Rückblick 2020 Rückblick 2020: Der Sport wankte, aber er fiel nicht – sechs Glanzlichter des Jahres

sda / wer

23.12.2020

Sportjahr 2020: Trotz Corona gab es auch Gründe, sich zu freuen.
Sportjahr 2020: Trotz Corona gab es auch Gründe, sich zu freuen.
Bild: Keystone

Es hätte das Sportjahr der Superlative werden sollen: Fussball-EM, Olympia, zudem Eishockey- und Rad-WM in der Schweiz. Aber 2020 wurde das Jahr, in dem die Pandemie den Sport in den Grundfesten erschütterte. Dennoch gibt es Lichtblicke, auf die wir gerne zurückblicken.

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Skination Nr. 1

Mitte März stand es fest: Erstmals seit 1989 war die Schweiz vor Österreich wieder Ski-Nation Nummer 1. Gefeiert wurde nicht gross, denn der Triumph fiel mit dem Saisonabbruch zusammen. Verbandspräsident Urs Lehmann stellte aber stolz fest, dass «noch 10 oder 20 Rennen mehr hätten sein können, das Resultat wäre gleich geblieben. Wir verfügen im Moment über das stärkste Team – Punkt!» Der Schweizer Umschwung von 3500 Punkten Rückstand (2019) zum ungefährdeten Sieg (2020) war eng mit einem Namen verbunden: Corinne Suter! Im ersten Winter nach der Ära von Lindsey Vonn wurde Suter die Königin unter den Speed-Fahrerinnen. Sie holte ihre ersten Siege und gewann die Kristallkugeln in Super-G und Abfahrt – wie vor ihr in den letzten Jahren nur Vonn.

Corinne Suter: Die Schnellste bei den Frauen.
Corinne Suter: Die Schnellste bei den Frauen.
Bild: Keystone
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Das jurassische Volksfest

Ein Zehntel aller Jurassier pilgerte am 2. Februar nach Lausanne, um Ajoie im Cupfinal gegen Davos zum Sieg zu singen. Die mehr als 7'000 Jurassier veranstalteten rund um die Malley-Halle ein Volksfest, wie man es sonst vom FC Sion im Fussball kennt. Dem HC Ajoie gelang es auf wundersame Weise, den Geist und die Energie des Juras für einen Sonntag in 40 Cars 140 Kilometer westwärts nach Lausanne zu transportieren. Sogar die eigenen Saucissons wurden verkauft. Der Aussenseiter spielte sich in einen Rausch, führte dank eines unwiderstehlichen Powerplays früh 4:0 und siegte mit 7:3. Rekordmeister Davos kassierte zum zweiten Mal nach 2018 gegen einen Unterklassigen (damals die Lakers) eine empfindliche Finalniederlage.

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Das Spiel des Jahres

Es war die letzte Runde vor dem Shutdown und das letzte grosse Sport-Spektakel: 23. Februar, St. Gallen – Young Boys 3:3, 19'024 Zuschauer im Kybunpark, ausverkauft! So defensiv, vorsichtig und unterlegen wie in St. Gallen nach der Pause waren die Young Boys in der Super League seit Jahren nicht mehr. Die Abwehrschlacht ging nicht auf. St. Gallen gelang das 2:2 und zu Beginn der Nachspielzeit das 3:2. Die Ostschweizer hatten eine Begegnung gedreht, in der sie schon nach einer Viertelstunde 3:0 hätten führen können. YB wankte, YB fiel, und YB stand wieder auf. Dank viel VAR-Trubel gelang den Bernern in St. Gallen im letzten Moment durch Guillaume Hoarau und einen im zweiten Anlauf verwandelten Penalty noch das 3:3.

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Der Shootingstar

Marc Hirschi (22), wie Fabian Cancellara aus Ittigen BE, erlebte nach der Coronavirus-Pause einen kometenhaften Aufstieg: Brillante Tour de France mit einem Etappensieg in Sarran, dann WM-Bronze, Sieg bei der Flèche Wallonne und Platz 2 bei Lüttich-Bastogne-Lüttich. Sogar Hirschi selber «hätte nie gedacht, dass ich so fahren kann». Mit dem Blick zurück auf seine Saison sprach Hirschi vom Traum, der wahr wurde: «Wenn ich jetzt überlege, was ich alles in so kurzer Zeit erreicht habe, dann wäre das auch für eine ganze Karriere bereits gut.» Hirschi hofft, noch lange vorne mitfahren zu können. Seine Grundausdauer sollte mit zunehmendem Alter automatisch besser werden. Hirschi: «In den nächsten zwei Jahren werde ich sicher nicht in einer Grand Tour auf das Gesamtklassement fahren. Ambitionen auf die grossen Rundfahrten schliesse ich aber nicht aus. Wer weiss schon, was in fünf Jahren sein wird?»

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Die Jugend

Der einzige Sport-Grossanlass in der Schweiz, der stattfand, geriet zum «Riesenerfolg». Das sagte nicht irgendwer, sondern Thomas Bach, der Präsident des IOC. Die Youth Olympic Games in Lausanne zeigten, wie die Redimensionierung der Winterspiele aussehen könnte: Das Engadin wurde einbezogen und nordische Wettbewerbe nach Frankreich ausgelagert. Kein Bau war nutzlos. Die jungen Sportler waren mit dem ÖV unterwegs. In St. Moritz fand das Eisschnelllaufen unter freiem Himmel statt. Vieles wurde getestet, auch wenn nicht anzunehmen ist, dass künftig an Winterspielen in der Sonne und im Gegenwind «eisschnellgelaufen» wird. So viel Romantik hat im Hochleistungssport dann doch keinen Platz mehr. Zum Riesenerfolg der Spiele trug der Schweizer Nachwuchs mit 24 Medaillen seinen Teil bei.

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Das Wunder

Als Juniorin wurde sie zweimal Schweizer Meisterin im Florett-Fechten. Mit dem Fechten hörte sie auf, weil «ich etwa 36 Mal am Stück gewann und mich das nicht mehr forderte». Sie versuchte sich sogar im Skispringen, der Sportart ihres Vaters (Gérard Balanche). In Einsiedeln bezwang sie die 40-m-Schanze. Mit dem Eishockey-Nationalteam der Frauen schaffte es Camille Balanche nach China an die WM und nach Vancouver an Olympische Winterspiele (als Pikett). Das Kapitel Eishockey endete, als es ihr an der Uni in Montreal nicht mehr gefiel. Später wechselte Balanche zum Volleyball – und erst mit 27 aufs Mountainbike. Am 11. Oktober wurde Camille Balanche in Leogang sensationell Downhill-Weltmeisterin – bei garstigsten Verhältnissen. Balanche: «Von dieser Goldmedaille träumte ich nicht mal.»

Multitalent: Camille Balanche.
Multitalent: Camille Balanche.
Bild: Keystone
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