Interview Zibbz: «Herausstechen ist nicht unser Ziel am ESC»

Von Marjorie Kublun

24.4.2018

Bluewin traf die Zibbz knapp zwei Wochen vor dem Eurovision Song Contest zum Interview in Zürich.
Bluewin traf die Zibbz knapp zwei Wochen vor dem Eurovision Song Contest zum Interview in Zürich.
Bild: mk

Vor sechs Jahren traf ich die Zibbz vor ihrem Kleiderschrank in ihrem Elternhaus für einen TV-Beitrag für den Jugendsender Joiz. Seitdem ist viel passiert bei Corinne «Co» und Stefan «Stee» Gfeller. Am 8. Mai vertritt das Geschwisterpaar mit ihrem Song «Stones» die Schweiz am Eurovision Song Contest (ESC). Das ist ein Grund für ein Wiederzusehen. Ich treffe die beiden im Café Sphères in Zürich. Wir sprechen für Bluewin über die Konkurrenz und das Outfit beim ESC und über ihr nicht immer einfaches Leben als Pendler zwischen Los Angeles und der Schweiz.

«Bluewin»: Herzlichen Glückwunsch! Ihr vertretet die Schweiz am ESC. Was bedeutet dies für euch?

Stee: Es ist uns natürlich eine Ehre, die Schweiz am ESC zu vertreten und somit ein Teil davon sein zu können. Das ist eine super Erfahrung.

Co: Vor allem als nicht so bekannte Band.

Kennt man die Zibbz denn nicht so in der Schweiz?

Co: Die Schweiz kennt uns schon ein bisschen, aber nicht so wie den Gölä oder DJ Bobo oder andere, die schon beim ESC dabei waren, wie zum Beispiel die Lovebugs. Es ist toll, dass die Schweiz hinter uns steht.

Gilt für euch «Dabei sein ist alles» oder «Gewinnen ist alles»?

Stee (lacht): Unser Ziel ist es auf jeden Fall ins Finale zu kommen.

Co (nickt zustimmend): Wir haben aber trotzdem jetzt schon dadurch gewonnen, dass wir überhaupt dabei sind und die Schweiz repräsentieren. Die Schweiz lernt uns kennen, und auch ein internationales Publikum. Der ESC hat eine grosse Community, von der man profitieren kann.

Ihr macht seit 10 Jahren Musik. Warum habt ihr euch nicht schon vorher an den ESC gewagt?

Co: Der ESC hatte früher eher einen «Glamour-Touch», es ging da mehr um Show als um Musik. Wir haben immer gedacht, wir passen vom Stil und von der Musik her nicht rein und wären chancenlos. Die letzten paar Jahre haben jedoch einen anderen Eindruck erweckt: Auftritte wie die des letztjährigen Gewinners Salvador Sobral oder vor vier Jahren des Country Duos «Common Linnets» aus Holland, die den zweiten Platz belegt haben und tolle Auftritte hingelegt haben, haben uns ermutigt, am ESC teil zu nehmen. Früher galt mehr das Motto «je schräger, desto besser», heute geht es wieder um richtig gute Songs. Darum haben wir meiner Meinung nach wieder mehr Chancen weiterzukommen als in den Jahren zuvor.

Stee: In den letzten Jahren waren zum Glück wieder viele Musiker mit ihrer eigenen Musik dabei. Es ist leider viel «gestellt»: Ich mag diese extra für den ESC zusammengestellten Formationen nicht so sehr.

Was erhofft ihr euch von der Teilnahme am ESC?

Co: Unser Ziel ist es , dass unsere Community wächst. Das tut sie jetzt schon unabhängig davon, wie viele Punkte wir am ESC bekommen. Wir haben uns nun beispielsweise durch die Teilnahme schon vor einem grösseren Publikum präsentieren können. Das ist natürlich super für uns.

In eurem Teilnahmesong «Stones» geht es um Mobbing. Seid ihr in eurer Jugend Opfer von Mobbing geworden oder Zeuge von Mobbing geworden?

Stee: Zu einem gewissen Grad haben wir schon verschiedene Mobbing-Momente miterlebt.

Co: Wenn du einen Song schreibst, schreibst du einfach mal das, was dir auf dem Herzen liegt und hinterfragst nicht so viel. Als die «grosse» Schwester eines Bruders und einer Schwester habe ich sie zum Beispiel in der Schule immer verteidigt. In der Schule gab es viele Sticheleien unter den Kindern. Heutzutage ist das Thema vor allem wegen des Internets präsent. Ständig liest man im Netz böse, vielleicht nicht sehr überlegte Kommentare. Dinge, die man hinter einem Bildschirm schnell mal schreibt, aber jemandem doch sehr weh tun können. Es gibt immer wieder Selbstmorde wegen Cybermobbing.

Wie reagiert ihr auf böse Kommentare? Antwortet ihr oder löscht ihr sie?

Stee: Wir löschen sie nicht, wir ignorieren sie tendenziell. Wir versuchen, nicht allzu sehr auf das Getratsche einzugehen. Eine gewisse Elefantenhaut muss man sich schon zulegen. Aber in jungen Jahren hat man diese Stärke oft noch nicht. Leider ist Selbstkritik oft das schlimmste, was du dir selber antun kannst.

Was würdet ihr jemandem sagen, der so selbstkritisch ist?

Co: Selbstkritik ist etwas, was ich gut kenne. Ich bin selber mein grösster Kritiker und mache mich manchmal runter. Stee kann mir da gut helfen, wenn es wieder so weit ist. Er konfrontiert mich dann mit dem Video oder Foto und lässt mich genau hinsehen. Oftmals wird mir dann klar, dass er recht hat und dass das, was ich so schlimm finde, in Wirklichkeit gar nicht so schlimm ist und von aussen vielleicht gar nicht so wahrgenommen wurde.

Nur noch knapp zwei Wochen bis zur Show. Wie bereitet ihr euch vor? Macht ihr viel Sport, um fit zu sein?

Co: Ende April geht es schon nach Portugal. Ich mache jeden Tag Workouts. Stee nie. Ich übe den Song jeden Tag. Stee nie. (lacht)

Stee: Mein Job ist vorher passiert. Ich habe den Song produziert.

Welcher Part, neben der Musik, macht euch am meisten Spass? Das Reisen?

Co: Wir kommen gerade aus Tel Aviv zurück, doch wir hatten neben der Arbeit überhaupt keine Zeit für etwas anderes. Dabei wäre ich so gerne shoppen gegangen. Was mir gerade viel Spass macht, ist das Bühnenoutfit zu kreieren. Wir entwerfen mit Hutdesigner Eric Blum von Onkai Hüte, Gürtel und Outfits.

Darf man schon erfahren, in welche Richtung die Outfits gehen?

Stee: Ein Hut wird sicher dabei sein.

Co: Es wird sicher nicht farbig. Es wird eher schlicht, mit Accessoires wie einem Hut und Gürtel.

Will man bei so einem Event nicht besonders herausstechen dank eines extravaganten Outfits?

Co: Herausstechen ist nicht unser Ziel. Unser Ziel ist es, einen souveränen Job zu machen. Ausserdem ist es sehr schwierig herauszustechen, weil es so viele Acts gibt, die einfach allein schon vom Charakter oder vom Aussehen her sehr auffallen.

Stee: Wir wollen authentisch sein. Wir wollen uns nicht anders präsentieren, nur weil wir am ESC sind. Die, die uns kennen, sollen sagen, das sind die Zibbz, wie wir sie kennen.

madrid u absolutely blew our minds!! Thank u for ur kindness!! ❤️ #esc2018 #espreparty

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Wer stellt die grösste Konkurrenz dar?

Stee: Die Konkurrenz ist sicher hart. Dieses Jahr gibt es lustigerweise viele Duos. Aber diese sind alle ein bisschen anders. Wir sind eher auf der rockigen Seite, obwohl wir eigentlich nicht wirklich Rock, sondern eher Pop sind. Bei den anderen findet man eher Balladen.

Co: Unter den Favoriten fällt momentan Netta Barzilai aus Israel. Sie hat einen super Song und ist im positiven Sinne ein wenig schräg und fällt auf. Auch Frankreich ist mit dem Duo Madame Monsieur, ein Paar, das auch seit 10 Jahren Musik macht, gut vertreten.

Seid ihr jetzt schon nervös?

Stee: Wir hatten kürzlich ein Meeting über das, was wir alles umsetzen wollen in Portugal. Da wird es Schlag auf Schlag gehen. Da haben wir schon gemerkt, jetzt geht's ans Eingemachte! Ich merke die Nervosität aber eigentlich erst, wenn es so weit ist.

Co: Momentan bin ich noch nicht so nervös und erledige die normalen Sachen, die täglich anfallen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, vor so vielen Leuten zu stehen, und dass man nichts falsch machen darf - dann kommt die Nervosität schon.

Habt ihr ein Entspannungsritual kurz bevor ihr auf die Bühne geht?

Co: Kurz vorher gut durchatmen. Ich mach manchmal ruhige Turnübungen, um den Körper warm zu machen.

Stee: Ruhe ist besonders wichtig kurz bevor es raus auf die Bühne geht. Die Erfahrung haben wir wirklich gemacht. Wenn kurz vorher viel Trubel war, war anschliessend die Show auch nicht gut. Man muss sich vorher unbedingt fokussieren.

Ihr hattet jahrelang eine TV-Show bei Joiz. Was hat sie euch gebracht und was ist dadurch alles passiert?

Co: Es ist wirklich schwer zu sagen, was durch die Show alles passiert ist, weil es so ein fester Bestandteil unseres Lebens gewesen ist. Man kann sagen: Alles ist durch Joiz passiert oder nichts. Auf jeden Fall war es eine Schule für's Leben! Wir hatten beide keine Ahnung vom Fernsehen, keine Ahnung vom Filmen. Wir haben alles selber gefilmt und auch vorgeschnitten.

Stee: Es hat uns ins Licht gerückt, aber eher als TV-Personality denn als Musiker. Es stellte sich dann die Frage, als was man wahrgenommen werden möchte.

Würdet ihr heute nochmals eine solche TV-Show machen, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde?

Stee: Eher nicht. Videos realisieren schon, aber eher kürzere in Form von Blogbeiträgen, wie wir es heute beispielsweise auf Instagram machen.

Co: Heute nicht mehr, damals als 23-Jährige stimmte es für mich total.

Wie schwer ist es, als Schweizer Musiker Fuss zu fassen und mit Musik Geld zu verdienen?

Stee: Egal ob Musiker, Schauspieler oder sonstiger Künstler; für kreativ Schaffende ist es immer schwierig, seinen Brand aufzubauen. Es gibt keine genaue Anleitung, um erfolgreich zu werden. Wichtig ist es, immer wieder aufzustehen. Aber als Musiker in der Schweiz hat man schon viele Möglichkeiten. Das wird einem klar, wenn man wie wir viel in Los Angeles ist. Dort gibt es so viele Bands und jeder spielt gratis. Erwarte dort bloss nicht, für einen Auftritt bezahlt zu werden. In der Schweiz gibt es wenigstens meist bezahlte Gigs. Hier hat man dann doch mehr Möglichkeiten.

Ihr pendelt ja zwischen der Schweiz und L.A. Wie muss man sich das genau vorstellen?

Co: Wir sind abwechselnd einige Zeit in L.A und wieder ein paar Monate in der Schweiz. Das Pendeln ist schon so eine Sache: Man hat nirgends wirklich ein Zuhause. Dort leben Stee und ich in einer Künstler-WG mit unseren Partnern. Für ein Paar ist das natürlich nicht optimal. Und in der Schweiz sind wir dann bei unseren Eltern in Gisikon (LU). Wir haben noch nie einen Schweizer Lohn gehabt. Keinen Monat. Man muss als Künstler definitiv Kompromisse schliessen. Dafür haben wir Zeit und Freiheit und können unserem Traum nachgehen, Musik zu entwickeln. Man muss für sich selber entscheiden, was einem wichtig ist. Und wir haben diesen Weg gewählt.

Co, du hast ja geheiratet, herzlichen Glückwunsch! An welcher Stelle steht für dich Familienplanung?

Sofort zückt sie ihr Natel und zeigt mir paradiesische Bilder ihrer Hochzeit.

Co: Das war in Tulum, Mexico. Yves und ich haben im kleinen Kreis geheiratet. Es war wunderschön. Familie steht auch irgendwann an, aber erst einmal steht der ESC im Fokus.

Und wie stellt ihr euch euer Leben vor, wenn ihr irgendwann eine Familie gründen wollt?

Co: Das ist das Faszinierende an einem Leben als Künstler. Du weisst nie, was die Zukunft bringt. Vor einem Jahr hätten wir niemals damit gerechnet, dass wir heute am ESC teilnehmen. Mit den neuen Dingen, die das Leben bringt, kommen auch die Veränderungen. Yves ist zum Glück auch sehr offen für Veränderungen. Wir fühlen uns an beiden Orten wohl. Aber wir werden höchstwahrscheinlich nie nur in einem Land jahrelang leben.

Was fasziniert euch an L.A.?

Stee: Die Freiheit. Das freie Leben, das man dort als Künstler führen kann. L.A. ist unser Labor, dort entwickeln und produzieren wir auch mit anderen Künstlern. Die Schweiz unsere Bühne.

Was macht ihr, wenn ihr in der Schweiz seid?

Co: Fondue ist ganz wichtig, wenn man wieder zurückkommt. Was mir jeweils auch sehr fehlt, ist der Sonntagsbrunch mit der Familie. Darauf freue ich mich bei der Rückkehr.

Einen Tipp gegen Jet-lag?

Co: Viel trinken!

Stee: Kneippen!

Stee, du gehst kneippen, wie geht das?

Stee: Da geht man barfuss durch kaltes Wasser. Ich hab's mal getestet, aber eigentlich habe ich keinen Unterschied gemerkt (lacht). Aber soll helfen! Nein, das ist eigentlich nicht mein Tipp. Mein Tipp ist: «Nicht auf die Uhr schauen!»

Gölä ist ja so etwas wie euer Götti in der Musik. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Stee: Ende des Jahres haben wir wieder drei Auftritte mit ihm im Hallenstadion. Inzwischen ist das wie ein Klassentreffen, auf das wir uns alle freuen.

Mit welchen Künstlern würdet ihr gerne zusammenarbeiten?

Stee: Jack White!

Co: Oh ja, Jack White wäre ein Traum. Oder Pharrell Williams, auch wenn er einen anderen Musikstil verfolgt.

Was sind denn die Vor-und Nachteile mit seinem Bruder bzw. seiner Schwester zu arbeiten?

Stee: Der Vorteil ist, man kennt sich sehr gut. Der Nachteil ist…

Co: ...Man kennt sich sehr gut. (beide lachen)

Stee: Man weiss genau, wann der andere in die Luft geht, und das versucht man zu vermeiden. Aber wir ergänzen uns sehr gut und gleichen unsere Stärken und Schwächen gegenseitig aus.

Co und Stee von den Zibbz und Redaktorin Marjorie Kublun. Ende April geht es für die Musiker schon nach Portugal.
Co und Stee von den Zibbz und Redaktorin Marjorie Kublun. Ende April geht es für die Musiker schon nach Portugal.
Bild: mk
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