Nach starkem Saisonstart ist der VfL Wolfsburg in der Krise. Die Entlassung des Wunschtrainers Mark van Bommel soll im Klub mit den Schweizern Renato Steffen und Kevin Mbabu die Wende einleiten.
Es ist der 19. September. Der VfL Wolfsburg hat am fünften Spieltag der Bundesliga nach vier Siegen in Folge erstmals Punkte liegen lassen. 1:1 steht es nach dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt, und weil Bayern München am Vortag beim 7:0 gegen Bochum seine Muskeln spielen liess, ist Wolfsburg nicht mehr Leader. Als Trainer Mark van Bommel auf dem Podium im Medienraum sitzt, wird er gefragt, ob er glaube, dass seine Mannschaft noch einmal an den Bayern vorbeiziehen werde. Mit einem süffisanten Lächeln antwortet der Niederländer: «Wer weiss.»
Knapp fünf Wochen später sitzt Van Bommel erneut auf dem Podium, der Schalk in seinen Augen ist geblieben, der Inhalt der Fragen hat sich aber drastisch verändert. Was er dazu sage, dass nach der Partie gegen Freiburg einige «Van-Bommel-raus-Rufe» von der Tribüne der Volkswagen Arena zu vernehmen gewesen seien, wird er gefragt. Der 44-Jährige beteuert, er habe nichts gehört, «aber Emotionen gehören dazu. Die Zuschauer wollen, dass wir gewinnen.»
Die geduldige Führung
Es sollte einer der letzten öffentlichen Sätze Van Bommels als Trainer der Wolfsburger sein. Am Sonntag gab der Verein die Trennung bekannt. Noch im Sommer war Van Bommel trotz überschaubarer Trainer-Vita (zweieinhalb Saisons beim PSV Eindhoven) als Wunschlösung für den zu Frankfurt gewechselten Oliver Glasner präsentiert worden war.
Wie schnell sich Van Bommel vom Wunschkandidaten, der die Erfolge Glasners weiterführen und wiederholen soll, zum Sündenbock ohne klare Spielidee entwickelt hat, kommt überraschend. Auch wenn er nach dem peinlichen Wechselfehler in der ersten Cup-Runde im August gegen Viertligist Preussen Münster und dem daraus folgenden Ausschluss schon früh in die Kritik geraten ist. Denn Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Sportdirektor Marcel Schäfer zeigten sich in den letzten dreieinhalb Jahren geduldig und weitsichtig und schienen nicht dazu geneigt, ein Konzept vorschnell über Bord zu werfen.
Steffens Kritik
Ihnen war aber auch nicht entgangen, dass sich die Stimmung im Umfeld in den letzten Wochen arg verschlechtert hatte. «Wir müssen an den Tugenden arbeiten. Gemeinsam verteidigen, gemeinsam angreifen. Da sind ein paar Sachen verloren gegangen», hatte der Schweizer Flügel Renato Steffen, der im Team ebenso zu den Leistungsträgern zählt wie Landsmann Kevin Mbabu, nach dem 1:3 am vergangenen Mittwoch in der Champions League gegen Salzburg gesagt. Und damit mehr oder weniger subtil angedeutet, dass der Zusammenhalt in der Mannschaft längst nicht mehr der beste ist.
Das 0:2 gegen Freiburg war dann die vierte Niederlage in Folge und die insgesamt achte Partie am Stück ohne Sieg. «Haste Scheisse am Schuh, haste Scheisse am Schuh», meinte Van Bommel noch lapidar und kramte damit ein geflügeltes Wort des ehemaligen Deutschen Internationalen Andi Brehme in leicht adaptierter Form hervor, um zu sagen, wenn es schlecht laufe, laufe es meist gleich richtig schlecht.
Viel tiefgründiger wurde der Niederländer in seinen Analysen selten. 17 Gegentore hat Wolfsburg in dieser Spielzeit in 13 Spielen wettbewerbsübergreifend bereits kassiert, alleine neun davon nach Standardsituationen. Wie Van Bommel diese eklatante Schwäche, die auch gegen Freiburg zu einem Gegentreffer führte, ausmerzen will? «Wir müssen hart arbeiten.» Wie er der meist ideenlosen Offensive neue Impulse verleihen und aus der Krise finden will? «Jeden Tag härter arbeiten. Dann kommt man auch da raus – und nicht anders.»
116 Tage
Das Floskelhafte in den Äusserungen in der Öffentlichkeit liess die Zweifel an der Tauglichkeit Van Bommels für einen Job auf dieser Stufe wachsen. Die «Wolfsburger Allgemeine» stellte die Vermutung in den Raum, dass er wohl auch mit seinen Spielern so reden würde. Dass sich so keine taktische oder spielerische Entwicklung einstellen könne, liege auf der Hand. «Für Van Bommel war die Bundesliga eine Nummer zu gross», konstatierte die Zeitung.
116 Tage war der Niederländer im Amt. Kein anderer musste seinen Sessel in der Geschichte der Wolfsburger schneller räumen. Interimistisch hat Co-Trainer Michael Frontzeck übernommen. Wer der definitive Nachfolger wird, ist noch nicht bekannt. Florian Kohfeldt, zuletzt bei Werder Bremen, und Dortmunds technischer Direktor Edin Terzic gelten als Kandidaten.