Krimi-Check Schwarze Magie und Hokuspokus: So war der «verfluchte Tatort»

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29.9.2019

Die Stuttgarter Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) ermittelten in der Okkultisten-Szene. Ist es wirklich so, dass böswillige Zauberer ausserhalb des Gesetzes agieren?

So viel vorweg: Mit den letzten, oft herausragenden Stuttgarter «Tatort»-Folgen konnte der Magier-Fall «Hüter der Schwelle» nicht mithalten. Zuviel Hokuspokus, zu wenig stimmige Psychologie und ausgefeiltes Erzählen dominierten die jüngste Aufgabe der Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare). Dabei war der Grundkonflikt des Krimis durchaus interessant: Wie geht das Gesetz mit Taten von Magiern wie Schadensflüchen um, über die in Gesetzbüchern nichts geschrieben steht?

Worum ging es?

Die Leiche eines jungen Mannes wurde mit seltsamen, an Ritualmorde erinnernden Verletzungen auf einem Hochplateau vor Stuttgart gefunden. Der Tote hiess Marcel Richter, Student der Geschichte. Ein Junge aus wohlhabendem Hause, der sich sehr für das Okkulte interessierte. So wie auch die seltsame, schöne Studentin Diana Jäger (Saskia Rosendahl), die ab der ersten Begegnung mit Bootz bei diesem berührungsfreie Sexfantasien auslöst. Die Spur führte Lannert und Bootz zum Gelehrten Emil Luxinger (André M. Hennicke), der sich selbst als Magier bezeichnet. Der Verstorbene, das gibt Luxinger zu, habe ihm etwas gestohlen. Deshalb belegte er ihn mit einem Schadenszauber. Der ist allerdings nach dem Gesetz nicht strafbar, da Zauberei keinen Einzug in deutsche Gesetzbücher fand.

Worum ging es wirklich?

«Hüter der Schwelle» begleitete über 90 Minuten zwei Kommissare von dieser Welt, die sich in einer anderen, für sie fremden zurechtfinden müssen. Kann es wirklich sein, dass Luxinger und Student Richter eine alte Fehde austrugen? Einen Streit um Dinge, die das diesseitige Denken kaum erfassen kann? Lannert und Bootz schlichen durch okkulte Wohnungen und besuchten heimlich Versammlungen der Magier. Am Ende fand der Krimi jedoch nur zu einer Aussage: Wer Schlimmes glaubt, der leidet fürchterlich – selbst wenn die vermutete Erkenntnis dahinter falsch ist. So können auch abstruse Überzeugungen zum Tode durch die eigene Hand führen. Eine ziemlich diesseitige Erkenntnis, die eine – zugegeben schwierige – Auflösung dieses Magier-«Tatorts» zu einer ziemlich öden machte.

Was ist überhaupt Okkultismus?

Das Wort okkult kommt aus dem Lateinischen und bedeutet verborgen. Es gehört zur Natur des Menschen, eine Erklärung für Dinge finden zu wollen, die nicht oder nur schwer zu verstehen sind. Der Glaube an magische Phänomene vereinfacht dabei vieles. Fachleute wie Sektenbeauftragte unterscheiden dabei gern drei Phänomene: Magie, Aberglaube und Spiritismus. Bei der Magie geht es um den Wunsch von (meist sehr jungen) Menschen, sich Kräfte zur Verfügung zu machen. Harry Potter, aber auch der Superhelden-Boom stellen eine harmlose Variante dar. Als Aberglaube bezeichnet man – rein logisch falsche – Zusammenhänge zwischen in keiner Beziehung stehenden Ereignissen: Tarot, Astrologie und Wahrsagerei agieren auf diesem Feld. Spiritismus beschreibt den Glauben an die Existenz von jenseitigen Wesen wie Geistern, zu denen man mithilfe von Praktiken wie Gläserrücken oder Pendeln Kontakt aufnehmen kann.

Wie verbreitet ist Okkultismus?

Wer Okkultismus als verschärfte oder spezialisierte Variante des Esoterischen begreift, liegt laut sozialwissenschaftlicher Studien nicht ganz falsch. Vor allem Pubertierende, aber auch Menschen in der Midlife Crisis und Ältere fühlen sich in einer überrationalisierten Zeit, in der zudem Religion eine immer geringere Rolle spielt, zum Übersinnlichen und Magischen hingezogen. Laut einer repräsentativen Studie von 2012 ist immerhin mehr als die Hälfte der deutschen Nachbarn aufgeschlossen gegenüber Anthroposophie und Theosophie. Jeder vierte Befragte ist sogar offen gegenüber Wunder- und Geistheilern, erstaunliche 40 Prozent äussern Sympathie für Astrologie oder New Age.

Wann wird Okkultismus gefährlich?

Im Gegensatz zum «Tatort» machen sich Sektenbeauftragte und Psychologen wenige Sorgen um smarte Studenten oder alternde Gelehrte, die dem Okkulten zusprechen, sondern um Jugendliche. Beim Gläserrücken, dessen Effekt auf einem kollektiven Gruppenwunsch basiert, war fast jeder 14-Jährige schon mal dabei, schreibt beispielsweise die «Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V.».

Aber kein Grund zur Sorge! Gefährlich wird es erst, wenn der Glaube an magische Zusammenhänge den Alltag des Kindes oder des Jugendlichen bestimmt. Okkulte Praktiken bieten alleingelassenen, orientierungslosen und verzweifelten Jugendlichen schnelle Antworten, die überdies von angeblich übernatürlichen, wirkmächtigen Wesen kommen. Vom Gesetz können okkulte Praktiken jedoch nur dann verfolgt werden, wenn es dabei zu Gesetzesverstössen kommt. Wenn jemand glaubt, er sei verflucht, und sich deshalb das Leben nimmt, kann man einen Magier, der dieses Denken gefördert hat, nicht verurteilen.

Kann man jemanden juristisch belangen, der einen anderen verflucht?

Der juristische Berater des SWR-Krimis erläutert auf Nachfrage zumindest die Haltung deutscher Gesetzgebung zu Fällen wie diesem: «Eine Straftat per Fluch kann man dem selbst ernannten Magier nicht anlasten, selbst wenn das gewünschte Ergebnis eingetreten ist, also der Tod von Marcel Richter. Strafbar könnte es allerdings sein, wenn sein Einfluss auf Richter und seine Steuerung über ein Verfluchen hinaus dermassen gross war, dass er ihn in den Selbstmord getrieben hat. Dann wäre er Täter einer Tötung.» Dafür gibt es zwei berühmte Urteile des deutschen Bundesgerichtshofs, der Katzenkopf- und Sirius-Fall. In beiden Fällen wurde jeweils der Aberglauben einer dritten Person ausgenutzt, um sie zu einem Verbrechen zu bewegen.

Wie geht es weiter beim Stuttgarter «Tatort»?

Die nächste Folge «Stadt in Angst» ist bereits fertig und erzählt von einem Heckenschützen, der Stuttgart in Angst und Schrecken versetzt. Das Drehbuch schrieb Wolfgang Stauch, der auch die grandiose Stuttgarter Folge «Anne und der Tod» verfasste. Regie führte Friederike Jehn («Draussen ist Sommer»). Noch in diesem Herbst entsteht der übernächste Fall von Lannert und Bootz, der den Arbeitstitel «Der Welten Lohn» trägt. Regie wird Gerd Schneider («Verfehlung») führen, das Buch stammt von Boris Denulat.

Der «Tatort: Hüter der Schwelle» lief am Sonntag, 29. September, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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