Sonntagskrimi im Check «Tatort» ohne Täter – wo gibt's denn so was?

tsch

26.12.2018

Hat Franz Kafka am Drehbuch mitgeschrieben? Die Frankfurter Kommissare verzweifelten in einer nachtgrauen Farce an einer rätselhaften Parallelwelt.

Nichts zu machen für die diesmal überforderten Frankfurter Kommissare Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch). Im nachtgrauen «Tatort: Der Turm» zerschellten ihre Ermittlungsbemühungen an der Betonfront eines hermetisch abgeriegelten Bürokomplexes. Ein interessanter Film, aber auch ein seltsam ausgewähltes Weihnachts-Spezial der ARD-Krimireihe. Was wollten uns die Filmemacher sagen?

Worum ging's?

Um den Mord an einer Escort-Lady, der offenbar eine aus dem Ruder gelaufene Sex-Party in einem Frankfurter Firmenhochhaus zum Verhängnis geworden ist. Nur mit Slip bekleidet, wurde die aus einfachen Verhältnissen stammende junge Frau aus einem der oberen Stockwerke geworfen. Was hinter den Beton- und Fensterfronten jenes gesichtslosen Büroturms vor sich ging und geht, war dann aber überraschend schwer zu ermitteln.

Worum ging's wirklich?

Um ein Gefühl von Verlorensein in einer Welt der klandestinen Finanz-Konsortien und wild verzweigten Subunternehmen. Kommissarin Janneke war schon nach wenigen Filmminuten mit Schädel-Hirn-Trauma ausgeknockt. Der auf sich gestellte Analog-Ermittler Paul Brix rannte ein ums andere Mal vor verschlossene Türen. «Der Turm» (Buch und Regie: Lars Henning) – das klingt nicht von ungefähr nach «Der Bau», «Das Schloss» oder «Der Prozess». Mehr kafkaeske Verzweiflung war selten beim deutschen Renommierkrimi. Dazu passte, dass der mutmassliche Täter mit Motorradhelm entkommen konnte.

Ein «Tatort» ohne überführten Täter – gab es das schon?

Es gab viele. Zuletzt gelang es Kommissarin Lindholm (Maria Furtwängler) in «Der Fall Holdt» (2017) nach authentischer Vorlage nicht, einen Kidnapper zu schnappen. Zuvor scheiterten die Münchner Kommissare im Oktober 2016 («Tatort: Die Wahrheit»), als eine Messerattacke unaufgeklärt blieb. Einige Monate später durften sie Versäumtes aber im «Tatort: Der Tod ist unser ganzes Leben» nachholen. Schon 2012 blieb der BR-«Tatort: Der tiefe Schlaf» ohne klare Lösung.

Dass es «Tatort»-Kommissaren nicht gelingt, Täter zu überführen, hat eine lange Tradition. 1986 scheiterte Kriminalhauptkommissar Bülow (Heinz Drache) bei der Suche nach dem Mörder einer Pelzhändlerin. Im Frankfurter «Tatort: Weil sie böse sind» (2010) kannte der Zuschauer zwar den Täter, die Kommissare fanden ihn aber nicht. 2012 liess der SWR beim «Tatort: Der Wald steht schwarz und schweiget» die Täterfrage bewusst offen und bat die Zuschauer danach zum Online-Spiel. Und schliesslich mussten auch im HR-«Tatort: Land in dieser Zeit» die Kommissare Anfang 2017 ihre Ermittlungen in einem Brandanschlag aufgeben. Die Kommissare damals wie heute: Janneke und Brix.

Wer spielte den jungen Augenzeugen?

Eine Entdeckung dieser ebenso intellektuellen wie zermürbenden Kriminalfarce: Rauand Taleb als junger IT-Angestellter Bijan, der sich Kommissar Brix zunächst anvertraute und es dann doch zu schweigen vorzog. Ein sehr quirliger, charismatischer Auftritt des 1992 geborenen Berliners mit kurdischen Wurzeln. Im «Tatort» hatte der 1,62 Meter grosse Hip-Hop-Fan zuvor schon Fussabdrücke hinterlassen. 2015 spielte er im Luzerner Krimi «Schutzlos» einen syrischen Flüchtling, 2017 war Rauand Taleb im Dortmunder Terror-«Tatort: Sturm» zu sehen. Auch Fans der wirkungsmächtigen Berliner Gangster-Serie «4 Blocks» dürfte sein Gesicht bekannt vorkommen.

Wie geht es mit Janneke und Brix weiter?

Oder besser gefragt: Wo? Jenseits von Frankfurt! In «Das Monster von Kassel» verschlägt es die beiden Kommissare in die titelgebende nordhessische 200'000-Einwohner-Stadt. In Kassel lebte das Mordopfer, Sohn eines bekannten Fernsehtalkmasters. Regie führte Umut Dag nach einem Buch von Stephan Brüggenthies und Andrea Heller. Geplante Ausstrahlung ist der 7. April 2019.

Der «Tatort: Der Turm» lief am Mittwoch, 26. Dezember, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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