Mit dem Spielfilm «Schwesterlein» von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond ist die Schweiz erstmals seit acht Jahren wieder im Wettbewerb der Berlinale vertreten.
Vor acht Jahren war es «Sister» von Ursula Meier, jetzt «Schwesterlein (My Little Sister)«, wiederum aus der Romandie, wiederum mit weiblicher Regie und wiederum produziert von Ruth Waldburger. Das Festival steht zwar erst in der Mitte, aber «Schwesterlein» gehört schon jetzt zu den überzeugendsten Beiträgen im Wettbewerb.
Der Film, entstanden nach einem Originaldrehbuch der beiden Regisseurinnen, ist angesiedelt zwischen der Schaubühne in Berlin und einer Privatschule in Leysin VD. Mit den beiden deutschen Schauspielgrössen Nina Hoss und Lars Eidinger als Zwillinge sowie dem Schweizer Hollywoodstar Marthe Keller als ihre Mutter ist der Film prominent besetzt.
Wie die Regisseurinnen in Berlin erklärten, trägt ihr zweiter Spielfilm – nach dem mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichneten «La petite chambre» (2010) – autobiographische Züge. Chuat und Reymond sind von klein auf eng wie Geschwister befreundet, beide sind auch Theaterschauspielerinnen und beide haben eine starke Bindung zu Berlin.
Lisa (Nina Hoss) ist Theaterautorin, ihr Zwillingsbruder Sven (Lars Eidinger) ein Star an der Berliner Schaubühne. Lisa lebt mit ihrer Familie in Leysin, wo ihr Mann ein Internat leitet. Als Sven an Krebs erkrankt, nimmt ihn Lisa mit in die Schweiz, wo sie sich in der guten Bergluft Besserung erhofft.
Das führt zu Konflikten mit Lisas Ehemann, der sich zurückgedrängt fühlt – und Sven wird bald klar, dass er keine weitere Therapie will: Der sterbende Bruder gibt der sich der finalen Realität lange verschliessenden Schwester die Kraft, wieder zu schreiben.
Die Schaubühne, eines der herausragenden Theater im deutschsprachigen Raum, ist Kulisse und Realität zugleich: Nicht nur wurde vor Ort gedreht, Hoss und Eidinger sind beide Stars im Ensemble, und Intendant Thomas Ostermeier spielt sich im Film gleich selber.
Trotzdem wollte keine deutsche Filmförderung den Film unterstützen, wie die Produzentin in Berlin erklärte. «Schwesterlein» ist darum grossenteils in der Schweiz entstanden. Gedreht wurde vor Ort in den Waadtländer Alpen sowie in Lausanne.
«Mare» im Panorama
Am späten Sonntagabend ist auch der Film «Mare» von Andrea Štaka, der in der Sektion Panorama läuft, an der Berlinale zur Uraufführung gekommen. Fast als Kammerspiel zeigt die Luzernerin den Alltag einer fünfköpfigen kroatischen Familie, die in bescheidenen Verhältnissen am Flughafen von Dubrovnik lebt.
Langsam, mit der Kamera immer nahe bei den Protagonisten, tastet sich der Film an seine Geschichte heran. Die Mutter, Mare, versucht es allen recht zu machen: den Kindern, die sie immerzu beanspruchen, ihrem Mann, der ab und zu Sex will.
Sie selber ist zwar eine Powerfrau, aber unzufrieden mit ihrem Alltag. Als ein junger Vorarbeiter ins Dorf kommt, zögert Mare nicht lange und beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit ihm. Die Katastrophe, in die Mares Seitensprung die Familie führt, lässt der Film nur erahnen.
«Mare» lebt ganz von der kroatischen Hauptdarstellerin Marija Škaričić, welche schon in Štakas beiden bisherigen Filmen «Das Fräulein» (2006) und «Cure – The Life of Another» (2014) zu sehen war.
Verfasser: Beat Glur, Keystone-SDA
«Schwesterlein»: Kinostart Deutschschweiz am 23.4.20
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