Finma rüffelt Credit Suisse«Für Schweizer Verhältnisse ausserordentlich schwere Vorwürfe»
Von Philipp Dahm
28.2.2023
Nach dem «Greensill»-Debakel und dem Milliardenverlust im Geschäftsjahr 2022 hat die Finanzaufsicht bei der Credit Suisse schwere Mängel ausgemacht. Finanzexperte Peter V. Kunz erklärt, wo die Probleme sind.
Von Philipp Dahm
28.02.2023, 15:51
28.02.2023, 17:19
Philipp Dahm
Nach einem Verlust von 7,3 Milliarden Franken im Jahr 2022 hat die Schweizer Finanzmarktaufsicht die Credit Suisse (CS) in die Pflicht genommen. Was der Finma-Rüffel bedeutet, wie es um das Image der Bank und ihre Zukunft steht, beantwortet Peter V. Kunz von der Universität Bern, der geschäftsführender Direktor am Institut für Wirtschaftsrecht ist.
Herr Kunz, die Finma wirft der CS «gravierende Mängel in der Betriebsorganisation und eine schwere Verletzung von Schweizer Aufsichtsrecht» vor. Was hat die Bank falsch gemacht?
Zur Person
Bild: Uni BE
Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz ist geschäftsführender Direktor am Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Bern und war von 2015 bis 2020 Dekan der juristischen Fakultät
Die Details der Finma-Untersuchung und ihrer Verfügung sind nicht bekannt. Die Mängel betreffen aber insbesondere das Risikomanagement der Bank, das nach Ansicht der Finma die CS nicht im Griff hatte betreffend «Greensill». Das Erfassen, das Begrenzen und das Überwachen dieser Risiken war mangelhaft. Es sind für Schweizer Verhältnisse ausserordentlich schwere Vorwürfe gegen eine Grossbank, die zu behördlichen Eingriffen bei der CS führen, was kaum jemals vorkommt.
Was bedeutet das Finma-Verdikt für den Ruf der CS?
Das einzig Gute für die CS ist, dass es sich bei «Greensill» um nichts Neues handelt. Es geht vielmehr um einen älteren Fall, der jetzt aber zu einem schlechten Abschluss kommt. Insofern handelt es sich um die Schlussrechnung für frühere Fehler. Doch diese Rechnung ist gesalzen. Der Wiederaufbau des guten Rufs der CS wird zwar nicht generell infrage gestellt, aber sicherlich weiter verzögert. Die CS kommt einfach nicht aus den schlechten Nachrichten raus, was den Aktienkurs zusätzlich negativ beeinflusst: keine guten News für die CS-Aktionäre.
Too Big to Fail II: Droht ein zweiter Fall UBS, oder wird die CS zum Übernahmekandidaten?
Die CS scheint mir nach wie vor stabil zu sein, gerade angesichts ihrer Kapitalisierung. Insofern sind «too big to fail» und die Systemrelevanz der CS aktuell keine Themen. Schon seit längerer Zeit sage ich, dass die CS angesichts des tiefen Börsenkurses eine Übernahmekandidatin ist. Sicherlich nicht für die UBS, angesichts kartellrechtlicher Hürden. Aber gerade US-amerikanische Grossbanken könnten durchaus ein Interesse entwickeln. Ich wäre überrascht, wenn solche Banken in den USA die CS-Entwicklung nicht genau verfolgen würden.
Es scheint, als würde weiter Geld aus der Bank abgezogen werden: Müssen Kundinnen und Kunden jetzt nervös werden?
Nein, das Überleben der CS wird dadurch nach meiner Einschätzung nicht infrage gestellt. Weniger die Bankkunden als vielmehr die Aktionäre der CS dürften allerdings beunruhigt sein, und zwar auch mittelfristig. Sollten nämlich die Kundenabzüge nicht bald gestoppt werden, dürfte damit das geplante Geschäftsmodell der CS für die Zukunft relativiert oder sogar infrage gestellt werden: die Vermögensverwaltung. Gibt es wenig Bankkundenvermögen, kann die CS nur noch wenig verwalten und daher wenig verdienen.
Nachdem ab Oktober viele Kundinnen und Kunden ihr Geld abgezogen haben, hat Axel Lehmann im Dezember erklärt, diese Vorgänge hätten sich «abgeflacht»: Was für Konsequenzen hat das nun für den Credit-Suisse-Präsidenten?
Diese drei Interviews waren unglücklich und nach meiner Einschätzung rechtlich nicht unproblematisch, sowohl in aufsichtsrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht. Aktuell ist jedoch erst wenig bekannt. Es gibt keine offizielle Stellungnahme, dass die Finma überhaupt ein Verfahren eingeleitet hat, es kann sich also auch bloss um informelle Kontakte oder um Vorabklärungen der Finma handeln. Im schlimmsten Fall, der heute nicht absehbar ist, drohen drei Verfahren, und zwar gegen Herrn Lehmann beziehungsweise die CS: Themen der Marktmanipulation (Finma), der Kursmanipulation (Bundesanwaltschaft) und der Verletzung der Ad-hoc-Publizität (Schweizer Börse SIX). Wie gesagt, ob etwas passiert oder nicht, scheint heute völlig offen.
Wie kann die CS nach all den Skandalen wieder Vertrauen gewinnen?
In erster Linie dürfen keine neuen Skandale eintreten. Und die früheren Skandale müssen schnell bereinigt werden, was natürlich nicht ganz billig sein dürfte. Gegen die aktuelle Verfügung der Finma betreffend «Greensill» könnte sich die CS gerichtlich zur Wehr setzen. Dies scheint mir indes aus Gründen eines weiteren Reputationsverlustes höchst unwahrscheinlich.
Der CS wird ein «Prüfbeauftragter» oder eine «Prüfungsbeauftragte» auf der Stufe Geschäftsleitung zur Seite gestellt. Was ist seine oder ihre Aufgabe?
Ein solcher Prüfbeauftragter kommt bei Grossbanken äusserst selten vor. Die Finma wird dessen Pflichtenheft in einer Verfügung festlegen und nicht öffentlich kommunizieren. Vermutlich wird der Prüfbeauftragte seine Aufgabe irgendwo zwischen Coach und Kontrolleur wahrnehmen. Er oder sie hat sicherzustellen, dass die Bank die Vorgaben der Finma im Hinblick etwa auf die verordnete periodische Überprüfung der wichtigsten 500 Geschäftsbeziehungen der CS auf Ebene Geschäftsleitung sicherstellt. Ein Finma-Prüfbeauftragter ist sicherlich nachsichtiger, als es ein Kontrolleur aus den USA wäre.
Welche Massnahmen hat die Bank selbst ergriffen?
Die Details kennen wir hier ebenfalls nicht, weil sich die CS und die Finma insofern etwas schwammig äussern. Aber sicherlich wurden oder werden die mangelhaften CS-internen Prozesse beim Asset Management verbessert, und zwar sowohl personell als auch strukturell, beispielsweise durch mehr Personal, das unabhängig und ohne Interessenkonflikte sein muss.
Gegen vier frühere Mitarbeiter hat die Finma ein Enforcementverfahren eingeleitet. Was ist darunter zu verstehen?
Welche Personen betroffen sind, wurde nicht bekannt gegeben, wohl aus Gründen der Unschuldsvermutung sowie des Persönlichkeitsschutzes. Es geht aber nicht um Strafrecht, sodass also weder Bussen noch Freiheitsstrafen drohen. Bei Enforcementverfahren der Finma geht es darum, ob diese Personen geeignet erscheinen, weiterhin in der Finanzbranche tätig zu sein. Im schlimmsten Fall drohen diesen ehemaligen Angestellten der CS jeweils Berufsverbote bis zu fünf Jahren.
Lukas Hässig, hat die CS noch eine Chance?
Wie es mit der Grossbank Credit Suisse weiter geht – diesen Blick in die Zukunft wagt Journalist und Branchenkenner Lukas Hässig.
09.12.2022
Hinweis: Peter V. Kunz hat die Fragen schriftlich beantwortet.
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