Das Formel-1-Team Red Bull treibt das Projekt mit der eigenen Motoren-Abteilung nach dem verkündeten Ausstieg von Partner Honda voran. Bei der Personalsuche werben sie auch Fachleute von Mercedes ab.
Ein halbes Dutzend Angestellte, die gegenwärtig noch für die Equipe von Mercedes tätig sind, haben die Chefs von Red Bull von den ambitiösen (und kostspieligen) Plänen mit der neu gegründeten Firma Red Bull Powertrains Limited bisher überzeugen können. Zu den Überläufern gehört Ben Hodgkinson. Der bei Mercedes für die Entwicklung im Bereich Mechanik verantwortliche Engländer wechselt als Technischer Direktor die Fronten.
Das Abwerben von Technikern verleiht dem Duell zwischen den Roten Bullen und dem jahrelangen Krösus um die Vormachtstellung in der Formel 1 eine weitere besondere Note. Wie sehr der Nebenschauplatz den Titelkampf beeinflussen wird, ist nicht absehbar. Bei Mercedes haben sie bis jetzt zumindest nach offizieller Lesart mit Gelassenheit auf den bevorstehenden Abgang von ausgewiesenen Fachkräften reagiert.
200 bis 300 neue Stellen
«Leute kommen, Leute gehen», sagt Toto Wolff, der Teamchef von Mercedes. «In England gibt es nicht so viele Unternehmen, bei denen sie sich bedienen können. Sagen wir es so: Ich verstehe, was Christian (Horner, Teamchef von Red Bull) da macht. Er baut von Grund auf etwas Neues auf. Da muss man manchmal eben auch einen grossen Scheck ausstellen.» Dass der finanzielle Aspekt bei den Verpflichtungen eine Rolle spielt, steht ausser Frage.
Neben der Beschaffung des Personals, dessen Bestand nach ersten Einschätzungen zwischen 200 und 300 Stellen umfassen wird, steht die Errichtung der Infrastruktur im Zentrum. Die neuen Werkhallen werden auf dem Gelände des Hauptquartiers von Red Bull in Milton Keynes, rund 80 Kilometer nordwestlich von London, gebaut.
Der Plan mit der eigenen Motorenabteilung sieht zwei hauptsächliche Schritte vor. In den kommenden drei Jahren bilden die aktuellen Honda-Aggregate die Basis. Der erwartete Entscheid der für die technischen Belange zuständigen Formel-1-Kommission, die Weiterentwicklung der Antriebe für die nächsten drei Saisons zu unterbinden, kommt dem Ansinnen selbstredend entgegen. Zudem stellt Partner Honda nach seinem Rückzug am Ende der laufenden Weltmeisterschaft zur Unterstützung weiterhin Mitarbeiter zur Verfügung.
Mit oder ohne Hersteller?
Auf die Saison 2025 hin, wenn das neue Antriebs-Reglement in Kraft tritt, wollen sie bei Red Bull, so sieht es die zweite Stufe des Plans vor, die Aggregate in Eigenregie bauen. Die ehrgeizige Vorgabe beruht unter anderem auf dem Fakt, dass sich die zukünftige Motoren-Generation nicht grundlegend von den aktuellen Einheiten unterscheiden wird – neues Hybrid-Konzept hin, neuer Kraftstoff her.
Die Frage, ob das neue Unternehmen von Red Bull seinen Weg in vollständiger Unabhängigkeit gehen oder sich mit einem am Einstieg in die Formel 1 interessierten Automobil-Hersteller zusammenschliessen wird, hat zur Zeit keine Dringlichkeit. Als Variante wird sie aber auf jeden Fall ins Auge gefasst. «Wenn ein geeigneter Partner auftaucht, wäre es natürlich sinnvoll, diese Möglichkeit zu prüfen», sagt Horner.
Zur Zeit aber haben der Neubau in Milton Keynes und die Verpflichtung von Mitarbeitenden absolute Priorität – das Abwerben weiterer Fachleute von Mercedes nicht ausgeschlossen.