Wankender Tech-Gigant Steht das Facebook-Imperium vor dem Untergang?

Von Dirk Jacquemien

5.10.2021

Die bröckelnde Facebook-Fassade lässt sich nicht mehr verstecken.
Die bröckelnde Facebook-Fassade lässt sich nicht mehr verstecken.
Getty Images

Ein sechsstündiger Ausfall von Facebook, Instagram und WhatsApp blamiert den Tech-Giganten. Doch diese technische Störung zu beheben war noch vergleichsweise einfach, Facebooks wahre Probleme sitzen viel tiefer.

Von Dirk Jacquemien

5.10.2021

Ab kurz vor 18 Uhr Schweizer Zeit ging gestern nichts mehr bei Facebook, Instagram und WhatsApp. Die Facebook-Seite liess sich nicht mehr aufrufen, Instagram-Fotos konnten nicht mehr gelikt werden und über WhatsApp liessen sich keine Gute-Nacht-Nachrichten mehr verschicken.

Ursache war laut Facebook eine Fehlkonfiguration der eigenen Netzwerk-Infrastruktur, nicht etwa ein Cyberangriff. Dadurch wurde allerdings das Unternehmen auch intern lahmgelegt. Facebook-Mitarbeiter*innen, die zu den Serverräumen geschickt wurden, um dort die Systeme manuell wieder zum Laufen zu bringen, kamen zunächst gar nicht durch die Türen, da auch ihre Zugangskarten nicht mehr funktionierten. Kurz vor Mitternacht ging dann das Licht wieder an im Imperium von CEO Mark Zuckerberg.



Schadenfreude auf Twitter

Der gestrige, sechsstündige Ausfall aller Plattformen war peinlich für den Tech-Koloss. Entsprechend waren die ersten Reaktionen vor allem von Schadenfreude geprägt. Auf Twitter, das zwischenzeitlich allerdings auch ein bisschen mit der Überlastung zu kämpfen hatte, hatte fast jede/r eine Meinung.

Twitter-Chef Jack Dorsey konnte es sich beispielsweise nicht verkneifen zu fragen, wie teuer denn die Adresse Facebook.com sei, als diese während des Ausfalls kurz versehentlich zum Kauf angeboten wurde.

Andere konnten dem Facebook-Ausfall allerdings auch positive Seiten abgewinnen. In Bezug auf Facebooks führende Rolle bei der Verbreitung von Desinformationen zu Corona und Impfungen schlug Comedy-Autorin Katie Rife vor, die Plattform doch so lange abgeschaltet zu lassen, bis die Herdenimmunität erreicht sei.

Zerschlagung Facebooks gefordert

Doch die Tatsache, dass ein technisches Problem bei einem einzelnen Unternehmen die Kommunikation von Milliarden Menschen weltweit stören kann, führte auch zu erneuten kritischen Betrachtungen von Facebooks Marktmacht.



In vielen Schwellenländern hat vor allem WhatsApp einen noch integraleren Platz in der Kommunikation als hierzulande. Zahlreiche Kleinunternehmen in Indien oder Lateinamerika kommunizieren mit ihren Kund*innen fast ausschliesslich über WhatsApp und Facebook — ihr Geschäft brach kurzzeitig zusammen. Für die linke US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez war der Ausfall nur ein weiterer Beweis dafür, dass Facebook viel zu gross geworden ist und zerschlagen gehört.

Facebook-Whistleblowerin wird heute aussagen

Der Ausfall kommt zu einer ungünstigen Zeit, denn das skandalerfahrene Facebook erlebt gerade wieder eine besonders schlechte Woche. Am Sonntagabend outete sich im US-Fernsehen zur Primetime eine Whistleblowerin, die schwerste Vorwürfe gegen die Unternehmensführung erhob.

Die ehemalige Facebook-Produktmanagerin Frances Haugen berichtete, dass Facebook das eigene Wachstum über alles stelle, auch wenn dies negative Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Nutzer*innen oder den Zusammenhalt in der Gesellschaft habe. Sie war auch die Quelle für eine Reihe von Enthüllungsberichten im «Wall Street Journal», das vergangenen Monat anhand interner Facebook-Dokumente beschrieb, dass Facebook von zahlreichen Problemen wusste und sie ignorierte.

Heute, ab 16 Uhr Schweizer Zeit, wird Haugen dann vor einem Ausschuss des US-Senats aussagen, und ihre Vorwürfe noch mal in einem formellen Rahmen wiederholen. «Die Führung des Unternehmen weiss, wie man Facebook und Instagram sicherer machen könnte. Sie tut es nicht, weil sie ihre immensen Profite vor [das Wohl] der Menschen stellt», so Haugen in ihrer Stellungnahme vor dem Ausschuss, die vorab veröffentlicht wurde.



Der Zenit wurde schon überschritten

Noch vor dem Ausfall erschien gestern in der «New York Times» ein Essay, der die These postulierte, dass Facebook eigentlich alle Anzeichen für ein Unternehmen aufweise, das sich auf dem absteigenden Ast befindet. Das Hauptproblem des Unternehmens ist laut Autor Kevin Roose, dass es einfach nicht mehr die Nutzer*innen anzieht, die es haben möchte.

Junge, kultivierte und für Werbetreibende attraktive Nutzer*innen wenden sich ab, nicht nur von Facebook selbst, sondern auch von Instagram. Stattdessen tummeln sich auf den Facebook-Plattformen eher Personen im gediegenen Alter, die gegen Corona-Impfstoffe agitieren und in ihrer Freizeit das US-Kapitol stürmen, um es mal etwas überspitzt zu formulieren.

Diese fatale Entwicklung der Nutzer*innen-Demografie sei laut Roose verantwortlich für immer verzweifeltere Bestrebungen des Unternehmens, junge Menschen anzuziehen. Dazu gehören die Pläne für ein «Instagram for Kids», die erst nach massiver Kritik vonseiten des US-Kongresses auf Eis gelegt wurden.

Abschreiben sollte man Facebook aber noch lange nicht, der Aktienkurs ist trotz aller Skandale schliesslich in den vergangenen Jahre immer weiter gestiegen. Und ein Imperium kann schliesslich gerade auf dem Weg in seinen Untergang noch besonders grossen Schaden anrichten.