Mann zieht den Hut Auf diese Schweizer Frauen-Nati müssen wir einfach nur stolz sein

Von Patrick Lämmle

31.7.2023

Lenker- und Denkerin im zentralen Mittelfeld: Nati-Captain Lia Wälti.
Lenker- und Denkerin im zentralen Mittelfeld: Nati-Captain Lia Wälti.
Imago

Die Nati zieht an der WM in Australien und Neuseeland als Gruppensieger ins Achtelfinale ein. Das ist nicht selbstverständlich und auch im Hinblick auf die Heim-EM 2025 Gold wert. Alles, was jetzt noch kommt, ist die Kirsche auf der Torte.

Von Patrick Lämmle

31.7.2023

Im neunten Spiel unter Inka Grings spielt die Schweizer Nati zum fünften Mal 0:0, das Torverhältnis in diesen Spielen lautet 7:6. In den drei bisherigen Pflichtspielen ist die Nati unter der deutschen Trainerin noch ungeschlagen, an der WM gibts einen 2:0-Sieg gegen die Philippinen, gefolgt von einem 0:0 gegen Gruppenfavorit Norwegen und zum Abschluss ein torloses Remis gegen Gastgeber Neuseeland, mit dem sich die Schweizerinnen den Gruppensieg sichern.

Zwar ist man als Zuschauer dem Nervenzusammenbruch hin und wieder nah, wenn die Schweizerinnen einen vielversprechenden Angriff nicht sauber zu Ende spielen und es so verpassen, sich selbst zu belohnen. Doch sie belohnen sich eben doch – und zwar mit herausragender Defensivarbeit. Natürlich braucht es hin und wieder ein Quäntchen Glück, wie etwa im Spiel gegen Neuseeland beim Pfostenschuss von Jacqui Hand. Doch wer in neun Spielen sechsmal zu Null spielt, der hat viel mehr als nur Glück.

Die Schweiz überzeugt im Kollektiv, alle haben ihr Ego zu Hause gelassen. Das zeigt sich etwa bei PSG-Star Ramona Bachmann oder Barça-Angreiferin Ana-Maria Crnogorcevic. Die beiden haben schon so viel erreicht in ihrer Karriere und sind Nati-Urgesteine, doch die beiden Angreiferinnen sind sich nicht zu schade, immer und immer wieder den Rückwärtsgang einzulegen und sich fürs Team aufzuopfern, auch wenn darunter ihr Offensivspiel zu leiden scheint. Man kann das für eine Selbstverständlichkeit halten, doch es gibt zig Beispiele, die zeigen, dass es das nicht ist.

Dass alle bereit sind, alles fürs Team zu geben, koste es was es wolle, das ist auch der Verdienst der Trainerin. Sie hat dem Team diese Winnermentalität eingeimpft. Wenn es die von der ehemaligen Weltklassestürmerin trainierten Schweizerinnen jetzt auch noch schaffen, im letzten Drittel eine Schippe draufzulegen, so ist gar der Einzug ins Viertelfinale möglich. Doch eins ist auch klar: Gleichgültig, ob im Achtelfinale der Gegner Spanien oder Japan heisst, die Schweiz geht als klarer Aussenseiter in die Begegnung.

Die Schweizerinnen verdienen mehr

Das hat auch damit zu tun, dass in deren Reihen nur Profis stehen, wo in der Schweiz doch einige Spielerinnen mit dabei sind, die, wenn sie nicht gerade an einer WM spielen, auch noch einer anderen Arbeit nachgehen. Denn in der Schweizer Liga sind wir noch weit davon entfernt, einen Profibetrieb zu haben. Mit Julia Stierli, Nadine Riesen, Seraina Piubel (alle FCZ) und Coumba Sow (Basel) stehen gleich vier Spielerinnen in der Startelf, die in der AXA Women’s Super League spielen, genauso wie Sandrine Mauron (Servette), die für die heisse Schlussphase eingewechselt wurde. Auf der Bank sitzen noch weitere Spielerinnen aus der höchsten Schweizer Liga.

Angesichts dessen ist der Einzug ins Achtelfinale bei einer WM bereits eine gigantische Leistung. Und man kann nur hoffen, dass dieser Erfolg einen weiteren Boom auslöst und die Vorfreude auf die Heim-EM 2025 im ganzen Land befeuert. Denn ob die Spielerinnen fünf km/h langsamer sprinten als die Männer oder den Ball aus dem Stand 20 Meter weniger weit wegschlagen können, das spielt überhaupt keine Rolle.

Fussball lebt von den Emotionen und die sind genau gleich gross wie jene bei den Männern. Auch dürfte es im Prinzip vielen einfacher fallen, sich mit der Frauen-Nati zu identifizieren als mit jener der Männer. Denn die Nati-Spielerinnen leben in einer ähnlichen Welt wie die Zuschauer, selbst die grössten Stars verdienen sich nicht dumm und dämlich und haben schon mit 18 bis ans Lebensende ausgedient.

Und manch einer dürfte sich auch freuen, wenn er sieht, wie das ganze Team die Nationalhymne singt. Etwas, das mir zugegebenermassen völlig egal ist, da ich auch selbst nur mitsumme. Meine «fromme Seele» jubelt dennoch «im Strahlenmeer», wenn die Nati wieder einmal im «Morgenrot» eine Glanzleistung auf den Rasen zaubert. Und das tut sie hoffentlich schon im nächsten Spiel.

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