«The Apprentice» Einen so guten Film verdient Donald Trump nicht

Von Gianluca Izzo, Cannes

23.5.2024

Jeremy Strong und Sebastian Stan beleuchten in «The Apprentice» das Leben von Donald Trump.
Jeremy Strong und Sebastian Stan beleuchten in «The Apprentice» das Leben von Donald Trump.
Cannes

In seinem biografischen Drama «The Apprentice» erzählt der iranisch-dänische Regisseur Ali Abbasi aus dem Leben des aufstrebenden Donald Trump in den 70er- und 80er-Jahren – simpel, aber spannend inszeniert.

Von Gianluca Izzo, Cannes

23.5.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • «The Apprentice» von Ali Abbasi beleuchtet Donald Trumps Aufstieg in der Geschäftswelt und konzentriert sich auf seine rücksichtslose Ausbildung unter Mentor Ray Cohn.
  • Der Film verwendet einen nostalgischen visuellen Stil, der an Kriminaldramen der 70er Jahre erinnert, und zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Trump-Darstellung von Sebastian Stan aus.
  • Trotz der Meinung einiger Zuschauer, dass der Film zu einfach gestrickt sei, zeigt er effektiv Trumps Verwandlung und Erfolg und hebt seine kontroversen Eigenschaften und Beziehungen hervor.

Einen Film über den wohl umstrittensten, kontroversesten und fragwürdigsten US-Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte zu drehen, hört sich wahrlich nicht nach einem einfachen Unterfangen an.

Umso mehr Aufmerksamkeit dürfte der Film generieren, weil Donald Trump aktuell wieder permanent für Schlagzeilen sorgt. Doch der mutige iranisch-dänische Regisseur Ali Abbasi ist dieses Risiko eingegangen und hat damit bereits im Vorfeld für viel Diskussionsstoff gesorgt.

Was für ein Film soll das werden? Eine Satire? Ein Propagandafilm? Eine Abrechnung für die zahlreichen menschenverachtenden Aussagen des Donald Trump?

Zum Autor: Gianluca Izzo
blue News

Gianluca Izzo berichtet direkt vor Ort über das Cannes Film Festival 2024. Er besuchte in vergangenen Jahren regelmässig die renommierten Festivals von Cannes, Venedig und Berlin und war selbst mehrere Jahre in der Filmindustrie tätig. Heute arbeitet er für blue Entertainment in der Programmplanung.

Tatsächlich ist «The Apprentice» nichts von alledem. Wie der Titel bereits andeutet, handelt der Film von Donald Trumps Werdegang und rasantem Aufstieg in der Geschäftswelt und erzählt seine Geschichte, ohne viel zu werten oder zu verurteilen. Zu Beginn wird ausserdem angemerkt, dass sich für die Umsetzung der Erzählung künstlerische Freiheiten genommen wurden – was insbesondere in der Schlussphase offensichtlich wird.

Abbasi beherrscht es, spannungsvolle Thriller zu inszenieren, was er zuletzt mit «Holy Spider» formidabel bewiesen hat. «The Apprentice» erinnert mit seiner Erzählweise und seiner Atmosphäre an Filme wie «Wall Street», klassische Gangsterdramen oder Copthriller aus den 70er-Jahren. Dies wird auch visuell sehr schön umgesetzt – im schmalen 4:3-Bildformat und mit körnigen, farblich eher blassen Bildern, die einen nostalgischen Effekt erzeugen. Zudem wird der Film von coolen Discohits und Klassikern der 70er oder 80er Popmusik untermalen.

Noch ein grösseres Monster

Im Fokus der Geschichte steht Trumps Ausbildung zum rücksichtslosen «Killer» in der Geschäftswelt und das Verhältnis zu seinem Mentor, dem skrupellosen Anwalt Ray Cohn. Jeremy Strong spielt diese Figur grandios, mit eiskaltem Blick, schlagfertigen Sprüchen und einem Gangsterslang, der sich anhört wie bei den italo-amerikanischen Mafiosi.

Cohn lehrt Trump die wichtigsten drei Regeln fürs Überleben im Haifischbecken: 1) Attackieren. Attackieren. Attackieren. 2) Nichts zugeben. Alles abstreiten. 3) Den Sieg beanspruchen und niemals eine Niederlage eingestehen. Trump setzt diese Leitsätze so gut um, dass er zum noch grösseren Monster als Cohn selbst wird.

Und Erfolg bescheren sie ihm mehr als erwartet. Es gelingt ihm, das superluxuriöse, riesengrosse Hotel «The Commodore» sowie den «Trump Tower» in New York zu errichten und sich von jeglichen Steuerzahlungen für die Gebäude an die Stadt zu befreien. Je erfolgreicher Trump in der Geschäftswelt wird, desto ausgeprägter kommen seine egozentrischen, skrupellosen Eigenschaften zum Vorschein und desto unmenschlicher wird sein Verhalten.

Dies äussert sich auch in der Beziehung zu seiner Ehefrau Ivana (Maria Bakalova). Die Kennenlern-Phase der beiden zu Beginn des Films hat auf alle Fälle ihren Charme, auch wenn sie etwas gar viel Kitsch enthält. Im Verlauf der Geschichte, entfremdet er sich komplett von ihr und wird ihr gegenüber auf übelste Weise ausfällig. Erst der Tod seines Bruders Fred lässt wieder einen Funken Menschlichkeit in Donald aufblitzen.

Goldiges Haar, oranges Gesicht

Neben Bakalova, welche die Rolle der Ivana Trump mit kecker Art, Stolz und Scharfsinn stark spielt, gebührt das grösste Lob dem Hauptdarsteller. Sebastian Stan ist verblüffend gut als Donald Trump, sowohl in seiner Sprechweise als auch in Gestik und Mimik.

Gar seinen Mund bewegt er exakt, wie es Trump macht. Optisch passt zudem die goldig angehauchte Matte auf dem Kopf, die im Verlaufe des Films immer goldiger wird, während das Gesicht zunehmend an oranger Farbe gewinnt. Einen dummen Spruch von Ivana hinsichtlich dieser Entwicklung kann sich Abbasi nicht verkneifen.

Auch wenn «The Apprentice» manchen Zuschauern zu «einfach gestrickt» daherkommen dürfte als Film über einen der meist polarisierenden Unternehmer und Politiker aller Zeiten, ist Ali Abbasi doch ein überraschend gutes Biopic gelungen.


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