Sieben Jahre nach ihrem Rücktritt nimmt Simone Niggli an einem Mehrtage-OL teil – und rennt die aktuelle Elite in Grund und Boden. Die gute Nachricht für die Konkurrenz: Niggli hegt keine Comeback-Pläne.
Auch im Orientierungslauf ist der Terminkalender in Zeiten der Corona-Pandemie nur dünn belegt, zahlreiche Anlässe müssen abgeblasen werden. Für Matthias Niggli und Kilian Imhof ist das Grund genug, kurzerhand «La Chasse Neutrass» ins Leben zu rufen.
Der Mehrtage-OL in der Schweiz, der besonders auf das Elitekader ausgerichtet ist, setzt sich aus insgesamt fünf Läufen zusammen. Während die ersten drei Rennen bereits am vorletzten Wochenende im Engadin über die Bühne gingen, sind nun auch die beiden letzten Etappen in den Berner Voralpen absolviert worden. Und bei den Frauen gab es eine Siegerin, die es so eigentlich nicht geben dürfte: Simone Niggli.
Die 23-fache (!) Weltmeisterin war jahrelang das Schweizer OL-Aushängeschild und brach in ihrer Karriere einen Rekord nach dem anderen. Vor sieben Jahren zog die Überfliegerin dann einen Schlussstrich und trat aus der Nationalmannschaft zurück. Von ihrer Form scheint sie seither aber nicht viel eingebüsst zu haben.
Niggli distanziert Konkurrenz um sieben Minuten und mehr
Mit einer Machtdemonstration entscheidet die 42-Jährige die Gesamtwertung gegen die versammelte Elite für sich. Niggli gewinnt alle drei Waldetappen, in der Endabrechnung distanziert sie die Konkurrenz um siebeneinhalb Minuten und mehr – bei einer Gesamtlaufzeit von weniger als drei Stunden.
Nigglis Auftritt hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Die 20 Jahre jüngere Gesamtdritte Simona Aebersold, die letztes Jahr an der WM mit zwei Medaillen zum Shootingstar avancierte, schwärmt: «Wie sie OL macht, ist nach wie vor ein Massstab: keine Fehler und mit enormem Zug durch die Wälder, wie steil und dicht diese auch sind.» Niggli selbst sagt dem «Tagesanzeiger» bescheiden: «Die drei Waldrennen sind mir vorzüglich geglückt. Gerade das ruppige, steile Gelände mit den Bächen und den Tälern im Gurnigelwald machte mir enorm Spass.» In jener Etappe holte die Dominatorin beinahe drei Viertel ihres gesamten Vorsprungs heraus.
Für ein Jahr nach Schweden
Neben der technischen Versiertheit und der Erfahrung erklärt Niggli ihre Machtdemonstration vor allem mit der komplikationsfreien Vorbereitungsphase. «Nach zwei Jahren mit einigen Überlastungen konnte ich jetzt länger gesund trainieren», gesteht Niggli. Ein Comeback peile sie aber nicht an: «Das geniesse ich für mich.»
Eine Rückkehr in die OL-Nationalmannschaft wäre nicht zuletzt auch mit den beruflichen und familiären Plänen der dreifachen Mutter nur schwierig zu vereinbaren. Denn in zweieinhalb Wochen zieht Familie Niggli für ein Jahr nach Schweden – und erfüllt sich damit einen Traum.