Justizvollzug Angehörige von Inhaftierten werden oft vergessen

kl, sda

25.1.2022 - 19:40

Nach einer Inhaftierung ist auch für die Angehörigen nichts mehr wie zuvor. Die Zürcher Justizdirektion will daher die Angehörigenarbeit verstärken. (Symbolbild)
Nach einer Inhaftierung ist auch für die Angehörigen nichts mehr wie zuvor. Die Zürcher Justizdirektion will daher die Angehörigenarbeit verstärken. (Symbolbild)
Keystone

Wenn Vater, Mutter oder Lebenspartner inhaftiert werden, ist das auch für die Angehörigen ein einschneidendes Ereignis. Die Zürcher Justizdirektion will die Angehörigenarbeit verstärken. In einem Werkstattbericht, der am Dienstag vorgestellt wurde, beleuchten Fachleute unter anderem die Chancen und Risiken.

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Besonders nach der Verhaftung beziehungsweise in der Untersuchungshaft sind die Belastungen und die Unsicherheit für die Angehörigen oft hoch. Es gilt Wohnfragen, Finanzen, Betreuung von Kindern und Haustieren sowie Besuche und Kontaktmöglichkeiten zu klären.

«Für Angehörige ist danach nichts mehr wie zuvor», sagte Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) am Dienstagabend in einem Mediengespräch. Angehörige seien vergessene Opfer der Straftat. Doch die Datenlage und die Forschung zur Angehörigenarbeit sind lückenhaft. So gibt es noch nicht einmal belastbare Daten darüber, wie viele Gefangene eigentlich Kinder haben.

Ehrliche Information besser als Lügengeschichte

Schätzungen gehen davon aus, dass schweizweit von 9000 Kindern ein Elternteil inhaftiert ist. Für den Kanton Zürich wären dies rund 2000 Kinder, so Fehr.

Dabei stellt sich bereits zu Beginn die Frage, wie diese über die Verhaftung und mögliche Delikte des Elternteils informiert werden. Forschungsbefunde legen nahe, dass für Kinder ab dem Kindergartenalter eine ehrliche und offene sowie dem Alter entsprechende Information besser ist als eine Lügengeschichte.

Ein Team von forensischen Psychologinnen und Psychologen unter Leitung von Forschung & Entwicklung (F&E) des Amtes für Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) des Kantons Zürich hat die weltweiten und deutschsprachigen Befunde zur Auswirkung von Inhaftierungen und Angehörigenarbeit nun in einer wissenschaftlichen Publikation zusammengetragen und unter anderem Empfehlungen und Mindeststandards erarbeitet.

Daten systematisch erheben

So sollten Gefängnisse und Justizvollzugsinstitutionen ab Beginn einer Inhaftierung auch die Angehörigen im Fokus haben. Bereits beim Eintrittsgespräch sollte systematisch nach Eltern, Lebenspartnern, Kindern und weiteren Angehörigen gefragt und die Angaben auch statistisch erfasst werden.

Das JuWe unterstützt die Kontakte von Angehörigen mit Inhaftierten und schafft die notwendigen Rahmenbedingungen wie beispielsweise Spielzimmer, um die Kontakte möglichst «normalitätsnah» zu gestalten.

Chancen und Risiken abwägen

Bei allen Kontakten müssen jedoch die Chancen und Risiken gegeneinander abgewogen werden. So sprechen beispielsweise tiefere Rückfallquoten der Täter für einen Kontakt mit ihren Angehörigen. Doch zuerst muss abgeklärt werden, ob die inhaftierte Person ihre Angehörigen nicht etwa durch Manipulation, Drohung oder Aggression belasten könnte. Das Kindswohl steht dabei stets im Vordergrund.

Die Umsetzung der Mindeststandards für Angehörigenarbeit ist ein laufender Prozess. So hat sich bereits deren Erarbeitung ausgewirkt und drei Gefängnisse haben ihre Besuchszeiten erweitert. Angebote und Programme der Angehörigenarbeit sollen fachlich und wissenschaftlich begleitet werden, damit sie den Angehörigen und den Inhaftierten nützen und nicht schaden.