Panikmache? Constantin sieht den Untergang des Profifussballs kommen – was sagen andere dazu?

Patrick Lämmle

2.4.2021

Christian Constantin sieht einen «Tsunami» auf die Profi-Fussballvereine zukommen.
Christian Constantin sieht einen «Tsunami» auf die Profi-Fussballvereine zukommen.
Bild: Keystone

Sion-Boss Christian Constantin sieht den Profifussball in seinen Grundfesten bedroht. «blue Sport» wollte von anderen Super-League-Vertretern wissen, ob sie dessen schlimmsten Befürchtungen teilen.

P. Lämmle

2.4.2021

Sion steckt mitten im Abstiegskampf, die Planung für die kommende Saison, auch mit Blick auf die Kaderplanung, gestaltet sich unter diesen Bedingungen äusserst schwierig. Doch offenbar plagen Constantin derweil ganz andere Sorgen. Auf die schwierige Situation angesprochen meint er im «Blick»: «Das steht derzeit nicht im Vordergrund. Vielmehr beschäftigt mich aktuell die Frage: Gibt es den Profifussball nächste Saison noch?» Er sehe den Tsunami ganz genau kommen – «und wir können nichts machen». Denn aufgrund der fehlenden Planungssicherheit in Zeiten der Corona-Pandemie gestalte sich die Lage doppelt und dreifach schwierig. Insbesondere das Fehlen der Zuschauer wiege schwer und ziehe einen Rattenschwanz nach sich.

«Ich werde mit null Zuschauern pro Quartal fünf Millionen Franken verlieren. Da nützt selbst ein A-fonds-perdu-Beitrag von einer Million kaum etwas», so Constantin. Denn unter diesen Umständen könne er keine Sponsoren mehr akquirieren. «Die Lieferanten von Bier, Wein, Mineralwasser, Käse, Kaffee, unser Grossverteiler sagen alle dasselbe: Sorry, Christian. Aber wenn keine Menschen im Stadion sind, die konsumieren, können wir auch keine Sponsorenverträge eingehen.» Einige sähen sich gar gezwungen, bestehende Verträge aufzulösen, weil er seine Leistungen nicht mehr erbringen könne. «So bricht also der zweite Zweig nach den Zuschauereinnahmen weg», hält «CC» fest. Alleine mit Bundes- und TV-Geldern könne er die Rechnungen schon bald nicht mehr begleichen.

Ist die Zukunft des Profifussballs gefährdet?

Dass so gut wie alle Vereine sowie unzählige Unternehmen unter der Corona-Pandemie leiden, ist kein Geheimnis. Aber ist die Lage wirklich derart dramatisch, wie von Constantin geschildert? «blue Sport» hat bei einigen Vertretern aus der Super League nachgefragt.

«Die fehlende Planungssicherheit verunmöglicht auch uns, verlässliche Budgets für die neue Saison zu erstellen.»

FCZ-Präsident Ancillo Canepa


FCZ-Präsident Ancillo Canepa meint auf Anfrage: «Ich gehe mit ‹CC› selten einig, doch hier liegt er mit seiner Beurteilung nicht ganz falsch.» Denn viele Geschäftspartner würden wirtschaftlich massiv leiden. «Die fehlende Planungssicherheit verunmöglicht auch uns, verlässliche Budgets für die neue Saison zu erstellen. Stand heute werden wir mit einem beträchtlichen Defizit starten müssen. Wie wir dieses Defizit finanzieren sollen, ist im Moment noch völlig offen.» Bis Ende Saison sei die Liquidität beim FCZ allerdings «einigermassen» sichergestellt. «Trotz Lohneinsparungen und Kosteneffizienz können wir die Fortführung aber nur dann sicherstellen, wenn wir endlich wieder ordentliche Einnahmen generieren können.»

Vonseiten des FC Vaduz heisst es, dass die Auswirkungen der Pandemie bei der Akquise von neuen Sponsoren spürbar seien. «Es muss allerdings gesagt werden, dass wir aufgrund des Aufstiegs in die Super League im letzten Sommer einen leichten Zuwachs an Sponsorings verzeichnen durften, was aber sicherlich auch dem sportlichen Erfolg geschuldet war.» Und: «Den kritischen Blick in die Zukunft teilen wir natürlich auch, sollten wir noch länger ohne Zuschauer spielen müssen, da wir nebst den Sponsoren dann auch die Saisonkartenbesitzer bzw. Gönner Stück für Stück verlieren. Auch wir haben bereits zuschauerbedingt Rückzüge von Sponsoren erfahren bzw. solche, die sich eine Verlängerung offen halten, sollte der aktuelle Zustand ohne Zuschauer noch länger andauern.»

«Wir beteiligen uns nicht an solchen Spekulationen.»

David Gadze, Leiter Medien und Kommunikation beim FC St. Gallen


Der FC St. Gallen geht auf Distanz und schreibt in einer Stellungnahme: «Wir beteiligen uns nicht an solchen Spekulationen. Wir sind hoffnungsvoll, dass wir noch in diesem Jahr wieder vor unseren Fans spielen können werden.» Im Wissen, dass dies von verschiedenen Faktoren abhängig sei. Selbst Prognosen für die nächsten drei, vier Wochen, das hätten die letzten Wochen und Monate gezeigt, seien nahezu unmöglich. «Geschweige denn für den Sommer und darüber hinaus. Jetzt schon zu mutmassen, ob in der Saison 2021/22 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen beziehungsweise welche Schutzmassnahmen dann aktuell sein werden, ist weder seriös noch zielführend. Wir haben jedenfalls ein ausgezeichnetes Schutzkonzept, das wir innert kürzester Zeit den jeweiligen Umständen und auf die erlaubte Zuschauerzahl anpassen können.»

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Planungsunsicherheit als grosses Problem

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Fussball-Profivereine, und das gilt nicht nur für Vereine aus der Schweiz, merklich unter der Corona-Pandemie leiden. Das Fehlen der Zuschauer und Zuschauerinnen reisst ein Loch in die Kassen und erschwert gleichzeitig die Suche nach Sponsoren. Je länger die Planungssicherheit fehlt, desto härter wird es die Vereine treffen. Den Profifussball bereits totzuschreiben, kommt aus jetziger Sicht aber verfrüht.

So viel ist klar: An diesem Osterwochenende wird im Profifussball um Punkte gekämpft – und mit «blue Sport» bist du bei vielen Spielen live dabei.  Hier geht es zur Übersicht. Der FC Sion empfängt übrigens am Sonntag (16:00 Uhr) Leader YB.