Ski alpin «Bei Marco sieht alles so leicht aus»

ber, sda

20.1.2022 - 05:00

Ein gewohntes Bild in dieser Saison: Der jubelnde Aleksander Kilde
Ein gewohntes Bild in dieser Saison: Der jubelnde Aleksander Kilde
Keystone

Aleksander Kilde staunt selber über die schnelle Rückkehr an die Spitze nach seinem Kreuzbandriss. Der Norweger ist so gut wie noch nie in eine Saison gestartet.

Keystone-SDA, ber, sda

Die fünf Siege nur ein Jahr nach seiner schweren Verletzung im rechten Knie sind im Gespräch mit Aleksander Kilde natürlich ein Thema wie der Höhenflug von Marco Odermatt. Dazu redet der Gesamtweltcup-Sieger der vorletzten Saison über seinen besonderen Bezug zum Basler Agrartechnologie-Konzern Syngenta, seine Einstellung zu Olympischen Spielen in China und die Vorteile seiner Liaison zu Mikaela Shiffrin.

Aleksander Kilde, schauen wir in die fernere Zukunft. Wenn Sie in ein paar Jahren Ihre Karriere beenden werden, könnte ich Ihnen einen geeigneten Beruf vorschlagen.

«Ich wüsste nicht was. Da bin ich jetzt mal gespannt.»

Gemüsebauer.

«Gemüsebauer? Okay. Das wäre was, ja.» (lacht).

Geübt haben Sie ja schon einmal – mit einem eigenen kleinen Gemüsegarten bei Ihnen zu Hause.

«Ja, den Garten habe ich im Zusammenhang mit einer Partnerschaft mit der Syngenta Group angelegt, um mir selber ein Bild über das Heranwachsen von Lebensmitteln zu machen. Mein Interesse an der Landwirtschaft ist nicht neu. Sie hat mich schon als Jugendlichen fasziniert.»

Auf diese Partnerschaft wollte ich Sie ansprechen. Wie ist die Verbindung mit der Syngenta Group zustande gekommen?

«Ausgewogene Ernährung und Umweltschutz sind für mich als Skirennfahrer sehr wichtig. Ich brauche Schnee für meinen Sport, doch je wärmer es wird in unserer Welt, desto weniger Möglichkeiten habe ich. Auch deshalb will ich mein Wissen über nachhaltige Lebensmittelproduktion vertiefen. Die ständig wachsende Weltbevölkerung und der Klimawandel erfordern auch im Bereich der Ernährung Lösungen. Syngenta leistet da einen grossen Beitrag. Als Botschafter, der ich seit gut einem Jahr bin, versuche ich diese Arbeit so gut als möglich zu unterstützen.»

Mit Ihrer Verbundenheit zu Natur und Umwelt haben Sie einen besonderen Blickwinkel auf die Olympischen Spiele in Peking. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie etwa ans Gebiet in Yanqing denken, in dem die alpinen Skirennen stattfinden, an einem Ort, wo es praktisch nie schneit?

«Ich sehe Olympische Spiele als Athlet. Ich nehme als Sportler teil. Ich will mich auf meine Einsätze konzentrieren. Natürlich sind die Begleiterscheinungen solcher Veranstaltungen auch für mich ein Thema. Auch ich mache mir meine Gedanken. Aber mir fehlen Zeit und Energie, um mich während der Spiele damit auseinanderzusetzen.»

Dazu kommt die ganze Problematik rund um das Coronavirus. Die Angst vor einer Ansteckung und dem damit verbundenen Startverbot ist latent. Wie gehen Sie damit um?

«Gerade im Weltcup ist Corona nicht einfach zu kontrollieren. Das zeigen die sich häufenden Ansteckungen. Ich kann nichts anderes machen, als mich so gut als möglich zu schützen – mit Maskentragen und Abstandhalten.»

Aus sportlicher Sicht dürfen Sie sich auf die Spiele in China freuen. Ein Jahr nach Ihrem Kreuzbandriss scheinen Sie so stark wie nie.

«Ja, ich fahre so gut Ski wie noch nie. Das ist ein ausgezeichnetes Timing (lacht). Es könnte nicht besser sein. Damit hätte ich nie gerechnet nach dem, was vor einem Jahr war. Ich hatte mir nach der Verletzung vorgenommen, geduldig zu sein. Ich war überzeugt, dass es wieder gut kommen wird. Vor allem auch, weil die Operation ohne Komplikationen verlaufen ist. Dass es aber so schnell geht, damit hätte ich nie und nimmer gerechnet.»

Bereitet das operierte rechte Knie noch Probleme?

«Beim Fahren spüre ich nichts. Nach starker Belastung in Rennen oder Training muss ich aber den einen oder anderen Tag Pause einlegen.»

Wie sehr hat Ihnen in der Zeit des Wiederaufbaus Freundin Mikaela Shiffrin helfen können?

«Ich konnte immer auf ihre Unterstützung zählen. Wir haben einen grossen Teil des Konditionstrainings miteinander absolviert. Ich habe auch viel gelernt von ihr, von ihrer täglichen, hochprofessionellen Arbeit.»

Taktik und Technik kommen sicher auch zur Sprache.

«Wir haben in diesen Bereichen mittlerweile viel Erfahrung. Davon profitieren beide. Aber es ist schon erstaunlich, welch gutes Auge Mikaela in Bezug auf die Technik hat. Das erlebe ich bei jedem gemeinsamen Video-Studium.»

Trotz Ihrer Hochform haben Sie sich bisher auf Abfahrt und Super-G konzentriert. Wieso?

«Ich will trotz allem mein operiertes Knie nicht überbelasten. Der Riesenslalom in Adelboden war eine Option. Weil in Wengen aber neben den zwei Abfahrten auch ein Super-G im Programm stand, liess ich es sein.»

Der Riesenslalom wird in diesem Winter also kein Thema mehr sein für Sie?

«Es ist noch nichts konkret. Es ist durchaus möglich, dass ich nach den Olympischen Spielen die zwei Riesenslaloms in Kranjska Gora fahre.»

Sie nehmen durch den bisherigen Startverzicht im Riesenslalom im Kampf um den Gesamtweltcup Nachteile in Kauf. Marco Odermatt fährt in drei Disziplinen an der Spitze mit.

«Im Moment schaut es unmöglich aus, die grosse Kugel ein zweites Mal zu gewinnen. Es wird auf jeden Fall schwierig, wenn ich sehe, wie Marco zur Zeit drauf ist. Trotzdem weiss man ja nie. Wenn es für mich weiter so gut läuft, kann alles passieren.»

Fahrer wie früher Aksel Svindal oder Marcel Hirscher haben andere Athleten inspiriert und motiviert. Ist Marco Odermatt für Sie Inspiration und Motivation?

«Solche Typen spornen mich schon an. Sie zeigen mir, was möglich ist. Bei Marco imponiert mir die Ruhe, die er trotz seines jungen Alters schon hat. Und wenn er fährt, sieht alles so einfach aus. Es macht Spass, ihm zuzuschauen. Ich habe grössten Respekt vor seinen Leistungen.»

In den Abfahrten in Kitzbühel dürfte Beat Feuz diese Inspiration sein. Können Sie von ihm etwas abschauen?

«Schwierig zu sagen, denn er hat ja einen ganz anderen Fahrstil als ich. Bei ihm sieht es auf der Streif aus, als gäbe es all die Schwierigkeiten nicht.»

Sie selber weisen den sechsten Platz vor sechs Jahren als Bestergebnis in der Abfahrt auf der Streif aus. Weshalb hat es bisher noch nicht nach weiter vorne gereicht in der Rangliste?

«Ich habe Mühe, wenn die Piste unruhig ist – wie es oft der Fall ist in Kitzbühel oder in Bormio. Ich hoffe trotzdem, dass es für mich noch besser wird. Wir machen uns auch materialmässig Überlegungen. Vor allem aber muss ich einfach besser Ski fahren, um bei den Besten zu sein.»