Interview Glamour-Grosi Rita Moreno: «Marlon Brando war die Lust meines Lebens»

von Marlène von Arx, Hollywood-Kolumnistin

13.6.2018

Die 86-jährige Oscar-Preisträgerin Rita Moreno über ihre Netflix-Sitcom «One Day at a Time», wie sie Marlon Brando mit Elvis Presley eifersüchtig machte und wie sie ihr Hirn trainiert, um geistig und körperlich fit zu bleiben.

«Bluewin»: Sie spielen die Grossmutter Lydia in der Netflix-Sitcom «One Day at a Time», die Latino-Adaption einer Familienserie aus den 70er-Jahren. Was haben Sie mit der kubanischen TV-Oma gemein?

Rita Moreno: Recht viel. Sie ist zwar erst 77, und ich bin 86. Ich habe eine Bedingung gestellt, bevor ich die Rolle übernahm: Ich wollte, dass sie ein sexuelles Wesen ist. Nur weil man 77 oder 86 ist, heisst es ja nicht, dass in der unteren Körperhälfte alles Wüste ist. Aber ich freue mich auch auf den Tag, an dem Latinas auch mal für anderes gelobt werden als ihren Körper. Das langweilt doch. Mich jedenfalls, Männer aber wohl nicht (lacht)

Die Bilder zu «One Day at a Time»

Sie haben ja «interessante» Erfahrungen mit Männern gemacht - waren Sie doch mit Marlon Brando und Elvis Presley zusammen …

Es gab zwei Könige in meinem Leben: Marlon Brando war die grosse Lust meines Lebens, und mein Mann (der Kardiologe Dr. Lenny Gordon, mit dem sie 45 Jahre bis zu seinem Tod 2010 verheiratet war, Anm. d. Red.) war meine grosse Liebe. Und ja, da war noch Elvis … Ich war acht Jahre mit Marlon zusammen. Es war eine sehr turbulente Beziehung. Ich war sehr naiv. Ich fand bei Marlon einmal fremde Frauen-Unterwäsche. Ich ging mit gebrochenem Herzen weinend nach Hause. Am nächsten Tag rief mich Colonel Parker an: Er betreue Elvis Presley. Elvis hätte mich in der Kantine bei 20th Century Fox gesehen, und was er gesehen hätte, habe ihm gefallen. Ob ich ihn treffen wollte. Da sagte ich sofort zu, denn ich wollte Marlon eifersüchtig machen.

Und: Hats geklappt?

Ja. Obwohl es damals noch keine sozialen Medien gab, waren wir in aller Munde. Jede Klatsch-Kolumne schrieb über uns. Natürlich bekam auch Marlon Wind davon. Er wurde furchtbar wütend. So wütend, er warf Stühle durch die Gegend. Es war wunderbar! (lacht)

Acht Jahre lang waren Rita Moreno und Marlon Brando zusammen - es war eine turbulente Beziehung, erklärt die Schauspielerin im Interview mit «Bluewin».
Acht Jahre lang waren Rita Moreno und Marlon Brando zusammen - es war eine turbulente Beziehung, erklärt die Schauspielerin im Interview mit «Bluewin».
Keystone

Sie haben einen tollen Sinn für Humor. Woher kommt der?

Den habe ich nach Marlon Brando gefunden. Mit ihm gab es ja nichts zu lachen. Mein Mann hatte einen tollen Sinn für Humor. Humor ist so wichtig bei einem Mann für mich. Deshalb fand ich ja auch Mel Brooks immer so sexy. Die jüdischen Männer - meiner war auch einer - haben einfach dieses gewisse Etwas. Wenn sie etwas verbrochen haben, können sie sich meistens mit Humor herauswinden. Ich finde das sexy, weil es bedeutet, dass sie sich gut um einen kümmern können. Ich kann aber auch über mich selbst lachen. Zu Hause rede ich mit mir selber, erzähle mir lustige Sachen und lache dann auch darüber. Sie sollten mich mal am Morgen sehen: Meine Haare stehen zu Berg wie ein Hahnenkamm. Da kann man nur lachen.

Sie wurden als Anita im Musical «West Side Story» weltberühmt. Was halten Sie davon, dass Steven Spielberg das Musical modernisiert neu verfilmen will?

Spielberg ist einer meiner Lieblings-Regisseure, aber ich bin schon sehr nervös. Wann haben Sie zum letzten Mal ein gutes Remake gesehen? Ich nehme an, sie nehmen die steifen Dialoge raus, die damals schon veraltet waren. Aber was heisst «modernisiert»? Werden die Songs nun Rap-Songs? Wie macht man dieses Musical zeitgemäss, ohne Wesentliches zu verändern? Meine Vorstellungskraft reicht da nicht aus.

Sie gewannen für den Film den Oscar als Beste Nebendarstellerin. Sie trugen bei der diesjährigen Oscar-Verleihung das gleiche Kleid wie bei der Verleihung von 1962. Wie kam das?

Ich dachte, dass das auffallen würde, aber ich hatte keine Ahnung, wie sehr. Ich irre mich vielleicht, aber ich bin vermutlich die einzige in Hollywood, die ihre Kleider selber kauft. Ich leihe mir nichts bei Designern aus. Nicht, dass ich stolz darauf bin. Es hat einfach nie geklappt. Ich habe mal einen Designer angerufen. Da sagte man mir am Telefon etwas schnöde, er sei busy. Dann lasst es halt bleiben! Zum Jubiläum der Oscars passte dieses 56 Jahre alte Kleid, das noch im Kasten hing. Wieso sollte ich also ein neues kaufen? Wir änderten einfach das Top.

Wer hat Sie eigentlich ursprünglich entdeckt?

Ich habe mit vier, fünf Jahren jeweils meinem Opa, meinem Abuelito, etwas vorgetanzt. Er fand das süss, und ich habe schnell gemerkt, dass mir die Aufmerksamkeit sehr gut gefiel. Als wir dann nach New York zogen, ging ich in eine Tanzschule und führte eines Tages eine Kastagnetten-Nummer auf, die ein Talent-Scout von MGM sah. Er meinte, ich hätte eine Zukunft beim Film. Er gab meiner Mutter seine Karte und sagte, er würde sich melden. Er hielt Wort und erkundigte sich ab und zu nach mir. Eines Tages rief er an, dass Louis B. Mayer in die Stadt käme. Ich putze mich heraus und schminkte mich wie mein Idol Elizabeth Taylor. Mayer sagte prompt, ich sähe aus, wie die spanische Elizabeth Taylor! Anyway, er nahm mich unter Vertrag. Mein ganzes Leben habe ich als Performerin gearbeitet, ich musste nie kellnern oder als Sekretärin nebenbei Geld verdienen.

Sie wurden in Puerto Rico geboren. Die Insel wurde letztes Jahr durch Hurrikane schwer verwüstet. Wie beurteilen Sie die Unterstützung durch die amerikanischen Regierung? Puerto Rico gehört ja zum amerikanischen Hoheitsgebiet.

Mein Heimatort ist platt gewalzt, und unser amerikanischer Präsident hat die kleine Insel, die nun langsam zur Bananenrepublik wird, wirklich im Stich gelassen. Er sagte, Hurrikan Katrina, das sei eine wahre Katastrophe gewesen. Ich habe noch nie so etwas Beleidigendes gehört. Ich versuche zu helfen, wo ich kann. Mit Broadway-Star Lin-Manuel Miranda haben wir Lastwagen mit Notwendigem für Altersheime gefüllt und hingebracht - Sachen wie Zahnbürsten und Tücher, aber auch Solar-Lampen und Wasser-Filter, die man von Hand antreiben kann, damit man nicht von der Elektrizität abhängig ist.

Man darf Sie sicher zu den rüstigsten 86-Jährigen zählen. Wie halten Sie sich im Schuss?

86 ist wunderbar - aber doof, wenn man sich an Sachen erinnern sollte. Wie halte ich mich fit? Ich turne und bin auch sonst aktiv. Obwohl ich Rechtshänderin bin, schreibe ich mit der linken Hand, das kurbelt das Hirn an. Aus dem gleichen Grund gehe ich auch rückwärts, wo es sicher ist. Ich rate beim Fernseh-Quiz mit. Das hilft alles. Und die Einstellung ist auch wichtig. Ich bin so dankbar, dass ich mit 86 immer noch hier bin. Ich erwache mit einem Trällern auf den Lippen und der Erwartung, dass es ein guter Tag wird. Und wie Sie sehen, mag ich ein Glas Wein. Es macht mich locker - als wenn ich das nötig hätte! (nimmt einen Schluck aus dem Glas Weisswein, das sie am Anfang des Interviews bestellte)

Sie denken also nicht daran, in den Ruhestand zu treten?

Oh nein, ich mache, was ich am liebsten mache und werde noch bezahlt dafür. Ich sehe mich bald auf Rollschuhen auf der Bühne! Ich bin im dritten Akt meines Lebens und weiss nicht, wieviel Zeit ich noch habe, aber momentan habe ich so viel Spass, mir passiert so viel Gutes. Und jedes Mal, wenn ich einen dieser Lebenswerk-Preise bekomme, denke ich an das kleine Mädchen zurück, das in Puerto Rico mit den Fröschen spielte. Wäre hätte gedacht, dass sie es soweit bringen würde!

Persönlich
Rita Moreno wurde 1931 in Puerto Rico geboren und wuchs in New York auf. Schon als Teenager tanzte sie am Broadway. Später wurde sie von Hollywood als «Exotin» in Musicals wie «Singing in the Rain» und «The King and I» engagiert. Für ihre Rolle in «West Side Story» erhielt sie einen Oscar - sie war die erste Person, die einen Oscar, einen Emmy, einen Tony und einen Grammy gewann. In den letzten 60 Jahren hat sie in unzähligen Film- und Fernseh-Produktionen mitgewirkt und ist derzeit in der Netflix-Familien-Sitcom «One Day at a Time» zu sehen.

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