die dieser Mann mit Drogen bewusstlos gemacht und vergewaltigt hat. Schande über das Gericht für diese Entscheidung», kommentierte die Schauspielerin Amber Tamblyn auf Twitter. Die #Metoo-Aktivistin und Schauspielerin Rosanna Arquette nannte die Entscheidung «widerlich».
I am furious to hear this news. I personally know women who this man drugged and raped while unconscious. Shame on the court and this decision. #TimesUp#MeToo
Bill Cosby to Be Freed as Court Overturns His Sex Assault Conviction - The New York Times https://t.co/W34edMi1vw
I know many young women and men who are so Afraid to press charges against their rapist and Re traumatize themselves I am heartbroken today to hear of the news of Cosby’s release .this is sickening. My heart is with my sister survivors. We have work to do.
Bill Cosby galt einst als Superstar und Amerikas Vorzeige-Vater, dann wurde er zum ersten berühmten Verurteilten der Ära #MeToo, der weltweiten Bewegung gegen sexuelle Belästigung. Mehr als 60 Frauen hatten Cosby sexuelle Übergriffe unterschiedlicher Art vorgeworfen. Im Prozess ging es allerdings nur um einen einzigen Fall aus dem Jahr 2004. Die Jury sah es als erwiesen an, dass Cosby eine Frau mit Tabletten hilflos gemacht und dann sexuell genötigt hatte. Der Entertainer hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Seit September 2018 als Insasse «NN7687» im Gefängnis
2018 war Cosby wegen sexueller Nötigung zu einer Strafe von mindestens drei und höchstens zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil hatte in der Ära von #MeToo auch Signalwirkung. Seit dem vergangenen Jahr ist der frühere Hollywood-Mogul Harvey Weinstein verurteilter Sexualstraftäter, im August soll der Prozess gegen den Musiker R. Kelly wegen ähnlicher Anschuldigungen starten.
Cosby sass seit September 2018 als Insasse «NN7687» in der Anstalt «SCI Phoenix» mit rund 2400 Insassen in Pennsylvania. Sport und Ansprachen an die Mitinsassen bestimmten dort den Alltag des fast Blinden, hiess es von seinem Sprecher. Das Lebenswerk des Schauspielers scheint überschattet – Cosby aber bestand immer darauf: Er sei unschuldig und empfinde «keine Reue».
Von Benno Schwinghammer und Christina Horsten, dpa
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