Zweirad-Boom«Eis und Glätte sind der grösste Feind des Velofahrers»
Von Sulamith Ehrensperger
20.11.2020
Velofahren bei Kälte und Schnee ist nicht jedermanns Sache. Doch wegen Covid dürfte die Zahl der Ganzjahres-Velofahrer zunehmen. Tipps für alle, die im Winter auf zwei Rädern unterwegs sind, von Daniel Meyer, Gründer von Egomovement.
Wir beobachten schon, dass immer mehr im Winter Velo fahren. Ich glaube, Covid hat sicher einen Einfluss, weil viele die ÖV meiden wollen, aber wohl auch, weil die Winter weniger kalt sind und weniger Schnee liegt. Denn Eis und Glätte sind der grösste Feind des Velofahrers.
Zur Person: Daniel Meyer
zvg
Daniel Meyer ist Geschäftsführer und Mitgründer von EGO Movement. Der ETH-Ingenieur gründete das Unternehmen zusammen mit der Harvard-Absolventin Marie So. Ihre Mission ist die «E-volution» der Mobilität.
Könnte es dieses Jahr einen Rekord an verkauften Velos geben?
Ich glaube, es wird sicher das beste Jahr sein und verglichen mit dem Vorjahr – das ebenfalls ein gutes Jahr war –, nochmals eine signifikante Steigerung geben. Das merken wir auch, weil wir jetzt schon Bestellungen für den nächsten Frühling entgegennehmen. In gewissen Bereichen ist die Nachfrage derart hoch und die Lieferfristen teilweise so lang, dass wir inzwischen stärker im Voraus planen müssen.
Rutschiges Laub, Kälte, Schnee und Eis – vielen liegt das Velofahren im Winter nicht gerade im Blut. Was wird am meisten unterschätzt?
Für sicheres Fahren muss das Velo in einem guten Zustand sein. Reifen mit gutem Profil gehören da sicher dazu. Je nach Untergrund, den man befährt, und Jahreszeit gibt es da unterschiedliche Varianten. Man kann sich bei uns oder bei anderen Fachhändlern dazu beraten lassen. Wenn man den ganzen Winter lang fahren möchte, empfehlen wir, das E-Bike auch regelmässig in den Service zu bringen. Generell ist da die Regel einmal pro Jahr oder alle 1000 gefahrene Kilometer, je nachdem was zuerst eintrifft. Ein weiterer Punkt ist die Ausrüstung: Bei Dunkelheit und Schneefall ist reflektierende Kleidung besonders wichtig, um im Verkehr rechtzeitig gesehen zu werden.
Weitere Tipps für die richtige Kleidung?
Das kommt ganz auf den Fahrstil an. Generell sollte die Kleidung warmhalten, einen aber nicht ins Schwitzen bringen. Für klassische Pendler, die eine eher hohe Unterstützungsstufe wählen, daher weniger ins Schwitzen kommen, passt eine normale Winterjacke mit reflektierenden Elementen. Für sportlichere Fahrer hingegen macht es Sinn, Sportkleidung zu tragen, die sehr atmungsaktiv ist und Bewegungsfreiheit schenkt. Auch wenn es regnet, ist eine gute Ausrüstung wichtig – eine Regenjacke und -hose oder ein Poncho.
Wie fährt man sicher, wenn es glatt wird?
Da muss man wirklich extrem vorsichtig sein. Für das Velo gilt bei Schnee und Eis dasselbe wie für motorisierte Fortbewegungsmittel: Wenn es rutschig wird, langsam fahren. Und wenn es wirklich vereist ist, entweder gar nicht fahren oder schauen, wo die Wege gesalzen sind. Über Eis auf zwei Rädern ist und bleibt gefährlich.
Viele fahren durch die Unterstützung des Elektromotors schneller, als es ihre Fähigkeiten eigentlich erlauben, ist eine oft gehörte Kritik. Ihre Tipps fürs Fahrverhalten im Winter?
Auch hier gilt dasselbe wie beim Autofahren: Je schlechter die Bedingungen sind – also Glätte, Nässe, Dunkelheit –, desto defensiver sollte man fahren. Und dies schon einberechnen, bevor man aufs Bike steigt, das heisst: weniger schnell fahren, früher abbremsen können und klarer signalisieren, beispielsweise beim Abbiegen. Weil man mit dem E-Bike schneller unterwegs ist und andere Verkehrsteilnehmer einen eher unterschätzen, ist Sichtbarkeit ein sehr wichtiges Thema. Wichtig ist auch, bei der Wahl des E-Bikes darauf zu schauen, dass es die richtigen Sicherheitsmerkmale hat. Alle unsere E-Bikes haben zum Beispiel Bremslichter, die zusätzlich leuchten, wenn die Bremse gezogen wird, so wie ein Auto oder ein Töff.
Was ist mit der Wartung des E-Bikes?
Die winterlichen Bedingungen setzen der Velokette besonders zu. Daher sollte diese regelmässig alle ein bis zwei Monate mit den richtigen Pflegeprodukten geschmiert werden. Insgesamt brauchen E-Bikes im Winter mehr Pflege. Das heisst zum Beispiel, dass man nach dem Fahren auf Strassen mit Salz das E-Bike regelmässig reinigen sollte. Am besten mit lauwarmem Wasser und Lappen reinigen oder dem Schlauch mit niedrigem Druck, auf keinen Fall aber mit Seife oder dem Hochdruckreiniger. Der Winter ist übrigens für einen Service eine gute Zeit, denn im Frühling ist in den Werkstätten extrem viel los.
Was ist mit Velos, die in die Winterpause geschickt werden?
Die Batterien der E-Bikes mögen keine Kälte über längere Zeit. Heisst, wenn das E-Bike im Winter draussen parkiert wird, sollte man die Batterie nach drinnen mitnehmen. Grundsätzlich sagt man, 15 °C oder drüber ist für die Lagerung der Batterie okay. Wer länger nicht fährt, sollte alle 45 Tage die Batterie laden. Diese muss nicht voll sein, optimal ist ein Ladestand von 60 bis 80 Prozent. Wer sie komplett entladen lässt, tut der Batterie keinen Gefallen: Entsteht eine Tiefenentladung, geht der Akku in eine Art Schlafzustand, das schadet ihm.
Ihre Kunden nehmen durchschnittlich 2'756 Kilometer pro Jahr unter die Räder, wie eine Studie von Myclimate ergeben hat. Bei Ihnen dürften es deren deutlich mehr sein: Wie schaffen Sie es, den ganzen Winter hindurch zu fahren?
Weil ich bei jeder Gelegenheit Velo fahre, sind es tatsächlich deutlich mehr als die 2'767 Kilometer. Ich mag schöne kühle Wintertage, mich dann draussen zu bewegen. Man schwitzt viel weniger, ist erfrischt, lüftet das Gehirn und tankt neue Energie.