Copa América Brasiliens umstrittener Präsident sonnt sich im Triumph der Seleção

SB10

8.7.2019

Mittendrin statt nur dabei: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro.
Mittendrin statt nur dabei: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro.
Bild: Keystone

Die brasilianische Nationalmannschaft hat zum neunten Mal die Copa América gewonnen. Den Triumph der Seleção nützt Staatspräsident Jair Bolsonaro schamlos für seine iegen Zwecke aus.

Wer die Copa América verfolgte, kam um einen Mann nicht herum: Jair Bolsonaro. Seit Anfang Jahr ist der erzkonservative Politiker der neue starke Mann Brasiliens. Und der 64-Jährige weiss, wie man sich beim Volk beliebt macht. 

Als Gastgeber der Copa América hatte Bolsonaro ein Heimspiel. Er zeigte sich bei praktisch allen Spielen in der Loge. Den verletzten Superstar Neymar besuchte er vor dem Turnier am Krankenbett, der revanchierte sich später mit einer innigen Umarmung vor den Kameras.

Der Moment wurde natürlich auf den sozialen Medien des Staatspräsidenten munter geteilt. Auch Ronaldinho posierte mit dem Mann, den kritische Beobachter vor allem mit frauen- und schwulenfeindlichen sowie rassistischen Äusserungen in Verbindung bringen. Ausserdem ist Bolsonaro ein bekennder Anhänger der Militärdiktatur, welche das Land von 1964 bis 1985 in Geiselhaft hielt.

Verschwörungstheorien machen die Runde

Der grosse Auftritt hatte der Leader vom 200-Millionen-Land im Final gegen Überraschungsfinalist Peru. Der Rechtspopulist verteilte im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro den Medaillensatz. Als er das Spielfeld betrat, wurde Bolsonaro allerdings unter zagem Applaus ebenso mit lautstarken Buhrufen und Pfiffen bedacht. Doch Bolsonaro liess sich davon nicht beirren und umarmte jedes gelbe Leibchen, was ihm auf dem Siegerpodest in die Quere kam. Nach der Pokalübergabe war er mittendrin statt nur dabei und streckte die Trophäe in den Himmel, als hätte er die Seleção höchstpersönlich zum Titel geführt.



Auch beim brisanten Halbfinal zwischen Argentinien und Brasilien betrieb Bolsonaro Propaganda und setzte in der Halbzeitpause gar zu einer Ehrenrunde im Innenraum des Stadions an. Nach der höchst umstrittenen 0:2-Niederlage der Albiceleste – der Schiedsrichter hatte in strittigen Szenen auf den Einsatz des VAR verzichtet – beschwerte sich der argentinische Verband in einem Protestbrief über «die Instrumentalisierung des Spiels für die Zwecke Bolsonaros».

Auch die Fussball-Legende Cafu zeigt sich an der Seite Bolsonaros.
Auch die Fussball-Legende Cafu zeigt sich an der Seite Bolsonaros.
Bild: Keystone

Theoretisch schreibt die FIFA in ihren Statuten tatsächlich eine «politische und religiöse Neutralität» vor, welche «jede Form von politischer Einflussnahme» strikt untersagt. Dieser hehre Vorsatz ist im realen Leben jedoch eher ein Papiertiger. Speziell in Südamerika, wo Fussball im Leben vieler Menschen eine dominierende Rolle spielt, ist die Überlappung von Politik und Sport Alltag. Ein trauriges Paradebeispiel ist die WM 1978 in Argentinien, welche die damalige Militärdiktatur schamlos als PR-Event in eigener Sache missbrauchte.

Immerhin zeigten Argentiniens Weltmeister Trainer César Luis Menotti und einige Spieler damals offen ihren Unmut. Doch die Sambakicker um Dani Alves, Willian, Neymar & Co. zogen es offenbar vor, als Marionetten im traurigen (Politik-)Spiel zu dienen. Dabei ist es längst erwiesen, dass bei sportlichen Erfolgen die Beliebtheitswerte einer Regierung (zumindest kurzfristig) steigen. Dazu braucht es also nicht einmal brav lächelnde Fussballer. Aber es hilft natürlich.

«Er ist unser Präsident. Wir müssen ihn respektieren.»

Brasilien-Captain Dani Alves

Argentiniens Superstar Lionel Messi machte seinem Ärger nach der Halbfinalpleite mit für ihn ungewöhnlich scharfen Worten Luft: «Korruption und die Schiedsrichter lassen die Fans nicht den Fussball geniessen» und beklagte dabei einen grossen Einfluss des brasilianischen Verbandes in der Südamerika-Konföderation CONMEBOL.

Die harte Kritik von Messi als simplen Frustabbau abzutun, ist zumindest aus Sicht von skeptischen Geistern ein grober Fehler. Der Ausrichterverband des Turniers bestätigte gemäss «Welt» inzwischen, dass vor dem umstrittenen Halbfinale der Funkverkehr zwischen Schiedsrichter und Videoschiedsrichter nicht funktionierte. Die Probleme seien aber vor dem Spiel behoben worden. Wie die Zeitung «Globo Esporte» berichtet, soll das Sicherheitsteam Bolsonaros für die Störung verantwortlich gewesen sein. CONMEBOL bestreitet das.

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