Als Simone Niggli-Luder am 31. Juli 2001 im finnischen Tampere ihr erstes WM-Gold gewinnt, nimmt noch kaum jemand Notiz. Das ändert sich allerdings zwei Jahre später
Als Beste ihres Fachs aller Zeiten machte die Bernerin in der Folge den Orientierungslauf in der Schweiz als Profisport salonfähig.
Für den Sieg in Tampere – erstmals wurde eine Schweizerin Weltmeisterin in der Königsdisziplin Langdistanz – musste die damals 23-jährige Biologie-Studentin alles geben. 500 m vor dem Ziel betrug der Rückstand auf die Finnin Marika Mikkola noch zehn Sekunden – im Ziel waren es drei Sekunden Vorsprung. «Als die Zuschauer anfingen zu schreien, wusste ich, dass es um Sekunden ging», sagte sie damals gegenüber der Nachrichtenagentur Sportinformation.
Zwei Jahre später wurden ihre Siege nicht mehr als Randnotiz auf den Sportseiten abgetan, sondern bildeten quasi einen Fixpunkt in der Hauptausgabe der «Tagesschau» im Schweizer Fernsehen. Die Heim-Weltmeisterschaften 2003 in Rapperswil-Jona boten der Sportlerin eine Bühne, die sie in ungeahnte Höhen katapultierte. Wenige Wochen, nachdem Roger Federer sein erstes Grand-Slam-Turnier gewonnen hatte, holte Simone Luder, so hiess sie damals mit Mädchenname, gleich zum Grand Slam aus. Sie gewann bei vier Starts vier Goldmedaillen: Im Sprint, in der Mitteldistanz, in der Langdistanz, mit der Staffel. Zusammen mit Federer nahm sie auch die Trophäe bei den Sport Awards entgegen.
Simone Niggli-Luder läutete ein goldenes Schweizer Zeitalter im Orientierungslauf ein, das bis heute anhält. Die Bernerin trug dazu bis zu ihrem Rücktritt im Herbst 2013 23 WM-Goldmedaillen und 9 Overall-Siege im Gesamtweltcup bei. Dabei kam ihr gelegen, dass ab 2003 die Weltmeisterschaften im Einjahres-Rhythmus ausgetragen wurden. 2005 in Japan gewann sie erneut alle vier Goldmedaillen, bei zwei weiteren Titelkämpfen waren es deren drei.
Die Schweiz ist eine Weltmacht im OL
Die Schweiz geniesst seit fast zwei Jahrzehnten im OL-Sport den Nummer-1-Status und verdrängte die Skandinavier von der Spitze. Simone Niggli trug dazu nicht bloss mit ihren Medaillen bei. Swiss Orienteering hatte schon zuvor punktuell sehr gut gearbeitet. Simone Niggli-Luder, aufgewachsen in einer OL-Familie in Burgdorf, war also kein Zufallsprodukt, sie fiel auf fruchtbaren Boden. Aber sie ebnete einer Männer-Generation den Weg, um auf Profitum zu setzen und dem Sport Priorität einzuräumen.
Die Schweiz begann, auch getrieben von den Erfolgen von Niggli-Luder, ihre Vorteile auszuspielen. Die kurzen Wege hierzulande gereichen zum Vorteil gegenüber den skandinavischen Ländern, in denen der OL einen höheren Stellenwert geniesst. Dank der geringen Distanzen wurde das regionale Denken über Bord geworfen und schon im Junioren-Alter in nationalen Kadern trainiert. Dieser Vergleich mit den Besten im Junioren-Altern fehlt den Skandinaviern oft. Zudem profitiert die Schweiz von einer grossen Variabilität im Gelände. Mittelland, Voralpin, Hochalpin, Jura, Tessin – auf diese Vielfalt können andere Nationen nicht zurückgreifen. Auch stellen sich die Schweizer Läufer regelmässig der Konkurrenz und schliessen sich Klubs im Norden an, laufen als Söldner in deren Staffeln. Umgekehrt klappt dies nicht. Das hat allerdings einen weniger rühmlichen Grund. Während auf nationaler Stufe Weltniveau herrscht, sind die Schweizer Klubs im Vergleich zum Ausland noch auf bescheidenem Niveau.
Mit 23 WM-Gold-, zwei Silber- und sechs Bronzemedaillen trat die dreifache Schweizer Sportlerin des Jahres und Mutter von drei Kindern im Herbst 2013 als Nummer 1 ab. Sie bewies danach an nationalen Läufen, dass sie auch mit weniger Training für WM-Medaillen-tauglich wäre. Aber gegen ein Comeback blieb Niggli-Luder resistent.