Sprachpfleger Aller anfangs ist schwer

Von Mark Salvisberg

4.8.2021

Anfang oder anfangs? Man sollte sich nicht gerade zu Beginn eines Satzes verstolpern.
Anfang oder anfangs? Man sollte sich nicht gerade zu Beginn eines Satzes verstolpern.
Bild: Getty Images

Nicht alle Menschen wissen gleich souverän mit dem Wort anfangs umzugehen. Muss es anfangs Juli heissen, oder ist nur Anfang Juli richtig? Der Sprachpfleger erklärt den Bedeutungsunterschied.

Von Mark Salvisberg

4.8.2021

Häufig herrscht Unsicherheit darüber, ob anfangs die richtige Wahl ist oder Anfang. Wer «anfangs des Jahres» schreibt, bedient sich der Umgangssprache. Denn lang ist’s her, dass das Wort anfangs – so wie im genannten Beispiel – als Präposition mit Genitiv in der «seriösen» Schriftsprache anzutreffen war.

In der Umgangssprache bedeutet anfangs (als Präposition) heute so viel wie zu Beginn eines Zeitraums. Vor längerer Zeit hiess es sogar noch (örtlich) «anfangs der Brücke».

Tempi passati. Bereits seit Hunderten von Jahren gibt es anfangs als Adverb. Heute ist es der Standard und ebenso geläufig wie gestern, morgen, zwischendurch et cetera. Es bedeutet schriftsprachlich zuerst oder am Anfang.

Anfangs steht für sich allein

Das «moderne» anfangs, das Adverb, hat kein Nomen beziehungsweise keine Zeitangabe im Schlepptau, wie folgende Beispiele zeigen: Anfangs war sie noch müde; die anfangs vorausgesagte Krise kam nicht. Deshalb rate ich Ihnen, solche Formulierungen zu vermeiden: «Sie war anfangs Woche noch müde.»

Anfang – ein Wort für den Genitiv

Ist das Nomen Anfang im Spiel, wird eine Zeitangabe verlangt, wie im vorigen Beispiel: Sie war Anfang Woche noch müde. Auffällig sind hin und wieder falsche Schreibungen wie «Anfang nächste Woche». Hier ist der Fall der Fehler: Nach dem Nomen Anfang folgt generell ein Genitiv: Anfang nächster Woche. Ausgeschrieben würde es lauten Anfang der nächsten Woche. Fehlt der Artikel, wird aus nächsten (weil aufgrund des fehlenden Artikels die starke Deklinierung gilt:) nächster.

Oder es wird gar nicht angepasst (dekliniert), und zwar immer dann, wenn eine nicht flektierte Zeitangabe folgt: Anfang Juli oder Anfang des Juli(s). Letzteres klingt für mich zwar leicht gestelzt. Doch in Deutschland zieht man des Juli(s) vor. Gemäss «Variantengrammatik des Standarddeutschen», einem hervorragenden länderübergreifenden Online-Nachschlagewerk der deutschen Sprache, sind nämlich Formulierungen wie Anfang Monat, Anfang Woche fast nur in der Schweiz anzutreffen. Ja, auch aller Anfang ist schwer.


Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute täglich journalistische Texte bei einer Tageszeitung.

Möchten Sie, dass der Sprachpfleger ein bestimmtes Thema behandelt? Senden Sie eine E-Mail an redaktion.news@blue.ch mit Betreff «Sprachpfleger».