Die Tennisprofis müssen noch lange warten, bis sie mit ihrem Sport wieder Geld verdienen. Die Erkenntnis reift, dass es Hilfe braucht, um einen Kahlschlag zu verhindern. Die Frage ist: von wem?
Wer hat, dem wird gegeben. Die Tennisspieler Frankreichs, Grossbritanniens und der USA, die auch in normalen Zeiten auf eine sehr grosszügige Unterstützung zählen können, dürfen auch diesmal auf ihren nationalen Verband zählen. Jeweils mehrere Dutzend Millionen sprachen diese im Rahmen eines Corona-Hilfspakets für Spieler, Coaches, Tennislehrer, Klubs und Sportanlagen. Sie können es sich leisten, dank der Millionen, welche die Grand-Slam-Turniere jedes Jahr an Gewinn abwerfen.
Von einem solchen Geldsegen kann Swiss Tennis nur träumen. Der Präsident René Stammbach winkt ab. «Leider können wir nicht allen unseren Spielerinnen und Spielern helfen, die von dieser Pandemie betroffen sind», erklärt er gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Auch der Schweizer Verband rechnet mit Mindereinnahmen. Je länger nicht gespielt werden kann, desto grösser werden sie. «An die Konsequenzen, falls die ganze Saison ausfallen würde, wage ich gar nicht zu denken», sagt er nachdenklich.
Immerhin ist Swiss Tennis finanziell solide aufgestellt. Für manche Spieler, die nicht zu den Topverdienern gehören, wird die Krise hingegen schon bald einmal existenzbedrohend. Stefanie Vögele (WTA 109), Viktorija Golubic (WTA 123) oder Henri Laaksonen (ATP 137), die alle im letzten Jahr zumindest teilweise den Top 100 angehörten, verdienten 2019 zwischen rund 250'000 bis 440'000 Dollar Preisgeld. Trotz hoher Steuerabgaben vor Ort, Reisekosten und dem Lohn für Coach oder Physiotherapeut lässt sich davon leben und ab und zu auch ein wenig etwas für schlechtere Zeiten wie jetzt auf die Seite legen. Als Selbständigerwerbende dürften sie auch zumindest einen Teil ihres Einnahmenausfalls aktuell über die Erwerbsersatzentschädigung geltend machen.
Gedanken über Zukunft als Profi
Schlechter sieht es für die dritte Kategorie von Tennisspielern aus. Der Schweizer Davis-Cup-Spieler Sandro Ehrat, Nummer 393 der Welt, sagte gegenüber dem Fernsehen SRF: «Ich bange derzeit um meine Profikarriere. Die Situation macht mir natürlich ein wenig Angst. Ich habe auch noch eine Familie.» Natürlich mache er sich Gedanken, wie und ob es weitergehe, gab der 29-jährige Vater eines Sohns zu. Der Schaffhauser stellt sich aber auf den Standpunkt, dass die Topstars ihnen nichts schuldig seien. Die Neuenburgerin Conny Perrin, WTA-Nummer 255 und aktuell in Kalifornien von einer Ausgangssperre betroffen, erklärte gegenüber Keystone-SDA hingegen: «Ich hoffe, dass die Diskussionen zu Verbesserungen für alle Circuits führt. ATP (Männer), WTA (Frauen) und ITF (Turniere der unteren Kategorien).»
Das Coronavirus verschärft eine Krise, die bereits seit Langem latent schwelt. An der Spitze werden Millionen verdient, doch bereits ab etwa Rang 200 der Weltrangliste kämpfen die Tennisspieler ums Überleben, selbst in normalen Zeiten. Der französische Starcoach (unter anderen von Serena Williams) Patrick Mouratoglou weist darauf hin, dass der Tennissport nicht nur von seinen Stars lebe. Man müsse auch an die Spieler hinter den Top 100 denken. Er stellt sich eine Art Mindestlohn vor. Und die Georgierin Sofia Shapatava, Nummer 371 der Welt und im letzten Jahr mit einem Preisgeld von gut 15'000 Dollar, verlangt in einer Online-Petition finanzielle Unterstützung durch die Verbände. Immerhin seien auch andere Einkünfte wie Trainerstunden, Interclub-Meisterschaften oder Preisgeld-Turniere ausserhalb der WTA versiegt.
Hilfsplan der Topverdiener
Zumindest bei den Männern scheint erste Hilfe in der Pipeline. Verschiedene Medien berichteten am Samstag von einem Plan, den der ATP-Spielerrat unter der Führung von Präsident Novak Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal entworfen hat. Er sieht einen Hilfsfonds vor, den die Spieler der Top 100 (plus die Top 20 im Doppel) äufnen sollen. Die Beiträge lägen zwischen 30'000 (Top 5) und 5000 Dollar (Doppel und Platz 51 bis 100). Die vier Grand-Slam-Turniere sollen jeweils eine halbe Million beisteuern, von den ATP Finals Ende Jahr möchten sie die Hälfte des Preisgelds in den Fonds fliessen lassen. Insgesamt gäbe das einen Topf von mehr als vier Millionen Dollar.
Ziel sei es, den Spielern auf den Weltranglistenplätzen 250 bis 700 je 10'000 Dollar zukommen zu lassen, um die aktuelle Krise zu überbrücken. «Wir glauben, dass wir uns zusammenschliessen müssen, um diesen Spielern zu helfen», zitierte die französische Sportzeitung «L'Equipe» aus dem Brief von Djokovic. «Viele von ihnen denken darüber nach, das Tennis zu verlassen, weil sie finanziell nicht überleben können.»
Hilfe anderer Art könnte es von Swiss Tennis geben. «Wenn man wieder spielen darf, werden wir uns bemühen, mehrere Turniere für die besten Spielerinnen und Spieler der Schweiz zu organisieren», verrät Alessandro Greco, Leiter Spitzensport. «Vielleicht mit, vielleicht ohne Zuschauer. Aber sie werden Lust haben, wettkampfmässig zu spielen, bevor es auf der Profitour wieder los geht.» Ob das noch in diesem Jahr sind wird, wagt Greco nicht zu prophezeien. Trotz Hilfe, die Zeit wird für das Gros der Tennisprofis nicht einfacher.