FCSG – FCZ Mini-Kulisse statt Geisterspiel: Der Unterschied ist gewaltig

Von Tobias Benz

26.6.2020

Ein Spiel der Super League so fast ohne Zuschauer – geht das? «Bluewin» macht den Test und ist beim Spiel FCSG – FCZ vor Ort. Das Fazit: Wie 2. Liga, nur viel besserer Fussball.

Endlich ist es so weit. In der Super League darf wieder Fussball gespielt werden. Für das Spiel FC St. Gallen – FC Zürich mache ich mich auf den Weg in die Ostschweiz, um herauszufinden, wie das eigentlich so läuft ohne Zuschauer. Als Journalist zähle ich zu den wenigen Auserwählten, die dabei sein dürfen. Wobei ganz ohne Fans wird im Kybunpark ja nicht gekickt. Für die Partie gegen den FCZ sind dank der neuesten Lockerungen immerhin 750 Zuschauer zugelassen.

Von diesen ist aber noch nicht viel zu sehen, als ich in St. Gallen aus dem Zug steige. Immerhin ein grün-weisses Trikot kreuzt unter der neuen (unlesbaren) Uhr am Bahnhofsplatz meinen Weg. In den Dreilinden über der Stadt höre ich dann sogar erste Fan-Gesänge. «Hopp San Galle» schallt es immer mal wieder über den Weiher, an dem sich an solch seltenen Sonnentagen die Leute treffen. Dort stosse ich auch auf die ersten FCSG-Anhänger.

Schon viel besser als Geisterspiele: 750 Fans verteilen sich im Stadion. Rechts: Mein Arbeitskollege, Teleclub-Video-Ikone Nikolaus «Vladi» Herzog, bei der Arbeit.
Schon viel besser als Geisterspiele: 750 Fans verteilen sich im Stadion. Rechts: Mein Arbeitskollege, Teleclub-Video-Ikone Nikolaus «Vladi» Herzog, bei der Arbeit.
Bild: Keystone / Teleclub

Nervös seien sie nicht, sagen sie. Zum ersten Mal staune man über Niederlagen, wo man sonst doch immer von Siegen überrascht gewesen sei. Die Stimmung vor dem Spiel gegen Zürich ist gut. Und dennoch: So richtige Fussballatmosphäre kommt nicht auf. Zu viele trauern wohl noch dem Open Air nach, das eigentlich dieses Wochenende hätte stattfinden sollen.

2. Liga interregional oder Super League?

Im Linienbus zum Stadion merke ich trotzdem, dass ich in einer Fussballstadt bin. Fast alle tragen nun grün-weiss und eine Werbung von SAK Mobile verkündet stolz: «Kei Senf». Ich bin definitiv in St. Gallen. Beim Kybunpark angekommen, stehen die Fans in langen Schlangen und warten mit gebührendem Abstand auf den Einlass ins Stadion. 750 Personen – das scheint irgendwie doch eine ganze Menge zu sein. Nachdem ich alle Corona-Fragen auf der Selbsterklärung mit «Nein» angekreuzt habe und mir Zutritt gewährt wird, finde ich heraus, dass es sich auch nicht nach wenig anhört. Als die Spieler aufs Feld laufen wird es plötzlich ganz schön laut im «leeren» Stadion.

750 euphorische Fans in St. Gallen bringen die Stimmung zumindest teilweise zurück

750 euphorische Fans in St. Gallen bringen die Stimmung zumindest teilweise zurück

25.06.2020

So schnell wie der Lärm gekommen ist, verschwindet er aber auch wieder und weil der Schiedsrichter sich beim Anstoss ganz schön viel Zeit lässt, ist bald ein lautes «pfiif mal a» von der halb gefüllten, halb leeren Gegentribüne zu hören.

Irgendwann pfeift er dann auch an und schnell merkt man, dass es ein ganz schöner Unterschied ist, wenn zumindest ein paar Zuschauer das Spiel live miterleben. Die Fans klatschen bei jeder guten Aktion des Heimteams lautstark Beifall und veranstalten sofort ein mürrisches Pfeifkonzert, wenn ein eigener Spieler im Zweikampf etwas zu hart angegangen wird. Fussballstimmung halt – aber irgendwie mehr wie 2. Liga interregional anstatt Super League.

Parteiische Journalisten und fluchende Fussballer

Nach einer furiosen Startphase des FCSG wird das Spiel nach 15 Minuten etwas ruhiger. Bald ist nur noch der italienisch sprechende Teleclub-Kommentator zwei Reihen hinter mir zu hören, der das Spiel beschreibt, als handle es sich um ein Champions-League-Finale des FC Lugano.

Dann klingelt mein Handy. Gefühlte 750 Köpfe drehen sich in meine Richtung und ich schalte sofort in den Flugmodus. Nachdem ich mich ein paar Minuten geschämt habe, fange ich an die Zuschauer zu zählen. Bei 93 unterbricht mich Cedric Itten, der den Ball aus gut 25 Metern per Volley an die Latte ballert. Ein Raunen geht durch das Stadion und ich weiss nicht mehr, wo ich stehen geblieben bin, schätze aber, dass die offizielle Zahl von 750 etwa hinkommen dürfte.



«Brutal, wie die St. Galler spielen», ertönt es etwas später in tiefstem «Züritüütsch» hinter mir auf der Pressetribüne. Just in dem Moment erzielt der FCZ mit der ersten Halbchance den Führungstreffer. Zwei Journalisten brechen in lauten Jubel aus. Gar nicht mal so unparteiisch, diese Sportreporter.

Die Stimmung im Stadion kippt sofort. Nicht nur die Fans sind jetzt sauer, auch der Staff wird aufsässig. Neben mir wird darauf hingewiesen, dass gefälligst drei Sitzplätze zwischen zwei Personen frei gelassen werden müssen. Die ganze Reihe rückt eins nach links.

Nach der Pause übernehmen die Gäste das Spieldiktat. Schon bald liegen sie mit zwei Toren vorne und ernten dafür Bier von der Gegentribüne. «Scheisse», moniert Zeidler an der Seitenlinie, dreht sich dann zu einem der Ersatzspieler vor mir um und sagt: «Jetzt machen wir zwei Wechsel, wenn die drin sind, dann gehst du zum Aufwärmen.» Es sind Momente, die man sonst in einem Spiel der Super League nicht miterlebt. Auch das laute «Filho da Puta» von Zürichs Mimoun Mahi in Richtung Victor Ruiz ist nach einem Foul deutlich zu hören. Inwiefern der Spanier das Portugiesisch des Marokkaners verstanden hat, bleibt ungewiss – ich verzichte an dieser Stelle auf eine Übersetzung.

Peter Zeidler ist sich bessere Auftritte seiner St. Galler Mannschaft gewohnt.
Peter Zeidler ist sich bessere Auftritte seiner St. Galler Mannschaft gewohnt.
Bild: Keystone

Am Ende gewinnt der FC Zürich mit 4:0. Die Heimfans feiern ihre Mannschaft trotzdem, immerhin bleiben sie ja selbst nach dieser Klatsche auf dem Leaderthron. Und auch ich habe ein positives Gefühl. Der Fussball ist zurück. Es ist zwar nicht dasselbe wie vor der Corona-Krise, aber mit 750 Zuschauern lässt sich ein Spiel durchaus geniessen. Der Unterschied zu einem kompletten Geisterspiel ist gewaltig.

Auf dem Weg zum Bus fasse ich mir trotzdem mehrmals an den Kopf. Aber das liegt nicht am Spiel – etwas anderes juckt mich gewaltig. Ich inspiziere meinen Körper und komme zum Schluss, dass es heute wohl deutlich mehr Moskitos als Fans im Stadion hatte.

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