Marokkos Spieler gehen nach dem WM-Spiel um Platz 3 auf den Schiedsrichter los, Star-Spieler Achraf Hakimi knöpft sich offenbar gar Gianni Infantino vor. Nur Trainer Regragui bewahrt kühlen Kopf.
Der Überraschungsmannschaft des Turniers wird ein versöhnlicher WM-Abschied verwehrt. Im kleinen Final der beiden Halbfinal-Verlierer muss sich Marokko gegen Kroatien mit 1:2 geschlagen geben und verpasst den 3. Schlussrang. Was den stolzen Vertretern des afrikanischen Kontinents ein Sieg und die Bronzemedaille zum Abschluss bedeutet hätte, zeigt sich während und vor allem nach der Partie.
Gleich mehrere Marokkaner stürmen nach dem ertönten Schlusspfiff zu Schiedsrichter Abdulrahman Al Jassim aus Katar und geigen diesem ihre Meinung. Allen voran PSG-Spieler Achraf Hakimi ist kaum zu bremsen und scheint zeitweise kurz davor, den Unparteiischen physisch anzugehen, als sich Marokko-Goalie Bono dazwischenstellt und die Situation entschärft. Vorerst. Wenig später schubst auch Trainer Walid Regragui seine Nummer 2 – wohl zu dessen eigenem Schutz – weg vom Schiedsrichter.
«Sowas habe ich noch nie erlebt»
Doch Hakimi ist nicht zu besänftigen. Wie mehrere Journalisten vor Ort berichten, geht der 24-Jährige im Spielertunnel gar FIFA-Präsident Gianni Infantino an, der sich zu dieser Zeit für die bevorstehende Ehrung Kroatiens in den Katakomben befindet. «Sowas habe ich noch nie erlebt, was sich hier gerade abgespielt hat», berichtet Reporter Thomas Wagner bei MagentaTV. «Hakimi hat den FIFA-Präsidenten mit härtesten Worten angegriffen. Immer wieder fragte er, was das für eine Schiedsrichteransetzung gewesen sei.»
Wiederholt soll der PSG-Verteidiger den Schweizer zudem gefragt haben, ob man nicht wolle, dass Marokko eine Medaille gewinnt. «Er musste von Betreuern in die Kabine eskortiert werden. Ich habe mich gewundert, dass Gianni Infantino das so ruhig über sich ergehen liess», schildert Wagner. Auch der niederländische Journalist Tom Egbers beobachte die Szene und sagt: «Hakimi stand weniger als fünf Zentimeter vor Infantino. Mit lauter Stimme wütete er gegen den Schiedsrichter. Es war schmerzhaft mitanzusehen.»
Das gilt wenig später auch für die Siegerehrung. Als Infantino den Sieger des kleinen Finals ehrt, hallen wie schon während des Spiels «FIFA Mafia»-Rufe durchs Stadion. Auslöser für die wütenden marokkanischen Proteste der Spieler und Fans sind zwei vermeintlich verwehrte Penaltys des international unerfahrenen Schiedsrichters aus dem Gastgeberland.
Hakimi entschuldigt sich: «Nichts ist passiert»
Immerhin: Hakimi soll sich Minuten später doch beruhigt und beim FIFA-Präsidenten entschuldigt haben. «Es ist nichts passiert. Ich war wütend nach der Auseinandersetzung. Also bin ich zu ihm gegangen und habe mich für die Worte entschuldigt, die ich zu ihm gesagt hatte», erklärt er selbst dem marokkanischen Sender Arryadia TV. «Infantino ist mein Freund und ich respektiere ihn sehr. Nichts ist passiert.»
Trainer Walid Regragui sagt an der Pressekonferenz nach der Partie: «Wenn wir ein Spiel verlieren, sind wir immer enttäuscht. Wenn man manchmal etwas überreagiert nach einem Spiel, kann das passieren.» Der 47-Jährige nimmt seine Schützlinge aber auch in die Pflicht. Den Unparteiischen nach einer Partie so anzugehen, sei «nicht der marokkanische Weg».
Der 47-Jährige fügt an: «Wenn wir morgen aufwachen, werde wir realisieren, was wir bei dieser WM grossartiges geleistet haben.» Nicht einmal in eigenem Land habe man vor dem Turnier an seine Mannschaft geglaubt, doch diese habe das Gegenteil bewiesen: «Wir haben gezeigt, dass wir in Afrika hart arbeiten und uns entwickeln. Ich bin sicher, dass eines Tages ein Team aus Afrika die WM gewinnen wird.»