50:50-Initiative SRF will weiblicher werden

tali

11.7.2019

«10vor10»-Moderatorin Susanne Wille ist eher die Ausnahme als die Regel: Frauen kommen im SRF-Programm bisher seltener zu Wort als Männer. Das soll sich ändern.
«10vor10»-Moderatorin Susanne Wille ist eher die Ausnahme als die Regel: Frauen kommen im SRF-Programm bisher seltener zu Wort als Männer. Das soll sich ändern.
SRF

Überfällige Qualitätsoffensive oder «linker Firlefanz»? Die jüngsten Pläne des SRF werden heiss diskutiert: Der Sender will Frauen mehr Redezeit einräumen.

Damit, dass sein Vorstoss nicht auf uneingeschränkte Akzeptanz stossen würde, hatte Tristan Brenn vermutlich gerechnet. Umso ausführlicher legt der SRF-TV-Chefredaktor in seinem Editorial im senderinternen Newsletter dar, warum das Programm der Sender weiblicher werden muss.

«Mehr Frauen in den Medien ist nicht eine Frage der Gleichberechtigung, sondern der journalistischen Qualität», erklärt er in dem Schreiben, in dem ein neues Senderziel angekündigt wird. Frauen sollen im Programm zukünftig genauso häufig vertreten sein wie Männer.

Als Vorbild nennt Brenn die «50:50»-Initiative der BBC, über die BBC-Worldwide-Moderator Ros Atkins vor wenigen Wochen in Athen referierte. «Was Atkins zu erzählen hatte, war verblüffend», erinnert sich der SRF-Mann. «Als er vor eineinhalb Jahren seine Idee lancierte, kamen in nur gerade 27 Prozent aller Sendungen der BBC mindestens die Hälfte aller Wortmeldungen von Frauen.»

Männeranteil im SRF bei bis zu 94 Prozent

Im SRF-Programm sieht es derzeit kaum besser aus: Bei einer ersten internen Analyse musste Brenn feststellen, «dass der Männeranteil je nach Sendung zwischen 60 und 94 Prozent beträgt. Es gibt also Handlungsbedarf.»

Die BBC setzte damals an, ihr Frauenproblem mit einer freiwilligen 50:50-Quote zu lösen. «Redaktionen, die nicht überzeugt waren vom Projekt, wurden nicht dazu gezwungen, mitzumachen. Dass heute dennoch fast 500 Teams innerhalb der BBC Teil der 50:50-Initiative sind, hat mit den frühen guten Resultaten zu tun. Der Erfolg der Pioniere war ansteckend.» Mittlerweile hätten 74 Prozent der BBC-Sendungen eine ausgeglichene Geschlechterverteilung.

Tristan Brenn macht sich für einen höheren Frauenanteil im SRF-Programm stark.
Tristan Brenn macht sich für einen höheren Frauenanteil im SRF-Programm stark.
Keystone

SVP schimpft über SRF-Pläne

Davon, dass die überhaupt erstrebenswert ist, ist nicht jeder überzeugt: «Dieses Weibergelaver ist zum Kotzen!», kommentiert bei Twitter ein Herr aus Villmergen Brenns Vorstoss, «Anstelle von Qualität also Quote», schimpft ein Twitterer aus Thurgau.

Claudio Zanetti nennt den 50:50-Plan in «20 Minuten» «linken Firlefanz»: «Genauso gut könnte man verlangen, dass Blondinen und Brünette, Junge und Alte angemessen repräsentiert sind.» Man solle sich auf Inhalte konzentrieren und den kompetentesten Experten befragen, egal ob das nun Mann oder Frau sei, verlangt der Politiker, der für die SVP im Nationalrat sitzt – die Partei mit einem der niedrigsten Frauenanteile überhaupt.

SVP-Nationalrat Claudio Zanetti hält nicht viel von den SRF-Plänen.
SVP-Nationalrat Claudio Zanetti hält nicht viel von den SRF-Plänen.
Keystone

Männliche Experten, männliche Sichtweisen

Nur scheint die «kompetenteste Experten»-Lösung in der Praxis bisher nicht so gut zu funktionieren: «Die wirkliche Expertin einer Studie ist die, die sie verfasst hat. Nicht der CEO oder Amtsvorsteher, für den sie arbeitet», stellt Brenn fest. Oft wird dann aber doch eben jenem – männlichen – CEO der Vorzug gegeben.

«Wer immer nur Männer befragt, weil diese in der Mehrheit an der Spitze von Unternehmen oder Regierungen stehen, verengt den öffentlichen Diskurs und lässt Perspektiven, Meinungen und Expertisen verarmen», argumentiert Brenn. Darum gehe bei der Initiative «nicht nur um Gleichberechtigung und noch weniger darum, Frauen einen Gefallen zu tun», sondern vor allem um die journalistische Qualität.

Kein einfaches Unterfangen

Wie bei der BBC basiere das Projekt auf Freiwilligkeit und befinde sich noch in den Kinderschuhen, erklärt SRF-Sprecher Andrea Di Meo in «20 Minuten». Dass man sich am Leutschenbach anstrengen muss, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, ist man sich bewusst: «Es entspricht der Realität, dass es oft schwierig ist, weibliche Gäste oder Expertinnen für Sendungen zu gewinnen», räumt Di Meo ein. Doch man sei überzeugt, dass ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis innerhalb der SRF-Sendungen die Qualität steigern wird.

«10vor10»-Moderatorin Susanne Wille begrüsst die Massnahme des SRF jedenfalls: «Hier bewegt sich was in Sachen Frauenförderung und Gleichstellung», freut sie sich via Twitter.

Bilder aus der Schweiz
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