Cristiano Ronaldo muss seine vielleicht letzte Hoffnung auf den WM-Triumph begraben. Nach Spanien scheitert auch Portugal an Marokko, dem grössten Überraschungsteam in Katar. Während die Nordafrikaner nicht aus dem Feiern kommen, hadern die Portugiesen mit dem Unparteiischen.
Während Superstar Cristiano Ronaldo weinend im Kabinengang verschwand, nahm der ohrenbetäubende Jubel der marokkanischen Fussballfans im Stadion kein Ende. Spieler und Betreuer warfen wie schon nach dem Spanien-Spiel ihren Trainer Walid Regragui in die Luft. Kurz darauf rannten die neuen WM-Helden mit einer Fahne – halb Katar, halb Marokko – zu ihren Anhängern hinter ihrem Tor, das sie zuvor so verbissen verteidigt hatten.
Die Olé-olé-olé-Gesänge schallten laut durchs Stadion, die Traumreise des Aussenseiters geht nach einem 1:0 gegen Portugal weiter. Als erste afrikanische Mannschaft überhaupt ist Marokko dank des Siegtores von Youssef En-Nesyri (42. Minute) ins Halbfinale einer Weltmeisterschaft gestürmt.
«Afrika ist heute wieder auf der Landkarte des Fussballs», sagte Coach Regragui nach Spielschluss. «Wir hatten die Mentalität, haben unser Kapital genutzt. Wir wussten, wir können Geschichte für Afrika schreiben. Ich bin sehr glücklich», erklärte der 47-Jährige. «Wir hatten die richtige Einstellung für unser Volk, für uns, für Afrika. Für uns afrikanischen Trainer ist es immer schwierig. Man glaubt nicht, dass wir mit solchen Mannschaften taktisch umgehen können.»
Mittelfeldspieler Abdelhamid Sabiri ergänzte: «Es ist ein unbeschreibliches Gefühl.» Man schaue weiter von Spiel zu Spiel, «hoffentlich geht's so weiter wie heute.»
Das Team von Trainer Regragui löste mit dem Viertelfinal-Triumph Riesenjubel nicht nur unter den 44 198 meist marokkanischen Zuschauern aus, sondern auch in der afrikanischen und arabischen Welt. Die Marokkaner fordern nun am Mittwoch (20.00 Uhr) den Sieger der Partie zwischen Titelverteidiger Frankreich und Vize-Europameister England.
Portugals Schiri-Ärger
Grosse Enttäuschung herrschte bei den Portugiesen. «In der ersten Halbzeit hatten wir Schwierigkeiten, es hatte lange gedauert, bis wir ins Spiel gekommen sind», erklärte Trainer Fernando Santos. «Die Spieler wollten, aber wir konnten unsere Stärken nicht voll ausspielen, auch wenn wir Torchancen hatten.»
Verteidiger Pepe ärgerte sich über Schiedsrichter Facundo Tello: «Sie kommen in der ersten Halbzeit einmal vor unser Tor und treffen. Jeden unserer Spielzüge haben sie mit Fouls unterbrochen, aber der Schiedsrichter hat kaum eingegriffen.» Die zweite Halbzeit sei ähnlich verlaufen: «Der Torwart verzögert das Spiel, viele kleine Fouls, aber der Schiedsrichter gibt keine Gelbe Karte.» Für Pepe sei es «ist inakzeptabel, dass ein argentinischer Schiedsrichter unser Spiel pfeift. Da können sie den WM-Titel gleich Argentinien geben.»
Auch Mittelfeldspieler Bruno Fernandes kritisierte die Ansetzung: «Ich finde es sehr merkwürdig, dass bei uns ein Schiedsrichter pfeift, dessen Nation noch im Turnier ist», sagte der 28-Jährige. Es sei sehr komisch, dass keine portugiesischen Schiedsrichter für die WM nominiert worden seien, «weil wir Champions-League-Schiedsrichter haben. Und dieser Schiedsrichter pfeift nicht Champions League», sagte der Profi von Manchester United.
Die Portugiesen fühlten sich vom Schiedsrichter benachteiligt. Tello gab bis zur 70. Minute keine Gelbe Karte, in der Schlussphase flog dann der eingewechselte Marokkaner Walid Cheddira nach zwei Gelben Karten innerhalb weniger Minuten vom Platz. «Der Schiri hat nicht gut gepfiffen, vor allem in der zweiten Halbzeit», sagte Pepe.
Trainer Santos wollte die Schuld für das Aus indes nicht beim Unparteiischen suchen. «Schiri? Ich denke das nicht. Er hätte in einigen Situationen Foul pfeifen können, aber allgemein denke ich das nicht. Wir hätten mehr tun können, das haben wir nicht geschafft, dafür sollten wir nicht den Schiedsrichter verantwortlich machen.»