Der grosse Sieg der Schweiz gegen Frankreich, ist auch der grosse Sieg von Granit Xhaka. Er beeindruckt auch in der Pause und nach dem Spiel. Blöd nur, dass er jetzt gesperrt ist.
Es ist schon fast 2 Uhr in der früh in Bukarest, als Granit Xhaka zur Pressekonferenz erscheint. In der Hand hält er einen kleinen Pokal, weil er zum «Man of the Match» gewählt worden ist. Und man könnte diese Geschichte jetzt so schreiben: Über einen Xhaka, wie ihn die Öffentlichkeit kennt. Forsch und frech. Vielleicht auch etwas vorlaut. Auf seine Sperre im Viertelfinal gegen Spanien angesprochen, sagt der 29-Jährige nämlich: «Das gibt ein Super-Spiel für die Mannschaft und danach für mich ein Heimspiel im Halbfinal in London.» Es wäre die Geschichte über den Xhaka mit den lauten Ankündigungen.
Aber nach diesem grandiosen Abend in Bukarest geht es nicht um das oberflächliche Bild des Schweizer Captains. Es geht um Xhakas kleine Geschichten und die weniger lauten Sätze. Da ist zum Beispiel diese Szene kurz nach der entscheidenden Parade von Yann Sommer im Penaltyschiessen gegen Kylian Mbappé. Alle Schweizer rennen dem Torhüter hinterher, in die Ecke zu den Fans. Nicht so Xhaka. Er bremst ab und läuft in die Gegenrichtung – in die Arme von Nationalcoach Vladimir Petkovic. Es ist aus Schweizer Sicht das vielleicht stärkste Bild dieser EM.
Das enge Verhältnis mit Petkovic
Trainer und Captain haben ein enges und vertrautes Verhältnis. Sie stützen sich gegenseitig, machen sich gegenseitig stark. Als Petkovic vor fünf Jahren den damaligen Captain Gökhan Inler ausmusterte, machte er dies auch, um Xhaka im taktischen System in dessen beste Rolle zu bekommen. Und als vor zwei Jahren die anstehende Vertragsverlängerung von Petkovic medial kritisch verhandelt wurde, wurde Xhaka zum Lobbyisten: «Er ist ein super Trainer, der innerhalb der Mannschaft gut ankommt und beliebt ist. Er gibt mir taktisch und mental sehr viel mit, was mir auch im Klub weiterhilft.»
In Bukarest übergab Xhaka den Pokal für den besten Spieler der Partie an Petkovic: «Der ist für Sie!» Später betonte er die Arbeit des Trainers mit bemerkenswerten Worten. «Der Coach hat uns jedes Jahr besser gemacht. In jedem Turnier! Er hat es verdient, dass er nun von uns endlich etwas zurückbekommen hat.» Xhaka war in diesem Moment eben nicht der vorlaute Anführer mit den forschen Statements und den markigen Ankündigungen. Er war der smarte Captain mit dem Gespür für die Zwischentöne und die Sensibilität der Situation.
Verzicht im Sinne der Sache
Ähnlich hatte er sich rund eine Stunde zuvor auf dem Platz verhalten. Als es zur Auswahl der fünf Penaltyschützen ging, stellte sich Xhaka nicht in den Vordergrund – er verzichtete. Nörgler könnten ihm das negativ auslegen und in seinem Verhalten ein Kneifen sehen. Doch offenbar hatten sich mehrere Schweizer freiwillig gemeldet, Xhakas Präsenz als Captain war nicht nötig. «Andere haben sich sicherer gefühlt, und bei mir kamen die Gedanken an das Spiel gegen Polen hoch», erklärte er.
Vor fünf Jahren hatte Xhaka im Penaltyschiessen des EM-Achtelfinals als einziger nicht getroffen – und nachher trotzdem furchtlos angekündigt: «Wenn es beim nächsten Turnier wieder ein Penaltyschiessen gibt, trete ich wieder an.» Nun hat er, über den oft gesagt wird, er erdrücke mit seinem Charakter und seiner Dominanz den Rest des Teams, im Sinne der Sache trotzdem verzichtet. Das war keine Schwäche, sondern eine Stärke. Es war in diesem Moment Xhakas besondere Art, als Captain Leadership zu zeigen.